Samstag, 9. Januar 2010

Mitleid mit der FDP

Ich muss ehrlich sagen, ich habe gerade Mitleid mit Westerwelle und Konsorten, menschliches Mitleid, kein politisches. Man muss sich deren Situation mal vor Augen führen (gerne auch genüsslich): da dampfplaudern diese Spaßpolitiker ein Jahrzehnt lang und müssen feststellen, dass ihre Politik ausgerechnet von rot-grün und schwarz-rot durchgeführt wird, alle Medien klatschen Beifall zu ihren geistigen Ergüssen und doch interessiert sich eigentlich niemand ernsthaft für das, was da aus der gelben Ecke kommt. Ergo entsteht ein veritabler Minderwertigkeitskomplex, und um sich überhaupt noch von der Politkonkurrenz abzuheben, muss man das (sehr) kleine Einmaleins der neoliberalen Reformer nur umso härter runterbeten, ganz nach dem Motto: was fiecht mich die Realität an. Das funktioniert super, weil alle Medien diesen berechtigten Vorwurf der Konkurrenz auf der anderen Seite des Spektrums machen. Dazu kommen steigende Wahlergebnisse und Umfragewerte, die Leute klatschen in der Talkshow statt zu lachen, da geht doch die liberale Sonne auf. Nur regieren darf man nicht, und dann hat der olle Soze Müntefering auch noch das passende Motto "Opposition ist Mist" selber gefunden, anstatt dass es Westerwelle am Dreikönigstreffen hätte verkünden können. Böse Zungen behaupten natürlich, dass ihm ein so origineller Satz nicht eingefallen wäre und wenn, dann hätte er ihn rhetorisch kaum so rübergebracht.
Und jetzt ist die FDP an der Macht, mit dem besten Ergebnis für die Partei ever. Und dann kommt da zuerst diese eklige Wirklichkeit und macht ihnen ihre Träume kaputt, und dann dreht sich plötzlich die versammelte Journaille, die sie vorher so verehrt hatte um und zeigt ihnen die kalte Schulter, bevor die arme FDP feststellen muss, dass nun sie die Exkremente dieses Berufsstandes abbekommt, was angesichts der eingenommenen Position auch nicht weiter verwundert. Einen Grund dafür gibt es aus FDP-Sicht eigentlich nicht: sie macht genau das Gleiche wie vorher, furchtbaren Unsinn verkünden nämlich. Nur plötzlich wird nicht mehr geklatscht, sondern gelacht, wie zu besten 18%-Spaßparteizeiten. Und kritisiert dass sich die Balken biegen. Die CDU steht kaltlächelnd daneben und sieht seriös aus, während sich die FDP auflöst wie der Schutthaufen, der von einem durchschnittlichen Kindergeburtstat übrig bleibt wenn die Gäste heimgegangen sind. Wäre nicht die CSU, die FDP müsste sich ernsthaft Sorgen machen.
Echt arme Schweine, die Jungs. Sie haben unser Mitleid verdient. Niemand hat ihnen gesagt, dass sich die Regeln geändert haben, und von Hui auf Pfui in weniger als drei Sekunden ist echt nicht fein. Aber was will man machen, nicht wahr?

6 Kommentare:

  1. Was halt nur schade ist, dass sich das neoliberale Gedankengut so tief in den anderen Parteien verwurzelt hat, dass wir im Großen und Ganzen (bis auf den Steuersenkungsunsinn) sowieso eine FDP-Politik erleben.

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  2. Mitleid mit der FDP?
    Dann auch noch "menschliches"??

    Nix da, die Herren (und wenigen Damen) waren sich jahrelang nicht zu fein, mit ihren verbalen Springerstiefeln auf am Boden liegende Mitmenschen einzutreten.

    Die kommen immer noch viel zu gut weg!

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  3. @ Markus:

    Sorry, aber wir machen den Scheiß seit dreissig Jahren mit! Was glaubst Du, warum wir inzwischen ein "Club zorniger alter Männer" geworden sind? 31 Jahre Thatcherismus, neokonservativer/neoliberaler Sozialabbau und entsprechende Gehirnwäsche - das klärt, daß es dergestalt keinen "sozialen Frieden" geben kann und wird. Wir werden zunehmend wieder kämpfen - nicht nur um den letzten Kanten Brot, sondern um unsere Rechte. Du scheinst immer noch der Idee des Kapitalismus' anzuhängen und ihn für reformierbar zu halten. Ganz deutlich gesagt: er ist es nicht. Eine entsprechende Diskussion werden wir anbieten, sobald unser Forum steht; bis dahin diskutieren wir gerne bei Dir, bei uns - oder beim Oeffinger Freibiertrinker :-D

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  4. Ich muss ein Geständnis machen: eigentlich hab ich kein Mitleid mit denen. Aber es war ein zu schönes Stilmittel um darauf zu verzichten ^^
    Und das mit dem Freibiertrinker hab ich überhört ^^

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  5. @ Frank Benedikt:

    Wir als "Jüngere" kennen ja noch nicht mal etwas anderes als diese Politik aus eigener Erfahrung - ist das nicht noch schlimmer? :-P

    Wie mein Wirtschaftsmodell aussehen würde, dazu werde ich demnächst noch was schreiben, aber ein paar ganz kurze Stichworte wären Nachfrageorientierung, Globalsteuerung, staatliche Unternehmen für Infrastruktur und öffentliche Güter, stärkere Umverteiligung, umfangreiche Sozialleistungen, Stärkung von Mitbestimmungsrechten, Arbeitnehmerbeteiligungen und Genossenschaften.
    Jeder FDPler würde heute erschreckt zurückweichen (auch wenn dies schon der Wirtschaftspolitik zu Zeiten der rot-gelben Regierungen ähneln würde) und das Wort Staatswirtschaft o.ä. benutzen. Aber du hast Recht, ich würde (nur nicht auf so vielen Gebieten wie heute) die Steuerung über einen Markt belassen, v.a. für die Bildung von Preisen und Mengen. Denn dafür glaube ich schon, dass dies das effektivste Mittel ist (eine autoritär-bürokatische Planung durch den Staat kann es nicht sein.

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  6. @ Frank Benedikt:

    P.S.: Aber ich denke, wo wir uns einig sind, ist, dass wir die derzeitige wirtschaftsliberale Politik ablehnen.

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