Donnerstag, 14. Mai 2009

Ellenbogen raus im Gesundheitssystem

Ärztefunktionäre fahren gerade auf breiter Front eine Aktion für Einsparungen im Gesundheitswesen. Das ist ein formidabler Euphemismus, denn er umschreibt: weniger für mehr Geld, für uns alle, wie wir bei den gesetzlichen Krankenkassen versichert sind (und für die meisten Privaten vermutlich auch). Gleich drei Vorschläge geisterten in den letzten Tagen durch die Debatte: einer kommt vom Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Leonhard Hansen, der eine Praxisgebühr von fünf bis zehn Euro für jeden Arztbesuch fordert, weil die Leute ja immer noch "zu häufig" zum Arzt gehen. Wie er sich vorstelllt, wie ein Hartz-IV-Empfänger, Student oder Geringverdiener das stemmen soll, weiß er auch nicht. Er redet von Ausnahmen für chronisch Kranke, was sicherlich ein soziales Gewissen simulieren soll, aber mal ernsthaft: letztlich heißt das nur, dass viele Menschen nicht gehen werden, obwohl sie müssten und damit wenn es richtig ernst wird erst recht Kosten produzieren, mal ganz abgesehen von den Folgen für den persönlich Betroffenen.
Die beiden anderen kommen vom Ärztekammerpräsident Hoppe. Der erste davon ist leider ohne Link, da ich es nur in den Nachrichten gesehen habe. Demzufolge sollen Menschen, die zu dick sind oder sonstige ungesunde Sachen machen Nachteile erleiden, weil sie ja gewissermaßen selbst Schuld sind. Der andere ist eine Prioritätenliste für Kranke, nach der die Krankenkassen gewissermaßen nur noch lebensrettende Maßnahmen bezahlen sollen. Tabletten gegen Magenschmerzen zum Beispiel sieht Hoppe als unnötigen Luxus, denn schließlich ließen sich Magenschmerzen durch gesunde Ernährung ja vermeiden.
Auch aus diesen beiden Vorschlägen spricht, genauso wie beim vorhergehenden von Leonhard Hansen, eine unbeschreibliche Arroganz. Saturierte alte Männer dozieren darüber, dass die breite Masse der Bevölkerung nur Kosten verursacht. Ja, Leute, und weiter? Natürlich verursacht das Kosten! Es wäre geradezu absurd, würde der Gesundheitssektor keine Kosten verursachen! Dass diese wegen der unumschränkten Herrschaft der Lobbygruppen (der Gesundheitssektor ist der in Deutschland am stärksten von Lobbygruppen beeinflusste) zu hoch sind ist keine Frage, aber hier fehlt eindeutig der politische Wille, und das muss nicht auf die Schultern der Kranken abgeladen werden. Dass die (mutmaßlichen) FDP-Wähler Hansen und Hoppe sehr gerne ihre Steuern auf Kosten der Allgemeinheit reduzieren und ihre Bezüge anheben würden ist keine Frage, aber wir brauchen kein Klima im Gesundheitssektor, dass diese Herren zu schaffen wünschen. Die Entwicklung ist zurückzudrehen, nicht weiterzutreiben!

10 Kommentare:

  1. Menschen mit Übergewicht leben länger als Menschen mit "normalem" BMI. Nur so am Rande :)

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  2. Das sind plumpe Tricks, damit mehr Mittel in das Gesundheitswesen, und mehr Einkommen für Ärzte zur Verfügung steht.
    Lass Dich nicht verarschen.

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  3. Mittlerweile läuft ja schon Fernsehwerbung, in die Ungleichbehandlung von Kasse und Privat als natürliche Tatsache dargestellt wird und damit für eine Private geworben wird. Ging um den Zahnklempner oder so.

    Was ist eigentlich mit den Kopfschmerzen und Krämpfen, die mir solche Leute verursachen. Muss ich die dann selber, oder darf ich die dann bei den Verursachern einklagen???

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  4. Es geht nicht nur um die Einkommend er Ärzte. Es soll systematisch die Bezahlung aus den Sozialsystemen gekappt werden, damit sich die privaten Zusatzversicherungen besser verkaufen lassen. Das wurde bei den Renten genauso gemacht. Erst erhöht man die Beiträge aber nicht die Renten. Dann holt man die Demographie vor (hier zu oft gehen alle zum Arzt und zu dick sind die Menschen) um zu rechtfertigen, dass diese Systeme unbezahlbar sind. Danach wird alles privatisiert. Es ist schon unglaublich, dass all diese Experten nur im Absoluten nachdenken können. Weil ein Mensch zu oft zum Arzt geht tun es alle.

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  5. Das zeigt imho, welch ein faschistoides menschenbild diese aerztefunktionaere haben. sozialdarwinismuss auf hoechstem niveau. die neoliberalen scheuen nichts mehr, als einen offenen konflikt arm gegen reich! dann lieber jung gegen alt oder krank gegen gesund usw. es wird immer mehr geld ins system gepumpt, aber es kommt nie da an, wo es noetig waere. und niemanden der verantwortlichen interessiert, welche kreise sich schamlos bedienen. auch erklaehrt niemand, wieso immer von unten nach oben verteilt werden muss. warum nicht horizontal. wenn die landaerzte unterbezahlt sind, nehmt es von den ueberbezahlten fachaerzten, welche sich sich nur noch an privatpatienten guetlich tun! wieso braucht ein ort mit 40.000 einwohnern 5 computertomographen, davon 2 private?

    wenn gespart werden muss, dann sollte zuerst dieser sinnlose altherren-verein "kassenaerztliche vereinigung" aufgeloesst werden. das wuerde eine menge geld sparen und nebenbei die korruptionsrate der branche signifikant verringern. des weiteren sollten die arzneimittelpreise freigegeben werden und echter wettbewerb bei den apotheken geschaffen werden. eigenartig, das ausgerechnet die mutmasslichen stammwaehler der liberalen ausgerechnet in ihrer eigenen branche eine marktwirtschaft riguros ablehnen. ausserdem brauchen wir eine positivliste bei medis, um den wucher und die verarsche durch die pharmakonzerne zu beenden. last but not least ist eine entflechtung der beziehungen zwischen industrie und politik sowie ein ende der nachgelagerten legalen korruption durch postenschiebereien und drehtuereffekt imho dringend geboten.

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  6. Dem kann man natürlich nur zustimmen. Nur: das durchzusetzen ist mehr als schwierig. Wie ich ja bereits geschrieben habe ist das Lobbyismus-Geflecht im Gesundheitssektor mit Abstand am Stärksten.

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  7. Sorry, das dickste Lobbyismus-Geflecht ist die Sozialbürokratie.

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  8. Kurz: USA.

    1980 war es fast undenkbar, dass ein Angestellter in den USA keine Kranvenversicherung hatte.
    2008 haben fast 1/6 aller Amis keine Krankenversicherung, das sind immerhin 50 Mio Menschen und die sind ja keineswegs alle Obdachlose oder Arbeitslos.

    Wird wohl bei uns auch kommen.

    Und es ist eigentlich auch ganz logisch: private Unternehmen dürfen Profit machen. Je mehr Profit sie machen, desto mehr Geld landet in Form von Gehalt, Boni und Aktiendividenden auf den Konten der oberen Führungsebenen bzw. der (mittleren) Mittel- bis Oberschicht.
    Aus Sicht dieser Schicht ist es vollkommen unverständlich, weshalb man einen Sektor wie Gesundheit oder Renten nicht privatisieren sollte. Nur in privaten Geschäftsverhältnissen lässt sich schließlich Geld aus dem Gesundheits- oder Alterungs- (Rente) -Zustand der Gesellschaft ziehen. Es ist nicht im Interesse der meisten Menschen dieser Gesellschaft, privaten Unternehmen aus der eigenen Kranken- oder Altersposition einen Profit abzutreten, aber das muss die Privatisierer ja nicht kümmern, solange man die Politik in der Hand hat. Und da kommt das nächste Element zum tragen: da die gewählten Politiker mit nichten die Interessen des Volkes vertreten, sind sie nur zu bereit, staatliche Systeme zu privatisieren, um ihren Herren, den Reichen, ein weiteres Feld zur Profiterwirtschaftung zur Verfügung zu stellen.

    Beispiel Rente:
    Deutschlands staatliche Renten haben ein Volumen von 160Mrd €. Und da haben sich die privaten Versicherungsunternehmen gesagt: wenn wir nur 10% dieses Volumens abschöpfen könnten, wäre das ein Riesengewinn.
    Die privaten Versicherungsunternehmen haben Verwaltungskosten von 10% (Personal, Werbung, Räume etc.), die staatliche Rentenversicherung kam mit 1,8% Verwaltungskosten aus.

    Die staatliche Rentenversicherung war also hocheffektiv, was die Verwaltungskosten angeht.
    Dennoch werden wir in eine private Rentenversicherungskonzeption hineingesteuert, von der aber niemand profitiert, außer den privaten Unternehmen.

    Dies ist leider möglich, weil private Unternehmen scheinbar unsere gesamte politische Führungsschicht im Griff haben, oder wie soll das sonst erklärt werden?

    Auch der angeblich drohende Zusammenbruch der sozialen Sicherungssysteme ist ja im Grunde genommen eine hausgemachte Krise. Erst die Löhne drücken und sich dann wundern, dass die staatlichen Sozial-, Renten- und Krankenversicherungen weniger Geld einnehmen. Ja mei...

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  9. Oh wie süß, mit Rob hat der erste Guido-Fan und JuLi den Weg hierher gefunden *lol* Don't feed the trolls...

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