Freitag, 23. Juli 2010

Zum Elektorat der FDP

Von Stefan Sasse

Die Achterbahnfahrt, die die Umfragewerte der FDP in der letzten Zeit vollführt haben - von 18% auf 4% in geradezu absurder Geschwindigkeit - sind keine direkte Folge der FDP-Politik. Das erklärt auch sowohl die völlige Verwirrung, die in den Reihen der FDP über die Umfragewerte aufgetaucht ist als auch die stoische Ignoranz ihnen gegenüber. Sie haben nämlich letztlich über das wahre FDP-Elektorat nur sehr wenig Aussagekraft. Dies liegt im wohl größten Irrtum über eine Partei begründet, der seit dem Auftauchen der Grünen vom Qualitätsjournalismus begründet und vorangetrieben wurde. Dieser Irrtum besteht in der Annahme, es handele sich bei der FDP um eine seriöse Partei mit einem stringenten Programm, das von einer geballten Ladung Wirtschaftskompetenz in den beteiligten Personen gedeckt wird. In Wirklichkeit ist die FDP genau das zu einem Extrem, was man der LINKEn immer vorwirft: eine Protestpartei. 


Das war nicht immer so. Bevor Westerwelle Generalsekretär wurde und sich, anfangs noch  zusammen mit Möllemann, an die Umgestaltung der Partei zu einer Protestpartei machte (unvergessen bleibt das Guido-Mobil), handelte es sich bei der FDP um eine Klientelpartei der Besserverdienenden,  deren Politik aber einerseits durch die damals noch als Volkspartei agierende Kohl-CDU und die Opposition der SPD in Zaum gehalten wurde, andererseits aber auch noch selbst so etwas wie Verstand in ihren Reihen aufwies. Heute dagegen bekommt man die Politik der FDP auf Rechnung, auf Wunsch sicher auch mit Quittung, um es von der Steuer absetzen zu können. Und wenn man genug gespendet hat gibt es das entsprechende Steuergesetz zum Absetzen gleich dazu. Das hat nichts mehr mit Klientelpolitik zu tun, es ist einfach die pure Beliebigkeit der Bestechung. Wenn die Wohlfahrtsverbände der FDP spenden würden, stiege eben Hartz-IV.

Aber warum wählt überhaupt jemand eine Partei? Im Qualitätsjournalismus liest man gelegentlich immer noch, dass die Bürger auf die Steuersenkungen warten würden, die die FDP versprochen habe. So ein Quatsch! Die FDP wurde anstatt dem ihr zustehenden Kernelektorat von 4-6% von 16% gewählt, weil sie eine so hervorragende, scheinseriöse Protestalternative war. Die Gedankengänge hinter der Wahl waren die selben, die häufig genug hinter der Wahl von NPD und LINKEn stecken: seht her, ihr fett gewordenen Volksvertreter, wir sind nicht einverstanden! Nur dass die Wahl der FDP dank der Agitation des Qualitätsjounalismus unendlich viel seriöser schien als die der NPD. 
Deswegen sind die Umfragewerte in den Keller gefallen. Es war der "Wie, die machen das wirklich?!"-Effekt, der wohl auch Grüne-Wähler bei der Einführung des Dosenpfands befallen hat. Es ist ein genereller Ausdruck des völligen Nicht-Nachdenkens beim Souverän, der seine Wahlentscheidung allzuoft unter den völlig falschen Gesichtspunkten zieht. Sie Soße auslöffeln müssen wir jetzt alle.

Link passend dazu SpiegelOnline:
Lindner empfiehlt FDP-Anhängern starke Nevern - Miese Umfragewerte bringen die FDP in Bedrängnis. Generalsekretär Christian Lindner müht sich, seinen Liberalen die bedrohliche Nähe zur Fünfprozenthürde schönzureden. Sein Rezept: bloß nicht die Nerven verlieren.
 

17 Kommentare:

  1. "Die FDP wurde anstatt dem ihr zustehenden Kernelektorat von 4-6% von 16% gewählt, weil sie eine so hervorragende, scheinseriöse Protestalternative war."

    Das is gut :)

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  2. Wenn ich diesen Beitrag richtig verstehe, dann wählt einer nur richtig, wenn er CDU/CSU, Grüne oder SPD wählt. Alle anderen Parteien sind demnach "scheinseriös" oder "Protestparteien"? Dass bei einer Wahl immer gegen etwas protestiert wird, ist dem Autor wohl entgangen? Wäre dem nicht so, brauchte man nicht zu wählen.

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  3. @Egon: Nein, du verstehst das falsch. LINKE und FDP werden nur beide von Protestwählern gewählt, die die etablierten anpissen wollen. Natürlich gibt es auch Elektorate mit unterscheidender Interessensetzung.

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  4. Es würde überhaupt nicht davon gesprochen wer "richtig" wählt... da es das ganz sowieso nicht gibt.
    Es ging rein um die Beweggründe für die Wahl...

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  5. @ Stefan: So gerne ich deinen Blog auch lese, aber glaubst du das echt ?

    "Wenn die Wohlfahrtsverbände der FDP spenden würden, stiege eben Hartz-IV."

    Das Geld hätten die sich sicher trotzdem einverleibt, aber dafür dem Pöbel was Gutes tun ?

    Dass der FDP nie klar gewesen ist, wie die 15 % zustandegekommen sind, kein Einwand. So sicher wie du, dass sich nicht doch ein paar Naive gefunden haben, die "Mehr Netto vom Brutto" auf sich bezogen haben, bin ich mir allerdings nicht.

    Ein wesentlich gewichtigerer Grund für die vielen Stimmen bei der Bundestagswahl, allerdings könnte die Finanzkrise sein. Ich weiß, wie absurd das jetzt erst mal klingt. Es ist aber nun mal tatsächlich so, dass es zumindest bis vor kurzem, immer noch Leute gegegeben hat, die in der FDP tatsächlich eine "Wirtschaftskompetenz" gesehen haben und die haben die FDP in der Hoffnung gewählt, dass die Partei die nicht bestehende Kompetenz nutzt, um die Krise abzuwenden. Aus dem irrigen Glauben heraus, dass das doch auch im Interesse der Wirtschaft sein sollte, die die FDP vertritt. Dass gerade die FDP alleine schon idelogisch genau dafür steht, was diese Probleme ausgelöst hat und bereits jeden nur laut gedachten Ansatz sofort niederknüppelt, das ist etwas, was dieser Teil der Wähler (behaupte ich mal), nicht gewusst hat. Vielen, die sich hier in der Blogosphäre rumtreiben, war das vollkommen klar, aber jemand der sonst mit Politik nix zu tun hat, wohl kaum.

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  6. Hoppla, da fehlte was:

    und bereits jeden nur laut gedachten Ansatz *zur Regulierung der Finanzmärkte*, sofort niederknüppelt,

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  7. Frage

    Warum solls keine Politpartei der sogenannten "Besserverdienenden" geben wie eine der sogenannten "Schelchterverdienenden"?

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  8. @Stefan

    Ich würde FDP und Linke nicht in einen Topf werfen. Die FDP ist die Partei des gehobenen Mittelstands, der kleinen Großverdiener, vertritt also deren Interessen gegenüber dem großen Geld und verbündet sich oft mit ihm, man darf sie also durchaus als eine reaktionäre Partei bezeichnen. Die Linke aber vereint so ziemlich alle Bestrebungen
    gegen das große Geld, mehr oder weniger wacklig.
    Ich bin der Ansicht, da die Linkspartei vorerst noch immer lebenswichtige Fragen der Deutschen vertritt (Kriege, Soziales), drückt sich natürlich in ihrer Wahl ein Protest aus. Was ist gegen einen Protest einzuwenden? Daran mangelt es doch in diesem Deutschland mehr als genug.

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  9. Die Sichtweise ist gar nicht so falsch. Ganz im Gegenteil. Die meisten Mittelständler haben FDP aus dem Gefühl der bürokratischen Drangsaliererei heraus gewählt, und waren bereit einfachen Parolen zu folgen. Das Metier der Ärmelhochkrempler, die möglichst ohne Hindernisse etwas aufbauen wollten. Nirgendwo sonst findet man so viele, in ihrem eigenen Universum eingeschlossene tanzende Kinder, die alle irgendwie wie Westerwelle wirken. Jetzt ist davon keiner mehr bereit zuzugeben, das sowohl die Bürokratie gestiegen ist, als auch die Aufbauchancen gesunken sind. Als alles anfing auf Export umzuschwenken, kam hier auch nur der Spruch; Das ist nun mal so. Das Problem der Kleinunternehmer und auch Parteiliberalen, denn die letzteren bestehen von ihrer Denkweise aus den gleichen Leuten, war von Anfang an, dass sie die Bürokratie und Behinderungen durch Unterstützung der Großindustrien- und Unternehmen als Wirtschaftsberater irgendeinem Sozialismus in die Schuhe geschoben haben. Nach dem Motto: Bürokratie = Sozialismus. Protestler als willfährige Kommunikations-, und Mainstreamsklaven. Von Kompetenz kann tatsächlich keine Rede sein, denn der Mittelstand besitzt keine Wirtschaftskompetenz. Das wird aber hier gerne nach außen so verkauft. Die einzige Kompetenz, die hier vorhanden ist, beschränkt sich auf das eigene kleine Unternehmen. Wer sich mit einem Mittelständler mit Unternehmen unterhält, langt sich manchmal an den Kopf, wo die ihre Weisheiten her beziehen. Wen wundert's, das die FDP wählen. Die Linke sehe ich aber, jetzt ganz und gar nicht als Protestpartei. Ich wähle die nicht aus Protest, sondern ausgesprochen sachlichem Kalkül. Will tatsächlich jemandem der Linken fehlende Wirtschaftskompetenz vorwerfen? Im Vergleich zur FDP? Dann sollte man mal nachzählen, wieviel Vorschläge von Lafontaine angefangen, mittlerweile so verwurschtelt werden, als wäre es aus der Schublade der eigenen Partei.Selbst Brüderle hat sich hier schon bedient.

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  10. @Egon: Ihr macht hier grade den Fehler anzunehmen nur weil eine Partei Proteststimmen bekommt wäre sie schlecht ^^ Das habe ich nie getan.

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  11. @Stefan

    Das kam aber bei mir so an, hat vielleicht mit dem Aufbau deines ganzen Beitrags zu tun. Dadurch, dass du darauf abhebst, die FDP sei "scheinseriös", verkleisterst du ihre Funktion als Interessenvertreterin der kleinen Großverdiener gegenüber der CDU, der Interessenvertreterin des großen Geldes, und gegenüber den Interessen der großen Masse der Habenichtse. Dass es zwischen CDU und FDP aufgrund ihrer Klientel Differenzen geben muss, liegt auf der Hand. Und darum scheint es natürlich so, als sei diese Koalition nur schlecht in der Lage zu regieren. Aber sie regieren, und zwar in ihrem beiderseitigen Interesse - siehe Gesundheitsreform z. B., wenn auch erst nach größeren Auseinandersetzungen.
    Die "Traumkoalition" hat also nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile, aber am Ende sind sie sich alle einig (auch die kleinbürgerlichen Grünen und die verkleinbürgerlichte SPD), dass es gegen die Habenichtse geht. Und die Habenichtse, das sind wir, die niedergehaltene, stumm gemachte, gesichtslose Masse, die sich als Volk versteht. Diesen Gedankengang habe ich, ehrlich gesagt, erwartet, wenn man sich zur Rolle der FDP in der Koalition mit der CDU äußert.

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  12. Mir geht es um die Wählerschaft, nicht die Koalition, deswegen kam das kurz.

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  13. Hmm, ganz so ohne ist, denke ich, dass mit der Protestpartei jetzt nicht. Protestparteien zeichnen sich i.d.R. durch eine sehr isolierte Sicht der Dinge aus. Die Piratenpartei z.B. kann man durchaus als Protestpartei ansehen. ( Ohne das mir hoffentlich jetzt die piratösen ans Leder gehen ;-) Diese Marktradikalität z.B. und die Ignoranz der damit verbundenen Probleme, weisen durchaus Ähnlichkeit mit der FDP auf, wobei erstere aber auch nicht behaupten das sie diesbezüglich Kompetenz hätten. Was sich auch erkennbar auf die Wählerschar niederschlägt. So gesehen, ist für mich das Argument mit der Unseriösität bezüglich der FDP ausschlaggebend. Es wird Kompetenz geheuchelt, wo einfach keine ist. Der Rest ist einfache Demagogie. Wo man anderen eine isolierte Sicht vorwirft, die man selber eigentlich erfolgreich verheimlicht.

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  14. Die "geballten Ladung Wirtschaftskompetenz" eignet man sich in der F.D.P. vermutlich bei den zahlreichen Hinterzimmertreffen der Jugendorganisationen in diversen Gaststätten und Wirtschaften an. Denn von wirklicher Wirtschaftskompetenz war und ist - insbesondere in Zeiten der Krise - nicht ein Hauch in der F.D.P. vorzufinden. Da wird sogar noch bei einer einseitigen Gesundheitsreform, die ausschließlich die Arbeitnehmer belastet und somit auf Kosten der Binnenkonjunktur erfolgt, von einem Erfolg gesprochen. Mehr als bei anderen Parteien noch muss man bei der FDP immer fragen: Erfolg für wen? Cui bono?

    Dann erübrigen sich weitere Fragen ebenso wie die Entscheidung, ob man dieses Konglomerat aus Lobbyisten in eigener Sache und Lobbyisten in der Sache verschiedener Konzerne / Unternehmen überhaupt wählen könnte.

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  15. Du meine Güte:
    "Wenn Wahlen etwas ändern würden wären sie längst verboten" hat glaube ich R. luxemburg mal
    gesagt.
    Ich sage; Wahlen ändern doch nur die Mehrheits-
    aber nicht die Machtverhältnisse ! Oder ???

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  16. Naja, wechselnde Mehrheitsverhältnisse können auch Machtverhältnisse ändern. Und unser politisches System ist dazu gemacht, Änderungen zu erschweren - in beide Richtungen. Ich würde behaupten, dass rot-grün einiges geändert hat. Nicht zum Guten zwar, aber geändert.

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  17. Ja, geändert hat sich was, aber hatte der Wähler darauf wirklich Einfluss wie das System einem vorgaukelt? Ihc hab sie damals gewählt weil ich alles besser fand als den dicken Kohl, der sich genau nicht um die Proteste des Volkes schert. Und weil ich tatsächlich an ein mehr an Umwelt- und Sozialpolitik glaubte und wurde schlicht betrogen.
    Wenn man für Seriösität das Einhalten von Wahlversprechen zugrunde legt sind alle unseriös mit Ausnahme derer die sich bislang noch nicht in Regierungsverantwortung beweisen mußten.

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