Dienstag, 25. August 2009

Die LINKE im Wahlkampf

Ich habe dieses Kapitel lange vor mir hergeschoben. Schon für den Europawahlkampf habe ich die LINKE hart kritisiert, und wenn ich sie im September wähle (was ich mangels Alternativen wohl tun werde), dann nur mit Bauchschmerzen. Dies hat eine Reihe von Gründen, die vor allem in ihrem aktuellen Wahlkampf begraben liegen, der leider auch eine generelle Richtungsentscheidung der Bundespartei darzustellen scheint.
Die LINKE ist sich vollkommen im Klaren, dass ihre Machtoptionen im Bund für die Wahl 2009 zero sind. Die einzige Möglichkeit wäre ein rot-rot-grünes Bündnis, und dieses schließt die SPD mit geradezu gewalttätiger Verve aus. Dementsprechend bleibt der LINKEn nur der Gang in die Opposition. Entsprechend richten sie ihren Wahlkampf in Westdeutschland aus (den in Ostdeutschland bekomme ich nicht mit, ich kann mir aber vorstellen, dass sie sich hier seriöser geben). Die Schlagworte auf den Plakaten sind reine Protestphrasen, die sich teilweise von denen anderer Dauerprotestler wie der NPD kaum unterscheiden. "Raus in Afghanistan!" ist einer davon, mein persönlicher Hass-Favorit "Reichtum besteuern!". Allzu seriös ist das nicht, was verwundert.
Gebetsmühlenartig ist Lafontaine in den Interviews und Talkshows des Landes mit der Parole hausieren gegangen, dass die LINKE sehr wohl Lösungsvorschläge hat, parlamentarische Arbeit erledigt und zudem kooperationswillig und -fähig ist. Dieser Wahlkampf führt das ganze vollständig ad absurdum und erinnert damit an den völlig inkonsistenten Wahlkampf der SPD zwischen linken Parolen und Mitte-Geschwätz. Im Endeffekt gibt die LINKE Wasser auf die Mühlen all derer, die sie für keinen Partner halten und nur für heiße Luft und völlig realitätsferne Forderungssteller. Das ist sicher Teil der Strategie, da der Anteil der Protestwähler im Westen nicht unterschätzt werden darf; allzu hilfreich ist es aber weder für die Partei noch für das Land.
Dazu kommt, dass die Partei in den Medien derzeit kaum stattfindet. Die Konzentration hat sich, wie zu Wahlkampfzeiten häufig, fast vollständig auf CDU und SPD verlagert. Daran leiden auch die Grünen, die ebenso wie die LINKE eigentlich keine Machtoption haben, dafür aber einen völlig anderen Wahlkampf führen. Die FDP kommt häufiger vor, weil sie zusammen mit der CDU eine Machtperspektive besitzt. Eigenständig finden die kleinen Parteien jedoch kaum statt. Wenn die Medien sich mit der LINKEn beschäftigen, dann fast immer in Person Oskar Lafontaines, der alles überstrahlt. Eine hervorragende Überleitung, sich mit den Personen zu befassen.

Oskar Lafontaine: Lafontaine ist der Über-Vorsitzende der LINKEn, er repräsentiert die Partei wie kein Zweiter, obwohl dies eigentlich mindestens ebenso widersinnig ist wie im Falle Merkels, da ein großer Teil der Partei wie auch der Fraktion durch seine Politik eigentlich gar nicht vertreten werden. Das kommt der Partei wahrscheinlich zugute, weil so die Richtungsstreits zwischen Pragmatikern und Sozialisten unter dem Deckel bleiben und eher unter Ausschluss der Öffentlichkeit in schmutzigen Machtkämpfen entschieden werden. Ich habe außerdem den Eindruck, dass Lafontaine langsam den Status der persona non grata bei den Medien verliert. Er wird immer noch hart angegriffen, zuletzt von Frey im Sommerinterview, aber man befasst sich häufiger auch mit seinen Inhalten. Dies scheint aber eine generelle Medientendenz zu sein, zu der ich mich an anderer Stelle noch äußern will. Lafontaine ist für die Partei ungemein wichtig, denn er ist es, der sie in der Öffentlichkeit hält und beständig mantraartig ihre Forderungen wiederholt - was kaum einer anderen Person aus den anderen Parteien vergönnt ist.
Gregor Gisy: Das frühere Aushängeschild der PDS ist von der Präsenz Lafontaines längst verschluckt worden. Man ist geneigt, dem Satz ein "leider" hinzuzufügen, denn Gisy ist nicht nur wie Lafontaine ein brillanter Redner, er besitzt außerdem einen für einen deutschen Politiker seltenen Sinn für Humor. Er ist derzeit vor allem innerparteilich sehr wichtig und erfüllt dort Aufgaben, die Lafontaine aufgrund seiner gewaltigen Medienpräsenz kaum erfüllen kann - eine undankbare wie notwendige Aufgabe, die ihn im Wahlkampf eher in den Hintergrund rücken lässt, obgleich ich vermute, dass er im Osten eine etwas größere Rolle spielt.
Sahra Wagenknecht: Die attraktive, jung-dynamische Politikerin ist das Aushängeschild der kommunistischen Plattform. Mit anderer politischer Ausrichtung wäre sie wohl ein Medienliebling und Shooting-Star, der Guttenberg in nichts nachstehen würde, so findet sie eigentlich kaum statt - wenig verwunderlich, bedenkt man, welche Reflexe die Begriffe "sozialistisch" und "kommunistisch" in Deutschland auslösen. Ich vermute jedoch, dass sie recht großen programmatischen Einfluss besitzt, was mit erklären würde, warum sich die Partei derzit etwas janusköpig oppositionell gibt, denn Wagenknechts Ablehnung von Koalitionen ist bekannt.

Die LINKE wird in diesem Wahlkampf aller Wahrscheinlichkeit nach weit unter ihren Möglichkeiten bleiben. Die Frage ist, inwieweit dies den Umständen und damit der Notwendigkeit geschuldet ist. Ich wage vorauszusagen, dass sie die nächste Legislaturperiode stark nutzen und sich vor allem der Landtagswahlen bedienen wird, um die Bundespolitik stark zu beeinflussen. Vielleicht ist es Strategie, im Bund Protestpartei und in den Ländern Regierungspartei zu sein - das wird die Zeit zeigen.

17 Kommentare:

  1. Ich darf Dich beruhigen: auch hier in der Zone eiert die Linke rum, als ob sie gar nicht begriffe, dass just genau das geschah, wovor sie seit ihrer Gründung als PDS warnte, geschweige denn, dass sie noch wüsste, dass Lafontaine schon vor zehn Jahren die Banken regulieren wollte.

    Es gibt keinerlei rationale Erklärung für derart dilettantes Verhalten. Der komplette Kapitalismus versagt derzeit. Vorweg der Finanzkapitalismus und hinterdrein der Markt, der gar nichts regelt. Es wäre DIE Gelegenheit, für alle Kritiker des Status quo.

    Ich vermute Absicht. Die Linke soll nichts verändern, sie ist lediglich Alibi und Ventil.

    DENN

    Könnten Wahlen etwas ändern, wären sie verboten.

    AntwortenLöschen
  2. Wahlkampf ist Marketing geworden, Wahlplakatbotschaften zielen auf Autofahrer, da hat man nur Zeit 3 Wörter zu lesen, die müssen dann sitzen. Die Linke passt ihr Marketing der Zeit an, man kann heutzutage kine komplexen Botschaften mehr vermitteln, vor allem wenn man die Mainstream Medien gegen sich hat. Deshalb habe ich wenig Hoffnung, das sich in naher Zukunft irgendwas ändert.

    PS: Ich wähle auch links, auch wenn es nicht viel bringen mag, aber was soll ich machen. Ohnmacht ist das bestimmende Gefühl unserer Generation.

    AntwortenLöschen
  3. Deine Theorie kann ich nicht unterstützen, denn dann sind die LINKE-Wahlplakate noch schlechter als ohnehin, denn sie enthalten dermaßen viel wahnsinnig kleingedruckten Text, dass ihn kaum jemand lesen wird - und ziemlich überflüssigen noch dazu.

    AntwortenLöschen
  4. Ich sehe eh selten ein gutes Wahlplakat:), egal von welcher Partei. "Kleingedruckter Text, den kein Mensch lesen wird". Genau das ist der Punkt, der wurde wahrscheinlich von der Partei gegenüber der Marketing Agentur durchgesetzt. Parteiwerbung ist wie Zahnpastawerbung, Marke und Image, die möglichst schnell und eingängig in die Köpfe der Menschen gestopft werden soll. Aber du hast Recht, diese Plakate sind besonders schlecht.

    AntwortenLöschen
  5. Ich schließe mich "alman" an. Ich habe überhaupt noch kein gutes Wahlplakat gesehen und wenn ich am überdimensionalen Kriegsminister der CDU vorbei fahre wird mir speiübel. Für so viel Geschmacklosikeit finde ich keine Worte.
    Ich wähle als rote Socke natürlich "links" obwohl mir die Linke momentan nicht links genug ist. Alle anderen linken Parteien haben kaum eine Chance wirksam in die Politik eingreifen zu können.
    Eine starke Linke als Opposition könnte uns schon helfen.
    Daß die Linke von den Medien ehe ignoriert wird ist doch ganz einfach nur durch die Frage zu beantworten: Wem gehören die Medien? - und da schließe ich ARD und ZDF ein.
    Übrigens finde ich den, von eben diesen Medien penetrierten Begriff "Protestpartei" manipulativ. Er soll suggerieren, dass die Linke prinzipiell gegen Alles protestiert,also nicht glaubwürdig ist.

    AntwortenLöschen
  6. Zunächst einmal möchte ich einer These widersprechen, die leider momentan des öfteren völlig falsch wiedergegeben wird: Der Markt regelt sich nämlich durchaus selbst. Er tut das nur nicht so, wie wir uns das vorstellen. Um es auf die Spitze zu treiben: man kann sogar sagen, dass das System als solches durchaus noch völlig intakt ist. Und das würde es auch nach einem Totalen Finanzcrash noch sein, soviel ist sicher. Nur ist es doch so, dass wir in der Zwischenzeit nicht mehr damit einverstanden sind, welche Nachteile dies alles mit sich bringt und deshalb greifen wir ins System ein, durch Bankenrettungen, durch die Rettung völlig überflüssiger Automobilkonzerne, usw. Es wird behauptet "das System" würde sich nicht selbst helfen können und daher müsse man jetzt eingreifen, damit es später wieder funktioniere - völliger Blödsinn. "Das System" ist ein falsches System, wird jetzt aber mit vielen Milliarden subventioniert, um es wieder aufzurichten und den Leuten als Allheilmittel zu verkaufen. Und während die ersten Banken schon wieder Milliardengewinne einfahren bricht der Jungen Generation stetig die Altersversorgung weg. Man müsste also diejenigen Wählen, die gegen ein solches System sind. Die Linke war das mal, hat aber ihre Stimme hier auch verloren und will jetzt wie alle anderen mit Milliardensubventionen den falschen Weg fortführen.

    AntwortenLöschen
  7. Interessante Position, von dir hätte ich das irgendwie gar nit erwartet. Aber ich sehe die LINKE prinzipiell als Kleineres Übel.

    AntwortenLöschen
  8. Den Einen spreche ich den Willen ab, Dinge zu ändern, den Anderen die Kompetenz. Ich glaube aber inzwischen, dass der große Knall nicht mehr allzuweit in der Zukunft liegen kann, und dann werden sich Dinge ändern, ob die Politik das untersützt oder nicht. Im Übrigen halte ich die Piratenpartei durchaus für eine Bewegung mit großem Potenzial, ich bin gespannt was daraus wird.

    AntwortenLöschen
  9. Ich finde die Linke zu wählen ist keine Alternative. Auch nicht mit Bauchschmerzen. Oder aus Protest.

    CDU? Schon allein Schavan und Schäuble unwählbar.
    SPD? Mit Schmidt unwählbar.
    FDP? Ein Treppenwitz der Geschichte, dass sie gerade jetzt das höchste Wahlergebnis einfahren. Und das Postengeschacher ist erbärmlich.
    GRÜNE? ...Wo sind eigentlich die Grünen?

    Bleibt:
    Eine Partei zu wählen, die jung unverbraucht ist und wenigstens in einem Thema noch mit Leidenschaft dabei ist.

    Oder ein dickes fettes: LECKT MICH auf den Wahlzettel zu kritzeln

    AntwortenLöschen
  10. Sorry Chris, aber du meinst doch wohl nicht ernst, dass die SPD wegen ULLA SCHMIDT nicht wählbar ist, oder?

    AntwortenLöschen
  11. Mhmm....irgendwie fehlt mir die Auseinandersetzung mit den Inhalten der Linken. Du beziehst dich in deinem Artikel fast ausschließlich auf den Wahlkampf und bemängelst - im Prinzip - dass die Linken nicht laut genug auftreten. Schuld der Medien oder der Partei? Wahrscheinlich ein Mix.

    Aber mich interessiert ein Wahlkampf nur am Rande. Positive Punkte kann man da bei mir eh kaum sammeln, eher nur negative, wenn man zu diffamierend und zu polemisch wird.

    Ich wähle die Partei, die nach dem Inhalt mir am nächsten kommt UND von der ich auch erwarte darf, dass sie diese umsetzt, Stichwort "Glaubwürdigkeit".

    In Bezug auf Glaubwürdigkeit wäre auch ein Vergleich zwischen Aussage und tatsächlicher Politik aufschlußreich, bei den Linken z.B. in Berlin. Das gilt natürlich für alle Parteien ;).

    Für mich persönlich ist die Linke zwar glaubwürdiger als der Rest der "ethablierten" Parteien, aber nicht glaubwürdig genug. Ich wähle die Piraten :).

    CyA
    Caana

    AntwortenLöschen
  12. Also ich stehe auch auf dem Standpunkt das Inhalte mit wenigen Worten bei den Menschen ankommen müssen.

    Sie kritisieren einerseits Schlagworte wie "Raus aus Afghanistan", andererseits bemängeln sie das DIE LINKE versucht zu viele Inhalte in viel zu langen Texten zu vermitteln.

    Wie sieht der Königsweg aus? DIE LINKE lädt übrigens jeden mit guten Ideen ein, sie auch ohne Mitgliedschaft zu unterstzützen.

    Fakt ist, dass die meisten Menschen in der Regel kaum Lust haben, sich in ellenlangen Bleiwüsten intellektueller Texte zu verlieren. Sie werden kaum gelesen (Beispiel Wahlprogramm).

    In einem Punkt gebe ich ihnen allerdings unumwunden Recht: Wahlkampf kann man wesentlich besser und innovativer gestalten. Es ist halt alles eine Frage der Mehrheiten, auch parteiintern. :-(

    Einer meiner "Vorschreiber" wunderte sich, warum DIE LINKE in der Zeit der Krise, und in der Zeit drohender weiterer Kürzungen im Bereich der Sozialleistngen nicht besser beim Wähler punktet. Dazu kann man sagen, dass linke Politik traditionell in schweren Zeiten keinen Profit aus den gesellschaftlichen Problemen schlagen konnte.

    Dieses Problem beschäftigt DIE LINKE selbst und außer einer Vielzahl an mögl. Theorien kommt man eigentlich zu keiner neuen Erkenntnis außer der, dass die Menschen scheinbar darauf hoffen von denen aus der Krise geführt zu werden, die sich am lautesten als Wirtschaftsexperten anpreisen.

    Der LINKEN traut man vielleicht soziale Kompetenz zu, in Wirtschaftfragen baut man lieber auf die Neoliberalen. Das die uns erst in die Lage gebracht haben, nun, das hat der Wähler bereits vergessen... dafür sorgt schon unsere Medienlandschaft.

    AntwortenLöschen
  13. @Th. Hausen: Nun, die Artikelserie beschäftigt sich ausdrücklich mit dem Wahlkampf, nicht mit den Inhalten. Obgleich die LINKE auch da nicht so toll dasteht.

    AntwortenLöschen
  14. 2 Dinge:
    - Der Mann heißt Gysi.
    - Was ist an "Raus aus Afghanistan" schlecht? Ich halte es für besten Wahlkampf, seine Ziele klar darzustellen. Der inhaltslose Mist der GroKo kann mir gestohlen bleiben. Meines Erachtens müssten die Wahlplakate sogar noch etwas aggressiver sein. Diese debil grinsenden Gesichter will doch keiner sehen, die von allen anderen Plakaten prangen. Deswegen wird doch mittlerweile zu Titten gegriffen.

    Gruß,
    Franse

    AntwortenLöschen
  15. schmidener freibeuter,
    der Finanzmarkt wurde in den letzten 10-15 Jahren systematisch dereguliert - geschädigt wurden dadurch auch viele Andere. Selbst Experten wie Paul Krugman sagen, daß der Markt reguliert werden muß - der Freie Markt ist Mythos.

    Zum Thema, finde die Werbung der Linken auch teilweise total scheiße. Es gibt genug Leute im Westen, denen die aktuelle Politik ankotzt. Aber mit solchen (kommunistischen) Parolen bekommt man sie nicht. Schade eigentlich, die Chance ein wenig vertan!

    AntwortenLöschen
  16. @anonym: Ich glaub du hast nicht verstanden, worauf freibeuter raus wollte.

    @stefan: naja, die spd ist aus vielen andern gründen unwählbar ;-) Aber Ulla Schmidt und ihr nasales Blabla ist für mich ein rotes Tuch. Was im Gesundheitswesen passiert ist einfach desaströs. Die Dienstwagenaffäre ist mir dabei völlig schnurz..

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.