Dienstag, 28. August 2007

Soziale (Im-)Mobilität

In der Zeit ist ein bemerkenswerter Artikel erschienen, der in ordentlicher und angemessener Länge die Frage der zunehmenden sozialen Immobilität (respektive abnehmenden sozialen Mobilität) unter die Lupe nimmt. Die Erkenntnisse (die Reichen werden reicher, die Armen ärmer, die Schere geht weiter auseinander) sind nicht neu, die Untersuchungsart und der Untersuchungsgegenstand sind es: es geht um Familie und Partnerfindung. Denn die soziale Stellung wird entscheidend von der Geburt geprägt, ganz wie zu Adelszeiten. Und ebenso die Heirat.
Wer in einer reichen Umgebung geboren worden ist, bekommt allein in seiner Kindheit so viel mit, was er in der Oberschicht braucht, was für Unterschichtkinder beinahe unerreichbar ist - und deswegen auch ihr Nicht-Vorhandensein in der Oberschicht erklärt. Die Ausnahmen sind dabei an einer Hand abzuzählen. Privatschulen, ein erlesenes Umfeld und ähnliche Faktoren determinieren die Entwicklung der jungen Elite bereits im Vornherein.
Gleiches gilt für die Heirat. War es vor zwanzig Jahren für Männer noch üblich, nach unten zu heiraten und für Frauen nach oben, was für soziale Durchmischung sorgte, so ist man heute weitestgehend unter sich. Der Chefarzt, der die Krankenschwester heiratet ist heute nur noch Thema für Kitschserien, früher durchaus Realität. Untersuchungen für das Klickverhalten einer Partnerbörse ergaben, dass Faktoren wie Arbeit oder Schulabschluss noch weit vor Aussehen rangieren, wenn es um die Partnerwahl geht.
Auch beim Konsum zeigt sich die Unterscheidung, die in der Zeit der Trennung nach Oberklasse- und Billigmarken alles andere als subtil daherkommt. Das ist nicht nur eine Frage des Aldi- oder Rewe-Einkaufs, sondern die von pragmatisch oder Stellung. Denn die Marke, die Art, Konsum zu begehen verrät viel bis alles über die soziale Stellung und ist in der oberen Schicht ein Erkennungscode sondersgleichen.
Selbst in der Namenswahl des Kindes verrät sich bereits, welche Stellung es einnimmt, was Studien in den USA nachgewiesen haben. Trägt es einen typischen "Unterschichtennamen", erhält es bis zu 50% weniger Stellenangebote als beim "richtigen" Namen. Dieses Phänomen ist nicht neu, nur die Namen haben gewechselt.
Dies alles zeigt, dass die soziale Segregation nicht nur über politische Phänomene wie Hartz-IV mitbestimmt wird. Der überbezahlte Narrenclub im Bundestag rührt mit jeder "Reform" von der Machart der Hartz-Gesetze an Waagschalen, die er nicht nur im Ansatz versteht. Die Gesellschaft als Ganzes wird von den aktuell herrschenden Winden derart umgepflügt, dass die Gestaltungsmacht der Politik wie der Wirtschaft an sehr enge Grenzen stößt, derer sie sich nicht einmal bewusst ist. Der Mensch ist zu kompliziert, um den primitiven ökonomischen Modellen oder der eng begrenzten parlamentarischen Vorstellungskraft zu gehorchen. Diese Erkenntnis scheint bisher weder auf der einen noch auf der anderen Seite angekommen zu sein.

Mit Dank an Daniel G. für den Link.

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