Donnerstag, 28. Oktober 2010

Holt den Adel zur Rettung der Republik!

Von Stefan Sasse

Kennt ihr das Gefühl? Überall "graugesichtige Politiker"? Nur Partikularinteressen? Die Niederungen der Parteipolitik? Bürgerliche, manchmal gar mit einem Arbeiterhintergrund, mühsam ihre niedere Herkunft verbergend und nicht auf dem internationalen Parkett zu Hause? Kommunalpolitiker in Hintertupfingen, die nicht einwandfrei englisch können? Landtagsabgeordnete ohne eigenes Schloss? Hadert nicht! Ursula von der Leyen und Karl-Theodor zu Guttenberg eilen herbei und retten den Tag!

Das zumindest ist der Eindruck, den man gewinnen muss wenn man die aktuelle Debatte um "Adel in der Politik" ansieht, die bei Frank Plasberg geführt und freundlicherweise auch von der SZ diskutiert wurde, damit man sich die 75 Minuten nicht wirklich antun muss. Dabei saß eine Reihe von Blaublütern mit Plasberg und Elitenforscher Hartmann zusammen und redete darüber, warum die Republik dringend des Adels zu ihrer Rettung bedarf. Klingt absurd? Ist es leider nicht. 

Die Renaissance dieser eigentlich politisch abgehalfterten Klasse wirkt wie aus der Zeit gefallen. Woher kommt die Begeisterung, die Guttenberg und von der Leyen vornehmlich bei den Boulevardmedien von BILD bis Spiegel erwecken? Tatsächlich fällt Guttenberg ein wenig aus dem Rahmen, wenn man sich das Personal der Großen Koalition vorher oder das nachrückende schwarz-gelbe Kabinett des Schreckens ansieht. Für einen Journalisten ist das großartig, sofern er die eigene Selbstachtung am Eingangsportal abgegeben hat, was in letzter Zeit auf deutlich zu viele Vertreter dieser Zunft zuzutreffen scheint, die mittlerweile auch selbst erkannt hat dass sie sich den Zentren der Macht bedrohlich nahe geschleimt hat.

Einen Mann wie Guttenberg auf seiner Reise zu begleiten ist mit Sicherheit deutlich spannender als eine wandelnde Sprechblase wie Westerwelle, die zudem noch lauter Unsinn absondert. Mit "KT" kann man sicherlich gute Gespräche führen, nachdem man - eloquent und "mit guten Manieren" natürlich - den politischen Pflichtteil abgehandelt hat. Wer weiß, vielleicht nimmt Gutti den Journalisten ja sogar mit in irgend so eine noble Ecke...? Und dazu die Bilder! Muss man nicht mal mehr selber machen. Dass manchem Vertreter der schreibenden Zunft da der journalistische Orgasmus kommt ist nachvollziehbar, und Guttenbergs angebliche Beliebtheit beim Volk speist sich, wie der Postillon richtig erkannt hat, ohnehin nur aus seiner Beliebtheit beim Volk. 

Was aber ist das für ein Bild, das da gezeichnet wird? Der Souverän mag es offensichtlich nicht, wenn er sich beim Blick in Politikerfratzen allzusehr an einen Blick in den Spiegel erinnert fühlt. Wenn die Führungsriege sich auf die richtige Art abgehoben präsentiert - nicht das Abgehoben, das dem Aufstieg aus eben diesen bürgerlichen Niederungen folgt, sondern das Abgehoben sein qua Geburt. Die Begeisterung dafür, nicht von Menschen aus der eigenen Mitte "repräsentiert" und regiert zu werden, sondern von einer aus einer vollkommenen wenngleich auch glitzernden und attraktiven Scheinwelt kommenden Führungsschicht, ist gefährlich. Eigentlich brauchen wir dann auch keine Demokratie, denn wenn es ohnehin eine sehr dünne Schicht Leute gibt, die für den Job wie gemacht sind - weil sie angeblich so unabhängig sind, was für die Journalisten mit dem schlechten Gedächtnis, die solchen Blödsinn wiedergeben, allein durch die zahlreichen Wirtschaftsverbrechen des FDP-Ahnherrn Otto Graf Lambsdorff widerlegt sein sollte -, wer braucht denn dann noch "Repräsentanten" einer Schicht, die offensichtlich nicht dafür gemacht ist? Eigentlich könnte man dann gleich in den Ständestaat zurück. Seit Sarrazin wissen wir ja, dass ohnehin alles in den Genen liegt; vermutlich haben die Adeligen also ein besonderes "Regieren-Gen". 

Die aktuelle Begeisterung für den Adel liegt wohl hauptsächlich im Fehlen eines entsprechenden Gegenentwurfs begründet und dürfte nicht allzutief reichen, das sei zur Entwarnung gesagt. Unvorstellbar, dass diese Debatte auf diese Art geführt worden wäre, wenn Kaliber eines Schröder oder Fischer an der Regierung gewesen wären, deren Biographien die niedere Herkunft geatmetet haben und die mit der Pflege der entsprechenden Legende ihr Image maßgeblich geprägt haben. Wo "Sozialdemokratie" aber von tatsächlich graugesichtigen und vollkommen uninispirierten Gestalten wie Steinmeier repräsentiert wird, wo Dauerbeleidigte wie Westerwelle als "Puffmutter der Wirtschaftsnutten" und "wandelnder Geschenkkorb" (Priol) die Republik verschachern, wo Philipp Rösler und Christina Schröder angeblich die "junge Generation" in der Politik verkörpern, wo die fröhlich herabhängenden Mundwinkel Merkels und ihre mitreißende Rhetorik das Maß aller Dinge sind, in einer solchen Atmosphäre kann der Adel völlig unbeeindruckt sein Comeback feiern und reaktionäre Ansichten geschickt mit edlen Bildern, Kokettieren mit Twitter und AC/DC-Shirt verbergen. Wie fehlt in solchen Momenten doch Lafontaine, der den Finger in die Wunde legt! Wie fehlt der proletarische Charme, der Schröder - Agenda hin,  Brioni-Anzug und Kanzler der Bosse her - stets auszeichnete! Wo Politik einfallslose Funktion wird, wo Leute wie Steinmeier und Merkel, die es unter den Größen der Republik maximal zum Kanzleramtsfunktionär gebracht hätten, da muss natürlich die einzig noch existierende Show besonders attraktiv erscheinen.

16 Kommentare:

  1. Danke für diesen Artikel! Nach der Sendung gestern dachte ich schon, dass ich neben Jutta Ditfurth (die übrigens auch durch die Redakteure dummgemacht wurde) der einzig normal denkende Mensch bin! Der Adel und die Monarchie wurden dermaßend gelobt, dass ich dachte, wir sind wieder im Mittelalter! Und danach wurde es auch nicht besser, da kam dann von der Leien mit ihren gefälschten Statistiken. Was geschieht nur in diesem Land?

    AntwortenLöschen
  2. Normalerweise schaue ich Plasberg und Konsorten nicht. Gestern zufällig eine Weile zugesehen. Mein lieber Schwan waren die dort hockenden Blaublüter aber aggressiv... vorallem diese Dame jenseits von Gut und Böse. Und alle waren sie ganz heiß auf Gottesberg...

    AntwortenLöschen
  3. Danke für diesen Artikel, Herr Sasse!

    Es ist bezeichnend, dass Herr Plasberg 75 teure Fernseh-Minuten mit einem derart unwichtigem Thema zukleistern kann. Brauchen wir wenigstens nicht über Wichtiges zu reden.

    Und was KT angeht: Wenn jemand mit geschöntem (um es mal vornehm zu umschreiben) Lebenslauf irgendwo anfängt und es fällt auf, ist mindestens eine Abmahnung, wenn nicht Anfechtung des Vertrages fällig. Wie sich Gutti seine Vita zurecht gebastelt hat, spottet jeder Beschreibung.

    Und was Frau vdL geb. Albrecht betrifft: Bei der frage ich mich schon länger, wem wir die zu verdanken haben. Ausgerechnet in dem Ressort, wo das Proletariat zu Hause ist, darf sie sich austoben. Widerlicher geht es nicht.

    AntwortenLöschen
  4. Schon das Cover vom Spiegel Heft 42/2010 gesehn?

    AntwortenLöschen
  5. Die Sucht nach abgehobenen Leitbildern ist wohl überall vorhanden. Aber andere Länder haben dafür die konstitutionelle Monarchie. Wir dagegen haben eine per Namenszusatz selbstdefinierte Oberschicht, die kräftig in der Politik mitmischt. Menschen, die ihre Titel aus einer Zeit haben, in der ihre Vorfahren Bauern das Land wegnahmen. Ein rassistisches System, das nach Möglichkeit nur in den eigenen Schranken heiratet. Das also soll uns lenken? Nun, wie sonst kann man besser für eine Kontinuität der Besitzstandverhältnisse sorgen. Klar, dass bis dahin die befreundeten Medienbesitzer beim Greenwashing helfen, denn es wird ihnen später nutzen. Ich würde im übrigen Guttenberg nicht immer gesondert behandeln, der gute Mann ist im wesentlichen von der Gesellschaft für Auswärtige Politik installiert worden, um die Bundeswehr zu privatisieren und den Weg für eine europäische Armee zu ebnen. Kurz, um neue lukrative Märkte zu erschliessen.

    AntwortenLöschen
  6. Irgendwie scheint es tatsächlich so, als ob wir alle langsam aber stetig auf die Wiedereinführung der Monarchie vorbereitet werden sollen. "Bunte" und "Gala" fungieren dabei als "Gartenlaube reloaded", die mit den 4 grossen Buchstaben huldigt ebenfalls munter mit und auch manche TV-Sendung versucht sich bereits in Hofberichterstattung alter Schule.

    Bleiben halt noch einige offene Fragen wie: Kaiser- oder Königreich? Im Falle Königreich dann Umwandlung der Bundesländer in Fürstentümer und im Falle Kaiserreich die Bundesländer zu eingegliederten Königreichen erheben? Dann die grosse Frage: Wer wird Kaiser/König? Karl Theodor von und zu und über und unter und vor und hinter und neben und überhaupt? Oder Ursula, die Grossmütige und Kinderreiche, als Monarchin, da wir uns ja alle mittlerweile schon irgendwie an weibliche Regentschaft gewöhnt haben? Oder dann doch lieber einen eher unbedarften und leicht beschränkten Regenten vom Schlage eines Prinzen Alexander von Hohenzollern, der ja seinerzeit als "der geile Depp" durch die Medienlandschaft geisterte? Der wäre bestimmt gut für die Wirtschaft/Industrie - so als "Handpuppe", Grussaugust und Alles-Abnicker zum Beispiel.
    Wird dann auch das Landjunkertum wieder eingeführt? Das Recht des Adligen auf die jeweils "Erste Nacht" mit den Bräuten seiner Untertanen?
    Und was wird dann eigentlich aus den sich "eingekauft" oder sich adoptiert haben lassenden Frederics, Foffis und Michaels? Werden die wieder "zurückgestuft" oder bleiben die "blaublütig von Amts wegen" und bekommen dann auch ein Herrschaftsgebiet oder eine offizielle Funktion zugesprochen?
    Wird Hedwig Courths-Mahler dann Pflichtlektüre an deutschen Schulen?

    Fragen über Fragen, aber ich fürchte, dass ich die Antworten darauf besser doch nicht wissen möchte...

    AntwortenLöschen
  7. Irdend jemand ueberrascht?

    In einer Gesellschaft, in der "Sozialschmarotzertum" als erblich (Sozialhilfeempfaenger in der 3ten Generation etc.) anerkannt ist,
    ist es nur folgerichtig, auch herkunftsbedingt "bessere" Gruppen zu identifizieren.
    Das hilft alles dabei eine zu komplexe Welt ("Bildungsrepublik") zu vereinfachen und damit begreif- und berechenbar zu machen.

    AntwortenLöschen
  8. Aber, aber - der KT ist doch ein toller Hecht! Jung, schön, klug, cool, (ein-)gebildert - hab ich was vergessen? Aber man gibt sich bescheiden und demütig bei Adels, redet von Pflicht fürs Vaterland (was für ein Unsinn), vom Dienen. Und versteckt in geschraubten Reden das Inhaltsleere der eigenen Aussagen. Also beste Voraussetzungen, um in diesem Land alles werden zu können. Und - seien wir mal ehrlich - auf wen soll das konservative Lager denn setzen, wenn Mutti Merkl endlich in den unverdienten Ruhestand gehen sollte? Auf Ronald Pofalla? Auf Norbert Röttgen? Oder gar auf Mappus (aber der muss wohl kommendes Jahr in einen hochdotierten Job in der Wirtschaft wechseln)? Die Personaldecke ist mit dünn noch wohlwollend beschrieben. Und wenn die Wahl auf Gutti oder Zensursula rausläuft ... Danke, mir ist schon schlecht ... Fehlt nur noch, dass man Friedrich Mertz exhumiert ...

    Interessant ist übrigens auch der Pappi von Gutti - Enoch zu Guttenberg - Dirigent, radikaler Umweltschützer und Berufspessimist (nein, er glaubt nicht, dass der Mensch dieses Jahrhundert überleben kann - der Point of no Return ist schon überschritten - und das raubt ihm den Schlaf) - und deswegen engagiert er sich auch dort, wo er sicher Gehör finden wird - richtig - er ist CSU-Mitglied! Prost! Schenk's mir noch einen Schampus ein! Wenn die Welt schon untergeht, dann wenistens mit Stil und guten Manieren ...

    AntwortenLöschen
  9. Oje, Stefan Sasse,
    "...der proletarische Charme, der Schröder - Agenda hin, Brioni-Anzug und Kanzler der Bosse her - stets auszeichnete..."
    Hast Du sie noch alle ?
    gez. Braunes Hartz

    AntwortenLöschen
  10. Die Sehnsucht nach der Lichtgestalt scheint tief zu sitzen. Was erwarten Pöbel von Blaublut? Haben die aus dem Genpool der Gemeinen (überwiegend) rekrutierten Funktionäre dermaßen fertig?
    Mich erinnert das eher an etwas, was die Amis schon länger haben: Mit Millionen und viel Medienmacht hochgeschriebene Heilands wie Obama -auf dessen Gang übers Wasser allerdings bis heute alle vergeblich warten- oder Leute wie Arnie Schwarzenegger, Palin oder Reagan, deren einzige Qualifikation darin besteht, sich gut für die Mediendemokratie vermarkten zu lassen.
    Wenn man sich die Titelbilder über von der Leyen (wie neulich bei dir)oder die Guttenbergs ansieht, muss man wohl davon ausgehen, dass wir vom Grad der Verblödung her gesehen offenbar langsam bereit sind für die Übernahme der Macht durch den Adel.
    Die verprügeln zwar Fotografen und pissen auf Ausstellungen an Zeltwände, aber Deutschland retten können die bestimmt.

    Das mit dem proletarischen Charme von Schröder verstehe ich aber auch nicht so recht -oder beziehst du das auf die, mangels fehlender jedweder technisch-fußballerischen Fähigkeiten, grobschlächtig unansehnliche Art Fußball zu spielen, die ihm den Spitznamen "Acker" eingebracht hat?

    AntwortenLöschen
  11. Der Hinweis auf Sarrazin bringt's auf den Punkt. Wirklich alles soll ja mittlerweile seinen Ursprung in den Genen haben. Schönheit, Fettleibigkeit, Talent etc... Eigene Anstrengung ist hingegen nichts mehr wert.
    Ein prima Weg die Verantwortung für das eigene Leben abzustreifen und sich in sein Schicksal zu fügen.
    "Meine Gene erlauben mir einfach nicht dies und jenes zu erreichen. Überlassen wir das wirklich Wichtige den Töchtern und Söhnen der Erfolgreichen und Schönen."
    Jemandem, der sich Wissenschaftler nennt, wird immer häufiger auch der gröbste Unfug abgekauft...

    AntwortenLöschen
  12. Wenn ich das mit der Epigenetik richtig verstanden habe, Fleur, sind Deine Erkenntnisse überholt. Die Gene können durch ein Verhalten demnach nicht verändert werden, aber (vererblich !!!) zu- und abgeschaltet werden, was letztlich aber zu der Erkenntnis führen müßte, daß - adäquate Lebensführung vorausgesetzt, so etwas wie eine vererbbare Genoeigenschaft in einer direkten Verwandtschaftslinie bestehen würde. Das aber würde bedeuten, daß der Adel doch recht hat und so etwas wie "blaublütige Eigenschaft" - oder daraus resultierend sogar besondere Vorrechte abgeleitet werden könnten. Sehr interessant,- den Aufschrei des Proletariats habe ich noch nicht vernommen. Wer macht den Anfang ?

    AntwortenLöschen
  13. Nachtrag: Vorstehende Provokation war von mir,
    Braunes Hartz.

    AntwortenLöschen
  14. Diese Beweihräucherung von Guttenberg ist mit Sicherheit gezielt gelenkt, er taugt momentan als willkommenes Ablenkungsmanöver einer ruinierten CSU, einer CDU auf Talfahrt und wahrscheinlich sogar noch als Vorzeigeadel für die gelbe Oberschichts-Spasspartei von Guidos Gnaden.

    Eines ist Guttenberg nämlich, was bislang noch nirgendwo stand, er ist ein Angehöriger des Geldadels in der Politik, frei nach US-Vorbild, der Adelstitel selber hat in Deutschland rechtlich keine Relevanz mehr, die Kohle schon.

    AntwortenLöschen
  15. Nun hab ich mir doch noch Zeit genommen mir das anzuschauen! Oh mein Gott, dazu fällt mir nicht mehr viel ein.

    Auf sachlicher Ebene ist nicht wirklich viel gesagt worden, was erklärt warum Herr Hartmann mit Abstand am wenigsten sagen durfte.
    Und Herr DuMont ist mir als Schauspieler recht und billig, aber menschlich seit der Schulreform unten durch.
    Ich kann eigentlich nicht sagen was an dieser Sendung das schlimmste war, die Schlussrunde wahrscheinlich.
    Einzig Herr Hartmann und Jutta Ditfurt haben das ganze in mienen Augen etwas aufgewertet.

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.