Mittwoch, 8. Oktober 2008

Fundstücke 08.10.08, 11.38 Uhr

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Neue Kapitalverbrechen
SZ - Dem Strafrecht ist seit jeher vorgeworfen worden, es sei ein Klassenstrafrecht, es strafe den Eierdieb, den Straßenräuber und den Heiratsschwindler, es sei ein Recht gegen Mikrokriminalität, aber keines, das sich der Makrokriminalität auch nur nähere. Das ist nicht falsch.
Das Wort Kapitalverbrechen ist üblicherweise ein anderes Wort für Mord und Totschlag. Der Experte sagt "Kapitaldelikte", wenn er über Straftaten gegen Leib und Leben redet. In diesen Tagen kriegen die Wörter "Kapitaldelikte" und "Kapitalverbrechen" eine neue Bedeutung. Wenn mit dubiosen Machenschaften erste ungeheuere Summen verdient werden, anschließend der Markt zusammenbricht, so dass der Staat mit ungeheueren Summen eingreifen muss – sind das nicht die wahren Kapitaldelikte?

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Zwischenbericht von der Glashauspary
FTD - Wer fehlt noch in der Glashausliste? Klar, unser Bundesfinanzminister. Der hat sich jahrelang dafür ins Zeug gelegt, den Finanzplatz Frankfurt zu fördern, indem die Deutschen möglichst eifrig den modernen Praktiken der großen Vorbilder aus London und New York folgten. Jetzt lernen wir, dass dort die bösen Buben sitzen - und der Finanzminister tut so, als hätte er es immer gewußt.
Anmerkung: Lesebefehl!
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Ein echtes Risikopapier
FAZ - Auch von Merz erscheint dieser Tage ein neues Buch, in dem der CDU-Politiker seine „Wege zu einer gerechten Gesellschaft“ skizziert. Welches aber ist, gemäß Buchtitel, der Königsweg? „Mehr Kapitalismus wagen“. Damit, prophezeite der Piper-Verlag schon vor Wochen, werde sich Merz „gegen den Zeitgeist stellen“. Wie sehr sie hier ins Schwarze treffen, haben sie bei Piper nicht ahnen können: Bei seinem waghalsigen Kampf für mehr Kapitalismus hat Merz inzwischen ja sogar Josef Ackermann gegen sich.Geplant als gemäßigt provokante Streitschrift, scheint das Merz-Werk für den Verlag zum Risikopapier zu werden. Auf direktem Weg zur Resterampe, tauglich allenfalls als Scherzartikel unter entlassenen Bankern. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass von Merz zur Finanzkrise noch nichts zu hören war: Womöglich schreibt er gerade eilig sein Buch um. Mit einem neuen Titel freilich wird’s auf die Schnelle nichts mehr werden. Und welchen hätte er auch wählen sollen? „Mehr Politik wagen“ heißt schon ein Buch von Sigmar Gabriel. Und „Ein Christdemokrat“ klänge, jedenfalls im Fall von Merz, auch schon wieder arg vergänglich.
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Liberale zweifeln an der Freiheit
FTD - Mit Blick auf breitere Wählerschichten macht sich die FDP zudem auch für eine stärkere Bankenaufsicht stark - und damit für eine stärkere Rolle des Staates am Finanzplatz Frankfurt. Dies sei in keiner Weise eine neue Position, wird in der Berliner Parteizentrale versichert. Als Beleg verweist man dort auf eine Pressemitteilung aus dem Jahr 2000. Belege aus jüngerer Zeit seien gerade nicht zur Hand.
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Regierung unter der Reichstagskuppel: ratlos
NDS - Da sind wir mitten in einem weltweiten Finanzstrudel von historischem Ausmaß, da drohen Rezessionsgefahren, da sind Menschen in Angst um ihr Erspartes und um ihre Arbeitsplätze und unsere Bundeskanzlerin bietet eine der kürzesten und nichtssagendsten Regierungserklärungen. Da wurde vor dem Parlament eine Banalität nach der anderen aneinandergereiht. Da wurde so getan, als sei das Unglück von Amerika über uns gekommen wie eine Grippeepidemie. Da wurde nicht analysiert, was bei uns falsch gelaufen ist und stattdessen viel von „Vertrauen“ und „sozialer Marktwirtschaft“ geschwafelt. Da wurde so getan, als könne man mit ein paar kleinen Maßnahmen alles wieder in Ordnung bringen. Und da wurde vor allem die konsequente Fortsetzung des eingeschlagenen Reformkurses propagiert, gerade so als hätten nicht einige der Reformpakete, wie z.B. die Privatisierung der Rente oder die steuerliche Begünstigung der Verbriefung von Krediten zu Wertpapieren die Finanzspekulationen in Deutschland nicht wesentlich angeheizt.
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Retter in der Not
FTD - Steinbrück sagte ferner, er lehne ein EU-Paket ab, weil man Prozesse fürchte, auf die man keinen Einfluss hat. Mit anderen Worten: Die deutsche Regierung hat schlichtweg Angst, dass Europa strengere Regeln für die Rettung von Finanzinstitutionen auflegt. Europa hätte mit Sicherheit die IKB fallen gelassen. Diese Bank hatte nur für deutsche Politiker systemische Bedeutung. Auch die Rettung der Hypo Real Estate wäre in einem europäischen System sicher anders erfolgt. Deutschland verfolgte hier vorwiegend wettbewerbspolitische Absichten: Man will die Führung im Markt für Pfandbriefe nicht verlieren. Es sind vornehmlich Wettbewerbsfragen, für die der größte Sparminister aller Zeiten ein derart großes Rettungspaket auf die Beine stellt, dass Deutschland an seinen zukünftigen Schulden ersticken wird.
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Steinbrück in der Finanzkrise
FTD - Er gilt als einer der fähigsten Politiker der Regierung, doch nun mehrt sich die Kritik an Peer Steinbrück. FTD.de dokumentiert, wie der Finanzminister in drei Wochen vom Herrn des Haushalts zum Getriebenen der Finanzkrise wurde.
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Vielen Dank, Präsident Bush!
FR - Als vor ein paar Wochen herauskam, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau an die bereits in der Pleite befindliche Lehman-Bank 319 Millionen Euro überwies, da titelte Bild: "Deutschlands dümmste Bank". Im Augenblick macht die Hypo Real Estate der KfW den Rang streitig. Dennoch kommt einem, verfolgt man die Afghanistan-Debatte im Bundestag, sofort die Kreditanstalt für Wiederaufbau in den Sinn.
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Wer von der Krise profitiert
FTD - Die Turbulenzen an den Börsen erschüttern die Welt. Immer mehr Banken und Versicherer geraten in den Strudel, auch die Realwirtschaft bleibt nicht ungeschoren. Aber es gibt nicht nur Verlierer der Krise.
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1 Kommentar:

  1. Hallo,

    ich möchte kurz auf 2 sehr interessante Beiträge verweisen, die gestern auf ARTE gelaufen und online verfügbar sind:
    "Bosse, Börse und Bilanzen", sowie "Mit Charme und Dollars".
    http://plus7.arte.tv/

    Keine Angst, kein "neoliberaler" Schund, sondern wirklich interessant. Vor allem mal in das Hirn einer Heuschrecke (In "Mit Charme und Dollars" wird ein berühmter Fondsmanager begleitet) zu schlüpfen ist mal sehr interessant (und teilweise erschreckend).

    MfG,
    die stuttgarter heuschrecke

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