Derzeit läuft die Debatte, ob die schwarz-gelben Pläne zur Verkützung der Dienstzeit auf sechs Monate eigentlich vernünftig sind. Alarmierend scheint der Aufschrei der Sozialverbände zu sein, die befürchten, dass ohne die Zivis das ganze System zusammenbrechen würde. Dazu nur zweierlei: zum einen sinken die Zahlen seit Jahren, und zum anderen: wie zur Hölle schaffen es eigentlich all die anderen hochzivilisierten Länder um uns herum, ohne Zivis auszukommen?
Unabsichtlich legen die Sozialverbände einen Finger in die Wunde: wenn das ganze System nicht ohne Zivis auskommt, ist etwas im Argen. Und zwar richtig. Denn eigentlich sind Wehrdienst und sein Verweigerungspendant, der Zivildienst, ein Relikt von vorgestern. Es ist weder mit den Grundsätzen unseres Grundgesetzes (indem der Wehrdienst gleichwohl verankert ist) noch mit irgendwelcher ratio zu erklären. Es finden sich sehr, sehr viele Argumente für die Beibehaltung des Wehrdiensts. Sie alle sind auf ihre Art sichthaltig. Kleine Auswahl gefällig?
- Ohne Zivis bricht das soziale System zusammen
- Die Bundeswehr braucht eine Zusammensetzung aus allen Schichten um ihren demokratischen Geist aufrecht zu erhalten und als Bürgerarmee gelten zu können
- Die Bundeswehr braucht die Wehrpflichtigen als Kaderreservoir, um ihren dringenden Nachschubbedarf zu lösen
- Die Armee soll nicht Staat im Staate werden
- Wehrdienst hat Tradition
Alles richtig. Und alles falsch. Man muss sich dem Wehrdienst auf eine völlig andere Weise annähern. Letztlich handelt es sich nämlich, wie der Titel des Posts bereits anzeigt, um Zwangsarbeit. Sie wird bezahlt, aber so lächerlich schlecht, dass nur 18jährige sich darüber freuen können. Besonders für die viel umworbenen Abiturienten und zukünftigen Studenten stellt der Wehrdienst eigentlich eine Zumutung dar, kostet er sie doch ein Jahr ihres kostbaren Lebens (das sie hier im Ländle gerade durch die Wahnreform eines G8 einzusparen versuchen). Eine entsprechende Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wurde unlängst abgewiesen, unter äußerst windigen Argumenten.
Doch nicht nur ist der Wehrdienst Zwangsarbeit. Er benachteiligt außerdem die Männer auf kaum hinzunehmende Weise, denn er trifft ausschließlich sie. Frauen können sofort das Studieren anfangen wenn sie möchten. Oder was auch immer sie tun, wenn sie 18 sind. Männer nicht. Sie müssen fürchten, für (derzeit) neun Monate vom Staat gecasht zu werden. Zu erklären ist das eigentlich nicht mehr, allenfalls lahme und unzulässige Verweise auf die frühere Benachteiligung von Frauen - ich habe bereits ausführlich dargelegt, dass sie Rechtfertigung von Unrecht mit früherem Unrecht eigentlich eine moralische Bankrotterklärung ist - oder gar der Verweis darauf, dass nur Frauen Kinder bekommen können und das gewissermaßen der Ausgleich für neun Monate Schwangerschaft sei. Letzteres ist genauso dumm, denn das eine ist freiwillig, das andere nicht.
Diese beiden Gründe alleine disqualifizieren die Wehrpflicht vollständig. Wenn nun argumentiert wird, dass die Sozialsysteme ohne Zivis nicht arbeiten können ist dies auch eine Bankrotterklärung der Sozialsysteme und ihrer Anlage. Jobs, die darauf basieren, dass man junge Menschen für neun Monate praktisch nicht bezahlt haben keine Daseinsberechtigung, das gilt für PIN genauso wie für die 1-Euro-Jobs oder eben Zivistellen. Es gibt Menschen, die machen ein Freiwilliges Soziales Jahr. Das ist schön und nobel. Dies der einen Hälfte der jungen Erwachsenen jedoch zum Zwang zu machen, der anderen aber nicht, ist nicht haltbar. Die Stellen müssen durch sozialversicherungspflichtige Jobs ersetzt werden, das täte den Sozialkassen auf die Dauer ebenso gut wie der Binnennachfrage, vom Los der Angestellten selbst ganz zu schweigen.
Interessant wird es, wenn auf das Problem der demokratischen Verankerung der Bundeswehr eingegangen wird. Eine beliebte Rechtfertigung des Wehrdiensts ist es ja, darauf zu verweisen dass nur die Wehrpflicht eine repräsentative Bundeswehr ermöglicht, die nicht zu einem Staat im Staate wird und sich von der Demokratie löst, die sie verteidigen soll. Diese Gefahr wäre bei einer Freiwilligenarmee zweifellos gegeben.
Doch das stets herangezogene Schreckgespenst Weimars zieht nicht. Die Bundeswehr hat mit der Zivilwelt der BRD wenig zu tun, muss mit ihr wenig zu tun haben. Eine Armee funktioniert anders, ob in einer Demokratie oder einer Diktatur, und sie funktioniert immer ähnlich. Hierarchisch von oben nach unten nämlich, ohne Partizipation. Die Bundeswehr wurde von Ex-Nazis in den 1950er Jahren aufgebaut und hat bis heute eine eher rechte Tendenz, wie durch zahllose Affären auch in der jüngsten Vergangenheit immer wieder unter Beweis gestellt wurde. Das scheint kaum anders zu machen zu sein, will eine Armee eine Armee bleiben. Das Problem in Weimar war auch weniger, dass die Soldaten sich der Zivilgesellschaft nicht mehr verbunden fühlten - obgleich das sicher dazu beitrug - , sondern dass der zivile Staat kaum Kontrolle über das Heer hatte, das seinerseits in der Politik mitmischte. Solange die zivile Verwaltung aber demokratisch ist, und solange diese demokratische Verwaltung klar die oberste Entscheidungsinstanz im Heer ist, sehe ich keine große Gefährdung. Die Gefahr geht von einer Armee aus, die glaubt, den Staat nach ihrem Bild formen zu müssen. Wäre die Argumentation mit der Eigenstaatlichkeitsbildung stichhaltig, wäre es um die BRD längst geschehen - in den meisten Unternehmen herrschen quasi-feudale Zustände, ohne dass dies bisher die Repubklik in Deutschland offen beseitigt hätte.
Abschließend möchte ich noch einmal zusammenfassen: es gibt in meinen Augen keinen Grund zur Beibehaltung der Wehrpflicht, auch nicht in ihrer nunmehr verniedlichend als "Praktikum" bezeichneten 6-Monats-Form. Sie ist unfair und raubt jungen Erwachsenen wertvolle Lebenszeit, die anderswo deutlich sinnvoller investiert wäre. Und wer will, kann ja immer noch freiwillig dienen. Niemand verhindert ein Gesetz, das den Wehrdienst freiwillig gestaltet, ebenso den Zivildienst. Der aktuelle Zustand aber ist unhaltbar.
Unabsichtlich legen die Sozialverbände einen Finger in die Wunde: wenn das ganze System nicht ohne Zivis auskommt, ist etwas im Argen. Und zwar richtig. Denn eigentlich sind Wehrdienst und sein Verweigerungspendant, der Zivildienst, ein Relikt von vorgestern. Es ist weder mit den Grundsätzen unseres Grundgesetzes (indem der Wehrdienst gleichwohl verankert ist) noch mit irgendwelcher ratio zu erklären. Es finden sich sehr, sehr viele Argumente für die Beibehaltung des Wehrdiensts. Sie alle sind auf ihre Art sichthaltig. Kleine Auswahl gefällig?
- Ohne Zivis bricht das soziale System zusammen
- Die Bundeswehr braucht eine Zusammensetzung aus allen Schichten um ihren demokratischen Geist aufrecht zu erhalten und als Bürgerarmee gelten zu können
- Die Bundeswehr braucht die Wehrpflichtigen als Kaderreservoir, um ihren dringenden Nachschubbedarf zu lösen
- Die Armee soll nicht Staat im Staate werden
- Wehrdienst hat Tradition
Alles richtig. Und alles falsch. Man muss sich dem Wehrdienst auf eine völlig andere Weise annähern. Letztlich handelt es sich nämlich, wie der Titel des Posts bereits anzeigt, um Zwangsarbeit. Sie wird bezahlt, aber so lächerlich schlecht, dass nur 18jährige sich darüber freuen können. Besonders für die viel umworbenen Abiturienten und zukünftigen Studenten stellt der Wehrdienst eigentlich eine Zumutung dar, kostet er sie doch ein Jahr ihres kostbaren Lebens (das sie hier im Ländle gerade durch die Wahnreform eines G8 einzusparen versuchen). Eine entsprechende Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wurde unlängst abgewiesen, unter äußerst windigen Argumenten.
Doch nicht nur ist der Wehrdienst Zwangsarbeit. Er benachteiligt außerdem die Männer auf kaum hinzunehmende Weise, denn er trifft ausschließlich sie. Frauen können sofort das Studieren anfangen wenn sie möchten. Oder was auch immer sie tun, wenn sie 18 sind. Männer nicht. Sie müssen fürchten, für (derzeit) neun Monate vom Staat gecasht zu werden. Zu erklären ist das eigentlich nicht mehr, allenfalls lahme und unzulässige Verweise auf die frühere Benachteiligung von Frauen - ich habe bereits ausführlich dargelegt, dass sie Rechtfertigung von Unrecht mit früherem Unrecht eigentlich eine moralische Bankrotterklärung ist - oder gar der Verweis darauf, dass nur Frauen Kinder bekommen können und das gewissermaßen der Ausgleich für neun Monate Schwangerschaft sei. Letzteres ist genauso dumm, denn das eine ist freiwillig, das andere nicht.
Diese beiden Gründe alleine disqualifizieren die Wehrpflicht vollständig. Wenn nun argumentiert wird, dass die Sozialsysteme ohne Zivis nicht arbeiten können ist dies auch eine Bankrotterklärung der Sozialsysteme und ihrer Anlage. Jobs, die darauf basieren, dass man junge Menschen für neun Monate praktisch nicht bezahlt haben keine Daseinsberechtigung, das gilt für PIN genauso wie für die 1-Euro-Jobs oder eben Zivistellen. Es gibt Menschen, die machen ein Freiwilliges Soziales Jahr. Das ist schön und nobel. Dies der einen Hälfte der jungen Erwachsenen jedoch zum Zwang zu machen, der anderen aber nicht, ist nicht haltbar. Die Stellen müssen durch sozialversicherungspflichtige Jobs ersetzt werden, das täte den Sozialkassen auf die Dauer ebenso gut wie der Binnennachfrage, vom Los der Angestellten selbst ganz zu schweigen.
Interessant wird es, wenn auf das Problem der demokratischen Verankerung der Bundeswehr eingegangen wird. Eine beliebte Rechtfertigung des Wehrdiensts ist es ja, darauf zu verweisen dass nur die Wehrpflicht eine repräsentative Bundeswehr ermöglicht, die nicht zu einem Staat im Staate wird und sich von der Demokratie löst, die sie verteidigen soll. Diese Gefahr wäre bei einer Freiwilligenarmee zweifellos gegeben.
Doch das stets herangezogene Schreckgespenst Weimars zieht nicht. Die Bundeswehr hat mit der Zivilwelt der BRD wenig zu tun, muss mit ihr wenig zu tun haben. Eine Armee funktioniert anders, ob in einer Demokratie oder einer Diktatur, und sie funktioniert immer ähnlich. Hierarchisch von oben nach unten nämlich, ohne Partizipation. Die Bundeswehr wurde von Ex-Nazis in den 1950er Jahren aufgebaut und hat bis heute eine eher rechte Tendenz, wie durch zahllose Affären auch in der jüngsten Vergangenheit immer wieder unter Beweis gestellt wurde. Das scheint kaum anders zu machen zu sein, will eine Armee eine Armee bleiben. Das Problem in Weimar war auch weniger, dass die Soldaten sich der Zivilgesellschaft nicht mehr verbunden fühlten - obgleich das sicher dazu beitrug - , sondern dass der zivile Staat kaum Kontrolle über das Heer hatte, das seinerseits in der Politik mitmischte. Solange die zivile Verwaltung aber demokratisch ist, und solange diese demokratische Verwaltung klar die oberste Entscheidungsinstanz im Heer ist, sehe ich keine große Gefährdung. Die Gefahr geht von einer Armee aus, die glaubt, den Staat nach ihrem Bild formen zu müssen. Wäre die Argumentation mit der Eigenstaatlichkeitsbildung stichhaltig, wäre es um die BRD längst geschehen - in den meisten Unternehmen herrschen quasi-feudale Zustände, ohne dass dies bisher die Repubklik in Deutschland offen beseitigt hätte.
Abschließend möchte ich noch einmal zusammenfassen: es gibt in meinen Augen keinen Grund zur Beibehaltung der Wehrpflicht, auch nicht in ihrer nunmehr verniedlichend als "Praktikum" bezeichneten 6-Monats-Form. Sie ist unfair und raubt jungen Erwachsenen wertvolle Lebenszeit, die anderswo deutlich sinnvoller investiert wäre. Und wer will, kann ja immer noch freiwillig dienen. Niemand verhindert ein Gesetz, das den Wehrdienst freiwillig gestaltet, ebenso den Zivildienst. Der aktuelle Zustand aber ist unhaltbar.
Ich hätte dazu mal einen anzumerken, zum sinnieren quasi ... Wenn denn nun anstelle der Wehrpflicht eine Berufsarmee tritt, ist uns damit geholfen ? Oder ist es nicht so, daß diese Berufsarmee völlig unabhängig vom Staate (Parlament etc.) operieren kann ? Kann Sie dann im inneren eingesetzt werden ? Und viel wichtiger, sind die Geldgeber dieses Vereins dann nicht diejenigen, welche die wirkliche Macht dann vollständig ausüben können ? Die Begründer der amerikanischen Verfassung hatten dazumal schwere Bedenken bei diesem Thema. Meines erachtens sind diese Bedenken auch hier absolut notwendig. Denn wenn alles privatisiert ist, wozu ist dann noch ein Staat nötig ?
AntwortenLöschenNoch was hinterher, man mag die Wehrpflicht gerecht oder ungerecht finden, eines tut sie aber, sie formt einen Menschen. Bei den hierzulande zunehmend anzutreffenden Weicheiern schadet das zumindest nicht. Desweiteren sehe ich die zunehmende Virtualisierung und Entfernung vom Thema Krieg als erhebliches Problem an. Den Menschen geht die Information um das Risiko und die Folgen verloren. Ein jeder, welcher jetzt behauptet, es wird in Zukunft friedlich zugehen, den nenn ich entweder geistig Umnachtet oder aber einen Lügner.
AntwortenLöschenGenau das ist ja das Wichtige - das die Oberhoheit des (Zivil-)Staates über das Militär gegeben ist. Und das sehe ich als gegeben.
AntwortenLöschen@thom
AntwortenLöschen"Noch was hinterher, man mag die Wehrpflicht gerecht oder ungerecht finden, eines tut sie aber, sie formt einen Menschen. Bei den hierzulande zunehmend anzutreffenden Weicheiern schadet das zumindest nicht."
Was ein Unsinn, drei Monate dreckrobben, auf Pappziele schießen um das töten zu lernen, abends saufen und homo-erotische Spiele mit den "Kameraden" machen einen zu einem harten Hund?
Nein Danke, ich glaube nicht an die charakterformende Wirkung institutionalisierter Tötungsmaschinen.
Wozu muss man denn bei der Bundeswehr das töten lernen? Das lernt doch, nach Aussage unserer Politiker, bereits jeder aufs genauste am eigenen PC, eigentlich könnte man sich die Schiessübungen schenken.
AntwortenLöschenEine andere Sache: Grundsätzlich ist ein Pflichtjahr nichts schlechtes, da es für viele die Möglichkeit bietet sich einmal klar zu werden was man eigentlich machen will. Die formende Wirkung der Bundeswehr ist für viele sicherlich auch nicht falsch, allerdings sollten folgende Dinge gegeben sein:
1. Verpflichtend - für jeden, ausnahmslos. Keine lächerliche Freifahrtsscheine wegen T3 auswärts genausowenig wie Aufgrund des Geschlechts.
2. Die Auswahl der Tätigkeiten: Es sollten viele verschiedene Möglichkeiten bestehen dieses Jahr zu absoliveren. Im Rahmen eines FSJ kann man sich ja durchaus auch "spannende" Tätigkeiten im Ausland auswählen. Die Bundeswehr könnte dann immer noch eine Alternative bleiben. Insbesondere durch die Tatsache das die Bundeswehr sowieso nur 50% der wehrfähigen einberuft würde diese Nachfrage sicherlich auch noch gestillt werden können.
"Noch was hinterher, man mag die Wehrpflicht gerecht oder ungerecht finden, eines tut sie aber, sie formt einen Menschen. Bei den hierzulande zunehmend anzutreffenden Weicheiern schadet das zumindest nicht."
AntwortenLöschenWas für ein Hollywood-Klischee-Denken. Wohl zuviele Militär-Drill-Filme gesehen, was? Das die Bundeswehr aus Männern "harte Kerle" macht, ist eines dieser Mythen. Auch wenn es immer wieder rezipiert wird, ist es dadurch nicht wahrer. Abgesehen davon, wie kann man es gutheißen, dass aus Menschen gefühllose Killer gemacht werden soll?
@epikur
AntwortenLöschen>Was für ein Hollywood-Klischee-Denken. Wohl zuviele Militär-Drill-Filme gesehen, was? Das die Bundeswehr aus Männern "harte Kerle" macht, ist eines dieser Mythen.<
Dies hat leider wenig mit Klischee zu tun, und vor allen Dingen hat der auch selbst Dreck gefressen. Sicher macht dies keine "harte Kerls", wohl aber geht dem ein oder anderen ein Licht auf, wenn er nicht daheim bei Mama ist. Es geht hier nicht um das erzeugen von Killern, dazu dürften eh die wenigsten gemacht sein. Mal aber seinen eigenen Schrank aufgeräumt zu haben, und auch mal festzustellen, daß es draußen regnet und man manchmal auch Dinge tun muß, die einem nicht passen, erweitert zumindest den Horizont. Ob dies unbedingt in Form von Militär stattfinden muß, mag dahingestellt sein, auch jemand, welcher Zivildienst leistet, lernt was dazu. In einer gewissen Form ist dies halt auch Dienst für die Gesellschaft und ich folge Oeffinger Freidenker zumindest mal soweit, daß ich ein Pflichtjahr in jedweder Form durchaus als Sinnvoll für die Selbstfindung erachte.
Ha, gepennt, natürlich meinte er den freischwimmer :-)
AntwortenLöschenIch stimme dir ja in Bezug auf die Gerechtigkeit weitgehend zu, nur in historischer Hinsicht muß ich einen Einwand bringen: die Wehrpflicht hat auch, aber längst nicht nur, mit Weimar zu tun. Tatsächlich ist sie das Resultat eines (äußerst blutigen) Einsatzes der (Berufs-)Armee im Inneren, ein Szenario das heute wieder als Möglichkeit für die nahe Zukunft viel diskutiert wird. Dieser Einsatz, eher eine Reihe von Einsätzen, war 1848/49! So lange geht das nun schon zurück.
AntwortenLöschenAnders sah das mit der damals noch existierenden Nationalgarde aus, die vielleicht am Ehesten mit den heutigen Wehrpflichtigen vergleichbar ist, denn dort wurde über weite Strecken die Ausführung des Schießbefehls verweigert, viele Nationalgardisten wechselten sogar die Seiten. Ich denke, diese Dinge sollte man im Hinterkopf behalten wenn gerade in der heutigen Zeit über die Abschaffung der Wehrpflicht diskutiert wird.
Sollte es zum Äußersten kommen, möchte ich nicht Soldaten gegenüber stehen, die in einer hermetischen Wahnwelt voll irrationäler Kausalitäten auf den Feind im Inneren eingeschworen wurden.
Gruß
Tantalos
"Anonym 2"
AntwortenLöschenWeitgehende Zustimmung zu Anonym: die Wehrpflicht macht die Bundeswehr zu einer "Bürgerarmee"; daher erhebliche Zweifel an der Hoffnung des "Freidenkers", dass die Bundeswehr ohne Wehrpflichtige wirklich in den Staat integriert werden kann.
Warum? Es gibt m.E. - jenseits des "preußischen" Arguments, die Armee erst forme den Mann - drei Gründe, die für den Erhalt der Wehrpflicht und für die Schaffung der "Wehrgerechtigkeit" sprechen:
- die Wehrpflichtigen sorgen dafür, dass es innerhalb der Truppe zivilisiert zugeht; sie lassen sich nicht beliebig instrumentalisieren ("Korrektiv nach innen");
- die Wehrpflicht trägt mit dazu bei, dass die BW in der Gesellschaft akzeptiert wird; zugleich ist sie ein Korrektiv für Bestrebungen die Parlamentsarmee "beliebig" einsetzen zu können ("Korrektiv nach außen");
- und schließlich trägt die Wehrpflicht auch dazu bei, dass die Bundeswehr "vernünftiges" Personal (auf Zeit) rekrutieren kann (Personalrekrutierung).
In diesem Zusammenhang möchte einerseits an Erfahrungen mit der Reichtswehr erinnern: Die Reichswehr war ja nicht nur deshalb "Staat im Staate", weil ihre Mitglieder die Demokratie ablehnten. Das zentrale Problem bestand darin, dass sie auch einen, militär-politisch begründeten, Sonderstatus für sich beanspruchte.
Eine "Bürgerarmee" lässt sich weder nach außen noch nach innen beliebig einsetzen. Alle politischen Entscheidungen treffen mittelbar und unmittelbar, die "Gezogenen" selbst. Eine solche Armee wird sich weder in beliebiger Stärke noch mit abstrusen Zielen dauerhaft am "Hindukusch" einsetzen lasen. Es gibt also Grenzen. Und das ist gut so.
Woher soll denn das Berufs-Personal der Armee kommen? Wer möchte eine Armee, deren Mitglieder sich aus purer wirtschaftlicher Notwendigkeit (man sehe sich die US Armee an) oder aus "politischer Überzeugung" (welche das wohl sein mag?) zum Dienst an der Waffe verpflichten. Die Lösung mit Zeitsoldaten zu arbeiten ist für den Staat relativ komfortabel; setzt aber die Wehrpflicht voraus.
Und noch dies: das Argument, es handle sich um "Zwangsarbeit" ist äußerst schwach. Es ist, so meine ich, nicht angängig, das Verteidigungsinteresse der Bundesrepublik auf diejenigen abzuwälzen, die "ohnehin keine andere Perspektive" haben. Hier freilich gäbe es nur eine Alternative: Abschaffung der Wehrpflicht und zugleich Abschaffung der Bundeswehr (wer möchte dies?).
@Tantalos: Ich auch nicht. Deswegen spreche ich mich auch für eine starke zivile Kontrolle aus. Davon abgesehen würde man heute im Zweifelsfall auch Zeitsoldaten und keine Wehrpflichtigen einsetzen, von daher ist die Überlegung recht hinfällig.
AntwortenLöschen@thom:
AntwortenLöschen1.) Grundsätzlich stimme ich dir zu, wenn du die Wehrpflicht als prägendes Element siehst.
2.) Kann es mit der erzieherischen Funktion der Wehrpflicht nicht weit her sein - Bedenkt man die Kohorten an undisziplinierten Wehrpflichtigen, die jeden Freitag die Züge belagern (und auch mal im Zug rauchen, Mädels anpöbeln etc.)
3.) Gibt es sicherlich sehr viel sinnvollere Möglichkeiten, sich vom Elternhaus zu emanzipieren, als "Schranksaufen" und Marschieren. z.B. ein Auslandsemester/praktikum, das man dann auch locker in ein Bachelor-Studium einbringen kann, wenn man ein Jahr gewinnt.
4.) Bin ich während meiner Zeit als Zivi (Rettungsdienst) sicherlich mehr Leid, Elend, Realität und ironischerweise auch mehr Blut begegnet, als es man innerhalb der Kasernenmauern je könnte.
@anonym2: Es ist eben doch eine Zwangsarbeit (weil unfreiwillig) und diskriminierend (weil nur Männer) dazu. Und da Wehrpflichtige sowieso nicht im Ausland eingesetzt werden dürfen, ist das Verteidigungsargument ebenso schwach - Ich gehe in nächster Zeit nicht davon aus, dass wir von Polen, Frankreich und der Schweiz in einen Drei-Frontenkrieg verwickelt würden.
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Ich persönlich fand den Zivi ne gute Sache und war froh, dass ich ihn gemacht zu haben (Hätte ich allerdings auch so freiwillig gemacht).
Das Problem in der Argumentation der Wehrpflicht-Befürworter ist doch, dass das strukturelle Problem der Bundeswehr verkannt wird. Wozu brauchen wir eines der größten stehenden Panzerheere der Welt? - Deiche aufschütten kann man doch bestimmt auch so ;-)
Wozu brauchen wir hunderttausende von Soldaten? Wäre ein kleineres, effizienteres Heer nicht viel sinnvoller?
@Chris: Sehe ich auch so.
AntwortenLöschenGanz meine Meinung. Es handelt sich um Zwangsarbeit. Auch in sozialen Berufen. Wer zur Bundeswehr oder in den Zivildienst will, soll das dürfen, und soll meinetwegen auch anderweitig dafür belohnt werden. Solange man Menschen zwingen kann, etwas zu tun, wird man sie aber schlichtweg schlecht dafür bezahlen.
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