Sonntag, 1. November 2009

Buchbesprechung: Olaf Storbeck - Die Jahrhundertkrise

2007 brach, von Weltöffentlichkeit, Angela Merkel und Peer Steinbrück unbemerkt, die größte Finanzkrise seit 1930 aus. 2008 wurde sie endgültig virulent, als sie nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers auch auf die Realwirtschaft durchschlug. Während die US-Regierung und viele andere Länder bereits hektisch Maßnahmen ergriffen, erklärte Peer Steinbrück noch unbekümmert, die Krise sei ein amerikanisches Problem und werde auf Deutschland keinen Effekt haben. Angela Merkel stimmte zu.

Nun haben wir die größte Krise der Geschichte der BRD, eine Wirtschaft in der Rezession, die größte Neuverschuldung der Geschichte, und Asmussen sitzt noch immer im Finanzministerium. Olaf Storbeck, der Autor des Bestsellers „Ökonomie 2.0“ (laut Eigenwerbung) hat nun im Sauseschritt das vorliegende Buch „Die Jahrhundertkrise“ verfasst, in der er der Krise auf die Spur zu gehen hofft. Das Buch gerät zu einem wahren parforce-Ritt durch das Sujet, in dessen Verlauf der Autor die ideologischen Grundlagen der Krise und der Krisenpolitik von Keynes zu Friedman erläutert, der Subprime-Krise auf den Grund geht, den Zusammenbruch der Banken und das Schnüren des staatlichen Rettungspakets nachverfolgt und schließlich ausblickhaft die Anatomie der Banken erklärt, ehe er zu einer minutiösen Chronologie der Ereignisse der Finanzkrise kommt.

So weit, so gut. Das Ganze passiert auf 194 Seiten; Grund zur Skepsis also. Diese ist jedoch nicht angebracht. Storbeck schafft es, auf diesem kurzen Raum tatsächlich gut darzustellen, um was es geht und verrennt sich dabei nur äußerst selten für einen kurzen Moment in ausgetretenen Pfaden. Seine Kritik an Friedmans Ideen ist zwar vergleichsweise rücksichtsvoll, doch letztlich kommt sie einem totalen Verriss sehr nahe. Auch die ausführliche Beschäftigung mit Keynes und der Verweis darauf, dass die meisten Leute seine Werke nie gelesen hätten und ihn deswegen kaum verstünden – das berühmte „deficit spending“ kommt nur in einem Halbsatz in der Great Theory vor – zeigt deutlich, dass er bereit ist, abseits der ideologischen Schlachtfelder der Neoliberalen zu denken und zu wirken.

Seine Darstellung des Krisenverlaufs ist sehr komprimiert und gut verständlich, auch für Laien. Im Überblick wird die Struktur der Immoblienblase von Greenspans Politik des leichten Geldes bis hin zu CDOs erklärt. Auf diese Weise gerüstet kann der Leser verstehen, wie die Eruptionen des Platzens der Blase denn auch den Finanzsektor erschütterten.

Dabei erteilt Storbeck Vergleichen mit der Weltwirtschaftskrise schon allein deshalb eine klare Absage, weil diese mit einem Absturz der Realwirtschaft begann und der der Finanzwirtschaft erst deutlich später kam – heute ist es umgekehrt, vermutlich sind wir noch nicht an der Talsohle angelangt. Dies sollte jedoch nicht über die Gemeinsamkeiten hinwegtäuschen, so die absurden Gehälter der Finanzbosse oder die weitgehende Entkoppelung beider Sektoren.

Storbecks Buch ist also hervorragend geeignet, um Laien und Einsteigern in die Thematik deutlich zu machen, wie es zu der Krise kam, welche Faktoren in ihr wirkten und wirken und wie das alles zusammenhängt. Allzu viele neue Erkenntnisse kann man sich davon als Fortgeschrittener natürlich nicht erhoffen, aber es scheint auch nicht, als ob das im Sinne des Autors wäre. Der kurzweilige Schreibstil hilft dabei nur noch mehr, sich schnell in der komplexen Materie zurechtzufinden.

1 Kommentar:

  1. "Vermutlich sind wir noch nicht an der Talsohle angelangt." Richtig!

    "Laut einem Bericht der amerikanischen Notenbank Fed werden mittlerweile [auf dem privaten Häusermarkt] genauso viele schlecht besicherte Kredite vergeben, wie vor Ausbruch der Krise. (...) Wenn diese finanzschwachen Kunden ihre Kredite allerdings erneut nicht bedienen können, werden die Institute wieder vor dem Zusammenbruch gerettet werden müssen." (Quelle: Süddeutsche vom 30.10.2009, Seite 23, Die Rückkehr des Monsters)

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