Sonntag, 19. Oktober 2008

Fundstücke 20.10.2008, 11.16 Uhr

Studiengebühren schrecken ab
Tagesschau - Studiengebühren schrecken einer Untersuchung zufolge viele junge Menschen vom Studium ab. Laut der Studie, die vom Bundesbildungsministerium in Auftrag gegeben worden war, haben allein vom Abiturienten-Jahrgang 2006 bis zu 18.000 junge Menschen wegen der neuen Gebühren kein Studium aufgenommen. Das Papier wird vom Ministerium unter Verschluss gehalten, liegt nun aber nach eigenen Angaben der Deutschen Presse-Agentur dpa vor.
Anmerkung: Nein, wie überraschend.
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Was bleibt von der Ideologie?
ZEIT - Nach so viel Gehirnwäsche können wir uns glücklich schätzen, dass es uns noch möglich ist, eine echte Krise zu erkennen, wenn wir sie vor der Nase haben. Und wir können lernen von all denen, die in den vergangenen, effizienzbesoffenen Jahren besonders out waren: Von den Schülern altsprachlicher Gymnasien zum Beispiel, die ihren marktgetrimmten Altersgenossen immer schlechter erklären konnten, wozu Latein und Griechisch denn gut seien. Von den AOK-Versicherten, die darauf beharrten, durch ihren hohen Krankenkassenbeitrag ärmere, ältere, kränkere Patienten mitzufinanzieren. Von den Leuten, die sagen: Bei aller Liebe, ein Museum kann nicht nur ein Profitcenter sein. Von denen, die bis heute nicht verstanden haben, warum es eine marktwirtschaftliche Pflicht sein soll, die Stadtwerke deutscher Großstädte an chinesische Investoren zu verkaufen. Von Lehrern, die nicht glauben, dass sie ein Produkt herstellen – sondern, dass sie Kinder erziehen. Von all diesen Menschen könnten auch die Marktradikalen etwas lernen: dass eine Gesellschaft andere Kraftquellen hat und andere Kraftquellen braucht als nur den Profit. Wenn sie es lernen würden, ließe sich einfacher darüber diskutieren, wie der Kapitalismus aussieht, den wir haben wollen.
Anmerkung: Lesebefehl!
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Wenn sich der Bock zum Gärtner macht
TP - Das Rettungspaket für die Finanzbranche steht und trat dieses Wochenende in Kraft. Was von der Politik rhetorisch als Rückkehr des starken Staates kommentiert wird, ist jedoch ein intransparentes Werk, das so auch aus der Feder der Finanzwirtschaft stammen könnte. Kein Wunder, der federführende Autor des Gesetzes gilt als Mann der Finanzbranche.
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Die 70-Milliarden-Boni-Bonanza
FTD - Trotz des Finanzchaos an der Wall Street streichen die Banker nach einem Zeitungsbericht noch immer milliardenschwere Bonus-Zahlungen ein. Bei Morgan Stanley könnten sich die Mitarbeiter für ihr Gehalt sogar die ganze Bank kaufen.
Anmerkung: Wie viele Beweise braucht es noch, dass dieses System verrottet ist?
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Wann kommt die Bankrott-Erklärung der Vierten Gewalt?
TP - Der ehemalige Stern-Chefredakteur Michael Jürgs kritisierte in der [extern] FAZ "das Regime der Flanellmännchen", also der Controller. Doch dies greift zu kurz. Wir haben nämlich oftmals nicht penibel aufgeschrieben, wie viele Stunden es uns gekostet hat, Studien und Fachaufsätze zu lesen. Aber: nur, wer mehr weiß, als der Konzernvertreter/Politiker und sein PR-Mann, der kann auf Augenhöhe mit Experten sprechen und wirklich Missstände aufdecken oder Schönfärberei als solche entlarven. Die alten Doyens des "Spiegel", die inzwischen leider in Rente sind, haben so gearbeitet. Das klingt nur nicht so sexy, und so hat mancher Kollege deshalb mehr mit "Geheimpapieren" angegeben als mit der eigentlichen Arbeit: stundenlangem Lesen. Kämen heute die Reporter, die den Watergate-Skandal aufdeckten, mit ihren Analysen aus der Library of Congress in die Redaktion eines deutschen TV-Magazins, sie bekämen zu hören: Wer soll denn das alles lesen?
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Demokratie in der Krise
Tagesspiegel - Die deutsche Politik darf sich von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann verhöhnt fühlen. Und ein Bürger, der herausfinden will, welche Bank wie viel Hilfen bekommt, ebenfalls.
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Der Kapitalismus besiegt den Staat

taz - Ob Commerzbank oder Deutsche Bank - sie werden jetzt behandelt wie Spione des Bundesnachrichtendienstes. Höchste Geheimhaltung! Das Volk soll zwar für Milliardensummen bürgen, aber welche Bank konkret profitiert, das soll nicht einmal das ganze Parlament erfahren dürfen. Warum diese Scheu? Andere Länder sind viel auskunftsfreudiger. In der Schweiz weiß man bis ins letzte Detail, wie die UBS gerettet wurde. In den USA ist genau bekannt, welchen Großbanken staatliches Eigenkapital aufgenötigt wurde. Und transparent ist auch die Teilverstaatlichung in Großbritannien. Nur in Deutschland wird so getan, als wäre der geheiligte Standort bedroht, falls sich herausstellen sollte, dass die Deutsche Bank oder die Commerzbank nicht ohne Staatshilfe überleben kann.
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Sicherheitsrisiko Bundesbank

FTD - Die Unabhängigkeit der EZB ist nur geliehen. Sie wurde ihr von den EU-Staaten und dem EU-Parlament durch den Maastricht-Vertrag gegeben. Dieser Vertrag kann durch den Souverän jeder Zeit geändert werden. Den Pakt im Krisenfall mal eben außer Kraft zu setzen, wie jetzt geschehen, kann jedenfalls nicht europäische Praxis werden. So wenig wie die Goldreserven der Bundesbank dieser selbst gehören, sondern dem deutschen Volk, genauso wenig können sich die selbstverliebten Notenbanker der EZB mit ihrer Geldpolitik auf Dauer abseits der vom Souverän legitimierten Politik stellen.
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Mehr Kapitalismus wagen

FTD - Der Versuch der US-Regierung, im letzten Moment doch einmal Nein zu sagen, hat deshalb erst recht wie ein Brandbeschleuniger gewirkt: Seit Washington sich am 15. September entschloss, eine Pleite der großen Investmentbank Lehman Brothers sehenden Auges hinzunehmen, eskalierte im Finanzsystem eine Vertrauenskrise, die uns an den Rand einer Wirtschaftskatastrophe getrieben hat. Den Regierungen bleibt nun erst einmal gar nichts anderes übrig, als billionenschwere Katastrophenabwehr zu leisten. Trotzdem muss jedem klar sein, dass damit auf Dauer noch viel größere Risiken heraufbeschworen werden.
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"Lafontaine wird unterschätzt"

FAZ - Heiner Geißler war Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, Generalsekretär der CDU und gilt als „linkes Gewissen“ in der Union. Im Gespräch mit FAZ.NET erläutert der 78-Jährige, warum der Kapitalismus am Ende ist, welche Schlussfolgerungen die Politik aus der Finanzkrise ziehen muss - und warum man an der Linkspartei nicht mehr vorbeikommt.
Anmerkung: Lesebefehl!
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Nach der Krise ist vor der Rezession

FTD - Auf den drohenden Bankenkollaps hat die Bundesregierung mit atemberaubenden Entscheidungen reagiert. Die Frage ist, ob das reicht, um den zweiten drohenden Kollaps zu verhindern: den Absturz der realen Wirtschaft. Und ob die Regierung darauf vorbereitet ist, was auf den Rest der Republik derzeit zukommt. Noch orakelt die Kanzlerin, dass es "nicht zu einem "dauerhaften Konjunktureinbruch" komme. Oder dass die "Unternehmen krisenfest aufgestellt" seien. Das lässt befürchten, dass Angela Merkel das Debakel unterschätzt, das da derzeit naht. Alle Erfahrungen und aktuellen Krisensignale lassen darauf schließen, dass dem Rettungspaket für die Banken möglichst rasch ein Rettungspaket für den Rest des Landes folgen sollte. Sonst kann aus dem Abschwung schon in ein paar Wochen ein wirklich verheerender Absturz werden.
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Die Welt neu zusammenzusetzen
Tagesspiegel - Das Geschäft der Banken ist im Grundsatz seit jeher krisenanfällig. Denn sie borgen sich Geld bei Sparern und Anlegern und verleihen dieses weiter in Form von Krediten für Unternehmen und Haushalte. Oder sie investieren es in Wertpapiere aller Art, die ihrerseits zur Finanzierung von Unternehmen dienen. Aus der Differenz zwischen dem Zins für das aufgenommene Geld und dem für die vergebenen Kredite erzielen sie ihren Gewinn. Geraten aber die Kreditnehmer einer Bank in Zahlungsnot oder werden ihre Wertpapiere unverkäuflich, kann auch das Geldhaus selbst schnell in Schieflage geraten, wenn es seinen Kunden deren Geld nicht zurückzahlen kann. Weil die Kredite zumeist auf lange Frist vergeben werden, während die aufgenommenen Spargelder eher kurzfristig abrufbar sind, muss jede Bank unbedingt vermeiden, dass ihre Einleger an der Sicherheit ihrer Spareinlagen zweifeln. Wenn alle gleichzeitig ihr Geld zurückfordern, ist jede Bank sofort pleite.
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"Wir sind nicht der Kanzlerwahlverein"

Tagesspiegel - SPD-Vize Andrea Nahles im Interview über den personellen Neustart der SPD mitten in der Finanzkrise.
Anmerkung: Was Nahles Wendehals von sich gibt, ist einfach unglaublich.
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2 Kommentare:

  1. Vorsicht, Andrea "Banahles" hat nach einigen verunglückten Stylingversuchen ihre kämpferische Löwenmähne-Frisur aus alten Juso-Tagen wiederentdeckt! Man sollte ihr unbedingt glauben ;-)

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