Montag, 6. Oktober 2008

Fundstücke 06.10.2008, 10.58 Uhr

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Der "Unfall-Putsch"
Blätter - Auch wenn dies nun mit dem Duo Steinmeier und Müntefering für die kommende Wahl besiegelte Sache ist: Auf Dauer kann sich die SPD nicht mit einer Lage zufrieden geben, die ihr weder eine eigene Regierungsführung noch eine konzeptionelle Meinungsführerschaft ermöglicht. Und auch unter demokratischen Gesichtspunkten ist es hoch problematisch, eine von über zehn Prozent der Bevölkerung gewählte Partei von der Regierungsbeteiligung auf Bundesebene kategorisch und nun seit bald 20 Jahren auszuschließen – zumal dann, wenn diese in einem Teil des Landes über den Status einer Volkspartei verfügt und ihre Regierungsfähigkeit dort längst unter Beweis gestellt hat.
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Sozialleben ist für Hartz-IV-Empfänger zu teuer
Tagesspiegel - Hartz IV sichert das materielle Überleben - mehr ist nicht vorgesehen. Laut einer Studie können sich Empfänger Ausgaben für Kino oder andere gesellschaftliche Ereignisse kaum Leisten. Nun wird auch das Krank sein für rund 100.000 Empfänger teurer: Sie müssen mit der Streichung von Zuschlägen für erhöhte Ernährungskosten rechnen.
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Betrogene Arbeitnehmer - Dumpinglöhne in der Zeitarbeit
RBB - Die Branche boomt: 720 000 Arbeitsplätze sind entstanden. Über 20.000 Zeitarbeitsfirmen bieten ihre Dienste an. Sie verleihen ihre Angestellten an andere Unternehmen. Flexibilität für die Arbeitgeber. Sicherheit für die Arbeitnehmer. Doch der ist allzu häufig ist der Betrogene. Und dabei geht es nicht nur um Dumpinglöhne. Andrea Everwien und Ursel Sieber stellen das System Zeitarbeit auf den Prüfstand.
Anmerkung: So viel zu "werden gleich oder besser bezahlt".
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Strategie in Rettungsaktionen
ZEIT - Das ist neben seiner Unbestimmtheit übrigens der zweite große Nachteil des großen Rettungspaketes in den USA: die Banken erhalten Staatshilfe satt, ohne dass sie dafür die Kontrolle über ihre Geschäfte abtreten müssen. Der Plan läuft – anders als bei der AIG-Übernahme aber ebenso wie bei Steinbrücks Aktionen – darauf hinaus, den Bankensektor so zu stellen wie etwa vor der Krise. Befreit von viel Ungemach können die Banker sich nach der Krise (und dem tiefen Konjunkturtal, das noch folgt) wieder ihrer so ertragreichen Spekulationstätigkeit widmen. Weder Steinbrück noch gar Bundesbankpräsident Weber scheinen zu begreifen, dass der Finanzsektor nicht wieder in den Stand von vor der Krise versetzt werden kann oder gar sollte. Es geht jetzt darum, seine eigentliche Funktion, die Kreditversorgung, aufrechtzuerhalten und das viele Drumherum möglichst schonend abzubauen. Das ist schwierig. Aber erst wenn dieses Ziel einigermaßen klar ist, lässt sich aus einzelnen Notfalloperationen eine Strategie entwickeln.
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"Die Sturheit der EZB ist falsch"
taz - Die Europäische Zentralbank (EZB) senkt den Leitzins nicht. Dabei wäre dies das "wichtigste Signal in der Finanzmarktkrise", meint der Bremer Ökonom Rudolf Hickel.
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Watch China!
FTD - Ich halte es schon lange für ein großes Missverständnis, von der „Subprime-Krise“ zu sprechen. Die Überbewertung der US-Immobilienmärkte ist ein Symptom und keine Ursache der aktuellen Krise. Worum es wirklich geht, ist die Schieflage der Weltfinanzmärkte, die wir seit genau einem Jahrzehnt beobachten, vor allem die monetären Ungleichgewichte zwischen den USA und China: Erst wenn diese Ungleichgewichte verschwunden sind, wird die Krise vorbeigehen. Leider sind wir von einer Lösung dieses Problems noch sehr weit entfernt.
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Ein Sozialismus für wenige
taz - Die wichtigen Details können nicht darüber hinwegtäuschen, dass nach Ansicht vieler Ökonomen der gesamte Regulierungsapparat für die US-Finanzbranche dringend modernisiert werden muss. So wurden weite Teile der Bankentätigkeit fast schon überreguliert, bei anderen - wie eben den Hypothekenkredite - fehlten Regeln ebenso wie eine funktionierende Kontrolle. US-Hausbesitzer brauchen Umschuldungsmöglichkeiten, damit sich nicht nur der Immobilienmarkt, sondern die gesamte Konsumwirtschaft berappeln kann, bevor die US-Wirtschaft in eine Rezession schlittert. Er kenne nur "sehr wenige Fälle", sagte Notenbankchef Ben Bernanke vorige Woche vor dem Kongress, "in denen man ein solches Ausmaß eines finanziellen Zusammenbruchs hat, ohne dass das schwere Auswirkungen auf die Wirtschaft hätte". Künftig könnte jedenfalls die Frage "Brot oder Freiheit?" auch mal anders beantwortet werden.
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Lotsen im Trümmerfeld
taz - Trotz aller Kollateralschäden, die bereits diesseits des Atlantiks aufgetreten sind: Europa hat allen Grund, das eigene Wirtschaftsmodell selbstbewusst zu vertreten und eine Führungsrolle bei der anstehenden Gestaltung eines verbesserten Ordnungsrahmens für die Finanzmärkte zu beanspruchen. Erste Vorschläge reichen von der Einführung eines globalen Kreditregisters über die Entmachtung der Rating-Agenturen bis zur Definition von Mindeststandards und Volumenbeschränkungen für handelbare Kreditpakete. Auch "Joe" Ackermann, Chef der Deutschen Bank und einst mächtigster Statthalter des angelsächsischen Finanzkapitalismus in deutschen Landen, erkannte im März 2008: "Global operierende Banken brauchen global operierende Aufsichtsbehörden."
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Ein umfassend kontrollierender Staat kann Finanzkrisen verhindern
Tagesspiegel - Das Feuer der Finanzkrise lodert noch. Wie bei einem richtigen Feuer wird man das gesamte Ausmaß des Schadens erst erkennen, wenn die Löscharbeiten der staatlichen Feuerwehren beendet sind. Zunächst aber muss man dafür sorgen, dass die Krise nicht auf die Realwirtschaft übergreift. Hier gibt es akut den größten Handlungsbedarf, weil Europa nicht zur Kenntnis nimmt, dass es diesmal nicht mehr auf die USA als Lokomotive der Weltwirtschaft setzen kann, sondern selbst die Nachfrage steigern muss. Die beharrliche Weigerung der Europäischen Zentralbank aber, die Zinsen rasch und nachhaltig zu senken und die Hoffnung vieler Finanzminister, sie könnten mit einem blauen Auge bei der Staatsverschuldung davonkommen, lässt hier das Schlimmste befürchten.
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Merkel muss für alle zahlen
FR - Aber die Sicherheit, in der sich die Anhänger freier Märkte wähnen, trügt. Denn im Kapitalismus gibt es grundsätzlich keine Sicherheit. Alles ist immer nur solange sicher, solange man daran glaubt. Keine Bank, ganz gleich wie vernünftig sie agiert haben mag, überlebt den Ansturm ihrer Kunden. Keine Bank überlebt den Wegfall von Kreditlinien über Nacht. Gerade deshalb braucht es in ruhigen Zeiten strikte staatliche Regeln und Aufsicht, damit niemand an der Sicherheit auch nur leise Zweifel hegt. Aber die Liberalalas haben es geschafft, dass unregulierte Finanzprodukte (etwa CDO's und CDS) auf unregulierten Märkten durch unregulierte Institutionen (etwa Zweckgesellschaften, Hedgefonds oder Finanzinvestoren) gehandelt werden durften. Und die Aufsicht schaute zu, ganz beseelt vom Glauben in die ordnende Kraft freier Märkte. Diese Leichtsinnigkeit stand am Beginn der gegenwärtigen Krise.
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"Wir haben in Afghanistan nichts zu suchen"
SZ - In den 14 Tagen Afghanistan und Pakistan habe ich feststellen müssen, dass unsere Bevölkerung über den Afghanistan-Krieg genauso an der Nase herumgeführt wird wie die amerikanische Bevölkerung über den Irak-Krieg. Unsere Soldaten werden in einen Krieg geschickt, der mit dem offiziell verkündeten Kriegsziel nichts zu tun hat. Politiker, die behaupten, wir kämpften am Hindukusch gegen den globalen Terrorismus und für die Sicherheit Deutschlands täuschen nicht nur ihre Wähler, sondern auch unsere Soldaten. Das ist unverantwortlich.
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Die Logik des Notstands
FTD - Der Staat taugt jetzt keineswegs deshalb zum Retter in höchster Not, weil er klüger oder gerechter ist. Er kann das Chaos nur deshalb ordnen und die privaten Akteure nur deshalb aus der Klemme befreien, weil er nun einmal der einzige Akteur ist, für den letztlich keinerlei Regeln gelten - denn die Regeln macht sich die Politik selbst.
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"Investmantbanker sind kriminell"
SZ: Herr Verwaltungsrat Lafontaine, die IKB-Mutter KfW ist selbst ein Saftladen: Am Tag der Lehman-Pleite haben die Staatsbanker noch 350 Millionen überwiesen, die verloren sind. Die Politiker machen doch bei der Kontrolle der KfW keine gute Figur.
Lafontaine: Falsch. Nach der Panne hat der Verwaltungsrat sofort gehandelt und die Verantwortlichen gefeuert.
SZ: So weit wäre es nicht gekommen, hätten da fähigere Leute gesessen.
Lafontaine: Wo sind die fähigen Leute - bei Lehman Brothers, bei Merrill Lynch, bei HRE oder bei der BayernLB?
SZ: In der entscheidenden Sitzung des Verwaltungsrats zur Lehman-Panne fehlten Sie. Sie fordern ständig mehr Staat und bessere Aufsicht, aber wenn es ernst wird, sind Sie nicht da.

Anmerkung: Nichts gegen die Kritik an Lafontaines Rolle als Verwaltungsrat, aber ich will endlich einmal sehen dass Merkel, Steinbrück und Konsorten genauso interviewt werden, dass man ihnen genauso die hohlen Phrasen im Munde herumdreht wie Lafontaine und alles hinterfragt, nachprüft, argumentiert. Aber das passiert nur bei der Linken, während alle anderen ungestraft Allgemeinplätze verteilen dürfen und dafür auch noch gelobt werden.
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Schäubles Scheinargumente
TP - Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble gilt als eloquenter Redner, manche halten ihn gar für einen Intellektuellen. Selbst Gegner Schäubles zollen ihm als politischem Schwergewicht Respekt. In der Tat gelingt es dem Bundesinnenminister durchaus, mit geschliffenen Worten den Eindruck zu erwecken, seine Politik sei das Ergebnis langer und reiflicher Überlegung. Doch wer genau hinschaut, erkennt, dass Schäuble vor allem so tut, als würde er argumentieren.
Anmerkung: Teil 2 findet sich hier.
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Kalifornien in Not
SZ - Städte, Gemeinden, Schulbezirke und Bundesstaaten sind in Amerika, genauso wie in Deutschland und in anderen föderalistischen Staaten, immer wieder auf Kassenkredite angewiesen, um ihre laufenden Ausgaben decken zu können. So müssen zum Beispiel Gehälter jeden Monat gezahlt werden, bestimmte Steuern gehen jedoch erst zum Quartalsende ein. Normalerweise ist die Aufnahme solcher Kredite eine Routineangelegenheit, nicht mehr jedoch heute: Die Risikoscheu in den Märkten ist so groß, dass nicht nur Firmen, sondern auch staatliche Einrichtungen unterhalb der Bundesregierung in Washington als unsichere Kantonisten gelten.
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OECD warnt vor Erhöhung des Kindergeldes
SZ - Skandinavische Länder haben sehr gute Bilanzen im Kampf gegen die Kinderarmut, und zwar bereits seit recht langer Zeit. Ihnen gelingt es besonders gut, viele Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Wenn Paare Kinder haben, bleiben oft beide erwerbstätig.
Möglich ist das, weil diese Länder mit öffentlicher Unterstützung ein System aufgebaut haben, das es beiden Partnern ermöglicht, den Verpflichtungen von Arbeit und Familie nachzukommen. Natürlich existiert auch so etwas wie das Kindergeld. Aber daneben haben beide Partner die Möglichkeit, auf dem Arbeitsmarkt Geld zu verdienen. Wenn beide Elternteile verdienen, ist Armut ganz selten ein Problem.

Anmerkung: Prinzipiell ja kein dummer Gedanke, aber ich wette hierzulande hört man nur "nicht erhöhen" und überhört das "stattdessen investieren".
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Birne auf Breitwand
SZ - An der Ostsee beginnen die Dreharbeiten zum TV-Dokudrama „Helmut Kohl - Der Film“. Der Film von Regisseur Thomas Schadt über den Bundeskanzler, der 16 Jahre regierte "und den Deutschen die Einheit brachte“, zeichne Kohls politischen Aufstieg vom Mitbegründer der Jungen Union in Ludwigshafen im Jahr 1947 bis zum Jahr der Einheit 1990 nach, teilte die Berliner Produktionsfirma TeamWorx mit. Unter Mitwirkung des Altkanzlers werde vor allem die Zeit von 1988 bis 1990 beleuchtet.
Anmerkung: Na toll, verklären wir Birne noch mehr.
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Demokratiealarm
SZ - Wenn die Familie Huber schlecht wirtschaftet, kommt der Gerichtsvollzieher. Wenn die Firma Maier schlecht wirtschaftet, kommt der Konkursrichter.
Wenn eine Großbank katastrophal wirtschaftet - dann kommen die Spitzenpolitiker mit dem Milliarden-Geldsack. Ist das die Belohnung für Zocker? Muss ein Schädiger nur dreist genug und der Schaden nur groß genug sein, damit der Staat das Desaster nobilitiert? Sind die Hilfsfonds Fässer ohne Boden? Wird das gute Geld dem schlechten hinterhergeworfen?

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