Donnerstag, 1. September 2011

Raus aus der Defensive!

Von Stefan Sasse 

Zweifel daran, dass die Politik jemals die Oberhand über die Wirtschaft beziehungsweise den Finanzmarkt bekommt sind derzeit so en vogue wie angebracht. So wie sie vorgeht jedenfalls hat sie kaum eine Chance. Ob nun die Krise der Eurostaaten, der Banken, Griechenlands oder der USA - stets ist es das gleiche Bild. Die Politik agiert aus einer vorsichtigen Defensive heraus und überlässt das Feld vollständig den Akteuren der Gegenseite sowie den zwischen beiden Grenzen berichtenden Medien (deren Job-Performance in letzter Zeit allerdings deutlich besser wurde). Auf diese Art wird es sehr schwer werden, jemals eine substanzielle Änderung zu bewerkstelligen anstatt nur, wie bereits 2009/10, die Symptome zu behandeln und auf die nächste Krise zu warten. In Wirklichkeit ist das Problem der Kommunikation, das die Politik ergriffen hat, aber nicht die reine Komplexität des Stoffes. Es ist vielmehr das Fehlen eines Narrativs.

Man stelle sich einmal vor, die Regierung Brandt/Scheel wäre seinerzeit mit den Ostverträgen genauso umgegangen wie die Regierung Merkel/Westerwelle mit der Euro-Krise. Man hätte dann ständig betont, wie komplex die Materie ist, dass es ja eigentlich keine echte Alternative gäbe und dass man, leider, leider, gegen die Macht der Supermächte USA und Sowjetunion eigentlich ohnehin kaum etwas bewerkstelligen kann. Und überhaupt, Entspannung kann nicht funktionieren wenn nur Deutschland das macht, das geht nur wenn es alle tun, gleichzeitig. Glaubt irgendjemand, es wäre auch nur ein Vertrag unterschrieben worden? Dass die Länder irgendwann in Helsinki die KSZE beschlossen hätten? Wohl kaum. Stattdessen ging Deutschland voran, setzte sich teilweise auch bewusst von den Verbündeten ab. Die Regierung packte die Ostverträge in das große Narraitv "Friedenspolitik" und vermarktete sie aggressiv.

Das ist es, was die Politik auch heute tun müsste. Die Begrifflichkeiten, die derzeit verwendet werden, sind fast vollständig die des politischen Gegners. Euro-Krise, Schuldenkrise - das verdeckt doch nur, dass es sich um die Auswirkungen der Bankenkrise handelt, die bereits vergessen wurde. Man ist bereits zu dem Wahnsinn übergegangen, den Finanzmärkten schon wieder mehr zu vertrauen als den Staaten - dabei ist deren offensichtliches, kaum zu übertreffendes Totalversagen gerade zwei, drei Jahre her. Die Schuld an diesem Vergessen liegt bei der Politik, denn sie hat sich das Narrativ des Finanzsektors aufquatschen lassen. Die Bankenkrise wurde damit plötzlich zum Produkt mangelhafter Regulierung durch die Staaten, und die aktuelle Schuldenkrise völlig losgelöst davon. Das aber ist offenkundiger Quatsch.

Was die Politik tun müsste wäre das Narrativ ändern. Von der Leyen hat dazu auch einen richtigen Schritt unternommen. Gebt die aktuellen Diskussionen um Wirtschaftsregierung und Eurobonds entschlossen als den nächsten Schritt zur europäischen Einigung aus. Friede und Wohlstand sind die Geschichten, die ihr verbreiten wollt, nicht das unselige Gerede von einer "Transferunion". Das gleiche gilt natürlich für all den Quatsch vom Sparen. Der Staat braucht mehr Geld. Es ist keine Frage des effektiven Verwaltens dessen was er hat. Das ist wieder ein aufgezwungenes Narrativ. Der Staat braucht mehr Einnahmen, und die muss er sich bei denen holen denen er es in den letzten fünfzehn Jahren geschenkt hat. Das sind keine Steuererhöhungen, sondern nur eine Rückkehr zum status quo.

Solange wir aber so armselige politische Erzähler an der Spitze haben - zu denen überraschenderweise auch Obama gehört, dessen Narrative im Wahlkampf noch überzeugend waren - wird sich das Problem nicht bekämpfen lassen.

12 Kommentare:

  1. Die SPD könnte und sollte zur Zeit sehr viel offensiver und ja auch populistischer auftreten, was die Finanzmärkte angeht (während bis zur Wahl beim Thema Europa eigentlich nicht viel zu holen ist). Das wäre gut im Sinne von politics aber auch natürlich die richtige policy. Die sind doch sonst auch immer wie ein Fähnchen im Wind des Zeitgeists, warum nicht jetzt auch bei diesem Thema?

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  2. "Solange wir aber so armselige politische Erzähler an der Spitze haben"

    Diesen Satz lese ich ständig in Proklamationen der letzten Tausenden Jahren... Menschen sind nun mal so - wieviele Tausend Jahre brauchen Schlaumeier wie Stefan S. noch, um das auch nur im Ansatz mal halbwegs zu schnallen?

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  3. Och Perlchen, DEN Menschen gibt es nicht. Der Mensch hat die Wahl. Das macht ihn aus, sonst nichts. Schnallen reicht nicht. Kritik ist berechtigt und Veränderung immer möglich.

    Man braucht keine tausend Jahre zurückblicken und findet trotzdem Politiker von eniger Integrität genauso wie korrupte und Dummschwätzer. Eine Herrliche Vielfalt, die erst im bornierten Geist zur natürlich deprimierenden Einfalt degeneriert. Ein bissel komplex sind Welt und Mensch dann schon. Da solltest du Stefan nicht falsch verstehen.

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  4. Es stimmt ja auch gar nicht, dass unsere Welt mehr aus den Fugen wäre als jemals. Wir sollten nicht jede Erschütterung, jedes Flackern am Horizont nutzen, um in die alte Sehnsucht nach der Geste des großen Aufwasches, nach der Runderneuerung, nach der reinigenden Katastrophe, nach einem Untergang mit oder ohne Führerbunker zu verfallen...

    Aber Beispiele für derzeit gestaltende Politiker mit "eniger Integrität" hätte ich schon sehr gerne von Dir, Fleur...

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  5. "[...]Solange wir aber so armselige politische Erzähler an der Spitze haben - zu denen überraschenderweise auch Obama gehört, dessen Narrative im Wahlkampf noch überzeugend waren - wird sich das Problem nicht bekämpfen lassen[...]"

    Könnte es nicht auch schlicht Faulheit sein, die unsere PolitikerInnen nichts tun läßt? Sollte man denen nicht mit dem Satz Beine machen, den Ex-Kanzler Schröder an die Adresse von Arbeitslosen äußerte "Es gibt kein Recht auf Faulheit!".

    Übrigens - als kleiner Exkurs - Westerwelle, als Außenminister, wird derzeit - Ironie der Geschichte - von den Grünen auch als Faulenzer beschimpft - Trittin wirft Westerwelle gar "spätrömische Dekadenz" als Außenminister vor, und damit wäre er eine Schande für Deutschland.

    Tja, wir sind wohl zu einem Volk von Faulenzer verkommen, dass von faulen PolitikerInnen (queerbeet durch alle Parteien) regiert wird?

    Die Frage ist nur:

    Wieso gibt es keinen massenhafte Besetzung von Plätzen? Wo bleibt die APO?

    Ich weiß, die Antwort habe ich ja bereits oben geliefert....

    "Wir sind ein Volk von Sesselfurzern und Faulenzern geworden, dass von Faulpelzen regiert wird, die sich nur um die eigenen Belange scheren, aber dem Volk immer wieder vorlügen, dass dem nicht so sei...."

    Trauriger Gruß
    Bernie

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  6. Bernie, was trägst Du denn zur Organisierung bei? Von wegen "Wieso gibt es keinen massenhafte Besetzung von Plätzen? Wo bleibt die APO?"

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  7. @ "Denkperle":

    Da ich es mir schon drüben bei Roberto verkniffen habe, Deine (gleichlautende) Kritik samt "Führerbunker" zu erwidern, will ich hier aber nicht mehr zurückstehen und versuchen, Dir nicht etwas zu 'beantworten' (denn Du hast ja auch nicht gefragt), sondern Dir mit einer "Lachnummer" zu antworten. Es würde mich freuen, wenn Du ebenfalls dem bitterernsten Grundthema eine "heitere Seite" abgewinnen könntest.

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  8. @ "Denkperle":

    Nachtrag: Man sollte natürlich schon so clever sein, um dann auch den Link mitzuliefern :-D Mea maxima culpa!

    http://video.google.com/videoplay?docid=-4655323211378605528

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  9. "[...]Bernie, was trägst Du denn zur Organisierung bei? Von wegen "Wieso gibt es keinen massenhafte Besetzung von Plätzen? Wo bleibt die APO?"[...]"

    Lustig. Habe ich gar ins Schwarze getroffen als ich meinen dt. Mitbürgern Faulheit vorwarf, lieber Anonym? Geb deine Fragen mal an Dich persönlich zurück? Du weißt sicher auch, dass es eben nicht so einfach ist, wie Du hier darstellen willst, eine APO auf die Beine zu stellen.

    Ich stell mich jetzt mal GANZ ALLEINE auf den örtlichen Domplatz, um diesen zu besetzen - Mal sehen wie lange es geht bis ich in der nächsten geschlossenen Anstalt lande?

    Amüsierte Grüße
    Bernie

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  10. Bernie, ich sprach von "Organisierung", nicht von "ganz alleine".
    Wo will ich hier darstellen, dass es einfach ist? Aber Du möchtest doch etwas in der Richtung bewirken?

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  11. @Denkperle

    Ich glaub einmal Frank Benedikt hat den treffenden Kommentar zu deinen Ergüssen geliefert. Ich betrachte die Diskussion hier als beendet, liebe Denkperle.

    Amüsierte Grüße
    Bernie

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  12. Was soll sich überhaupt dadurch tun, dass alle den "örtlichen Domplatz" besetzen? Werden die gewählten Politiker dann sagen "ah, alles klar, wir haben natürlich auch noch Plan B in der Tasche, der ganz anders aussieht als der bisherige und den wir jetzt umsetzen werden"?
    Ich frage mich nur, wie sich das Leute wie Bernie vorstellen.

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