Samstag, 8. Oktober 2011

Eine Dekade des Schreckens

Von Frank Benedikt

Länger dauernd als der Zweite Weltkrieg oder auch der offene Krieg der Amerikaner in Vietnam, hat der Krieg der NATO in Afghanistan nun zeitlich mit der sowjetischen Besatzung 1979-89 oder der Belagerung Trojas gleichgezogen. Nachdem sich in Europa schon länger Kriegsmüdigkeit breit macht (sofern sich da je eine Mehrheit für einen Einmarsch fand), sind nun auch die US-Bürger mehrheitlich für einen schnellen Abzug.

10 Jahre Krieg, Folter und Mord, (vorsichtig) geschätzte 70.000 Tote, Abertausende Verwundete, Verstümmelte und Traumatisierte, dazu rund 400 Milliarden US-$ Kosten – war es das wert? Gab es je eine Chance für einen “Sieg der Demokratie”?

Nein, wie nun auch Harald Kujat, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr inzwischen einräumt. Während der vormalige ISAF-Kommandeur McChrystal noch nur strategische Fehler und die Ziele nur “zu 50 Prozent erreicht” sieht, wird Kujat schon deutlicher. Viel zu lange habe man den Einsatz nicht als Kriegs-, sondern eben als “Stabilisierungseinsatz” bezeichnet und geführt und als solcher wurde er ja gerade der deutschen Öffentlichkeit wieder und wieder verkauft. Kujat erwartet, daß die Taliban nach dem geplanten Abzug binnen weniger Monate wieder in Kabul herrschen werden und wenn ich einem “Kommißknopf” wie ihm auch nur ungern zustimme, so hat der Mann doch vermutlich recht. Oft genug haben die KollegInnen und ich hier und auf anderen Blogs darauf verwiesen, wie sich die Lage entwickeln dürfte (Anm. d. A.: In diesem Blog Kategorie “Afghanistan”) und wenn man bei bei der Zeit und der New York Times auch noch den Krieg nicht verloren geben bzw. ihn wenigstens rechtfertigen will, steht das Menetekel doch schon für alle sichtbar an der Wand: Die Taliban werden wiederkehren und erneut ein chauvinistisches, religionsbasiertes Regime errichten. Nicht einmal die NATO und die letzte verbliebene “Supermacht” können sie noch daran hindern.

Was war nun der Fehler? Nun, es gab deren mehrere. Zunächst war da der Angriff der NATO auf den souveränen Staat Afghanistan, – ein Angriff, den nicht wenige (auch westliche) Menschen eher als einen völkerrechtswidrigen Überfall empfanden, da es seitens der Nation Afghanistan keinerlei kriegerische Akte gegen irgendwelche “Bündnispartner” gab. Dann wurde das Ganze als “Kampf gegen den Terror” und für “Freiheit und Demokratie” der Öffentlichkeit verkauft – eine billige Propagandaente, deren Bürzel jeden Tag etwas bleischwerer wurde. Und schließlich kam noch die völlige Fehleinschätzung der örtlichen Kultur und Mentalität hinzu: Einer stark religiös orientierten, von Stammeskultur geprägten Gesellschaft, die teilweise noch mittelalterlichen Strukturen aufsitzt, bringt man nicht mal eben mit Zuckerbrot und Peitsche die Demokratie bei. Der Widerstand hat über die Jahre stetig zugenommen, die Taliban müssen also einigen Rückhalt im Volk genießen. Mit Terror und Schrecken allein ist dies aber nicht zu erklären, stehen doch inzwischen etwa 130.000 Soldaten der NATO im Lande, wenn auch der Krieg westlicherseits meist als “Low intensity conflict” geführt wird.

Sollte es eines Tages eine offizielle Lektion aus diesem Krieg geben, müßte sie in etwa derart lauten: Was uns recht ist, muß anderen noch lange nicht billig sein. Vermutlich aber wird wieder einmal mehr gnädig der Mantel der Geschichte darübergedeckt werden.

7 Kommentare:

  1. Der Afghanistaneinsatz hat den Krieg zum Feind getragen und war damit realtiv erfolgreich. Das amerikanische "Homeland" wurde nach dem 11. September nicht wieder getroffen.

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  2. Das ist zwar richtig, wir wissen aber nicht ob es andernfalls wieder getroffen worden wäre. So oder so aber müssen die Kosten an Menschenleben in Relation gestellt werden.

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  3. Ich kann mich erinnern, als "die Russen" da waren und sogar olympische Spiele deshalb boykottiert wurden: die Argumente waren damals die gleichen, allerdings andersrum.
    - kdm

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  4. @ Anonym 1:
    Das nennen Sie relativ erfolgreich? Der Krieg hat (auch durch die inoffizielle Ausweitung auf Pakistan) erheblich mehr Leuten berechtigten Grund gegeben, die westlichen Staaten mit Mißtrauen zu beäugen. Mindestens Mißtrauen. Man kann Terror nicht mit Terror bekämpfen. Abgesehen davon, ist es fraglich, ob der "Terror", wie er uns vermittelt werden soll überhaupt existiert.

    "Krieg zum Feind getragen" - was ist mit all den Unschuldigen, die in Drohnen-Angriffen umkommen? Derweil wird das "Homeland" durch die Regierenden umgekrempelt und "Freiheit" demontiert, von den Auswirkungen der Kosten des Krieges ganz zu schweigen.
    -MP

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  5. @anonym 1:

    "... den Krieg zum Feind getragen ..."? Bitte? Derlei hörte ich zuletzt aus dem Zweiten Weltkrieg. Wer ist denn überhaupt "der Feind"? Das afghanische Volk oder was? *Kopfschüttel*

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  6. @rank & MP

    Ich habe ja nicht geschrieben, dass ich diese Begründung für hinreichend halte, um den Krieg zu rechtfertigen. Sie ist eben aus Washington öfter mal zu hören, genauso wie übrigens die Kontrolle Pakistans. Es gibt also Gründe für die Fortsetzung des Einsatzes, wie stark diese sind, kann ja dann jeder selbst beurteilen.

    Das würd ich mir allgemein mal von Euch linken Bloggern wünschen: einfach mal auch die Argumente der Gegenseite darstellen und beurteilen und nicht von vornherein verschweigen oder als bösartig oder als überhaupt nicht ernstzunehmen abqualifizieren.

    Das trägt enorm zur Überzeugungskraft von Argumentationen bei, wenn man auch Menschen erreichen will, die einen eher empirischen und nicht ideologischen Zugang zur Welt haben.

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  7. Wirst lachen, genau das habe ich heute gemacht ^^ Ich gebe dir allerdings generell Recht, ich versuche das zu tun, aber ich scheitere öfter damit als ich Erfolg habe. Leicht ist es nicht...

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