Von Stefan Sasse
Die Mittelschicht, sie ist schon arm dran. Nicht nur wird sie von den Westerwelles, Seehofers, Merkels, Steinmeiers, Brüderles und Schröders zur Rechtfertigung ihrer oftmals sehr merkwürdigen Politik genutzt, nein, sie ist auch tatsächlich arm dran. Die Bücher, in denen begründet wird, warum die Mittelschicht unter der Abgabenlast ächzt und wie sie von den Steuern die Luft abgeschnürt bekommt, sind Legion. Das ist verständlich, da die meisten Machwerke wie „Die Ausplünderung der Mittelschicht“ von Marc Beise sind.
Im aktuell vorliegenden „Melkvieh Mittelschicht“ von Clemens Wemhoff haben wir ein weiteres Exemplar dieser Gattung. Ob es sich über den Genredurchschnitt erheben kann, wird sich zeigen. Sein in neun handliche Kapitel unterteiltes Buch klappert die üblichen Stationen dieser Werke ab: die ächzende Abgabenlast, die verschwenderischen Umverteilungspolitiker, die Probleme mit Sozialversicherungen und Krankenkassen, die Rentenlüge, eine Reform des Steuersystems, Steuersenkungen und eine Arbeitnehmeragenda. Eher ungewöhnlich ist das Kapitel, in dem der Mythos „Exportweltmeister“ zerlegt wird.
Clemens Wemhoff lässt sich eigentlich ohne größere Umschweife dem Lager von Friedrich Merz und Konsorten zuteilen, mit einem gehörigen Schuss Hans-Werner Sinn. Eine Verdammung in Bausch und Bogen, wie dies etwa völlig zu Recht bei Marc Beises Machwerk nötig war, ist jedoch nicht so einfach. Gehen wir zuerst zu dem, was gut an dem Buch von Clemens Wemhoff ist:
So finden wir eine weitaus vernünftigere Definition von Mittelschicht, als dies bei Beise der Fall war. Clemens Wemhoff orientiert sich hauptsächlich am statistischen Durchschnittseinkommen. Damit fallen deutlich mehr Menschen unter „Mittelschicht“, als dies bei vergleichbaren Autoren und oft genug in den Sonntagsreden von FDP-Politikern der Fall ist. Man kann ihm ein genuineres Interesse daran abnehmen, die Situation für die Mittelschicht allgemein zu verbessern, als dieseim Allgemeinen der Fall ist. Außerdem stellt er sich bei einigen Themen wie der Frage um den Exportweltmeister stark gegen den Strich, versucht also nicht, ausschließlich billige Zustimmung zu erheischen.
Leider jedoch krankt das Buch an einigen Grundproblemen. Der wirkliche unangenehmste, störendste Faktor am Buch ist die unerträgliche Pauschalisierung hinsichtlich der Politik. Für Clemens Wemhoff liegen alle Lösungen offensichtlich auf der Hand, und nur die Dummen, unfähigen, faulen und nur auf ihren eigenen Vorteil bedachten Politiker verhindern die Umsetzung. Der Widerstand eben jener Mittelschicht, die Clemens Wemhoff zu beglücken hofft, findet in dem Buch überhaupt nicht statt, genauso wenig wie der Einfluss von Lobbyisten oder schlichten Sachzwängen wie bindenden Verträgen.
Auf diese Art und Weise liest sich das Buch über weite Strecken wie das Exzerpt von einem durchschnittlichen Stammtischabend. Dinge wie gesellschaftliche Mehrheiten, Koalitionspartner und Wahlen kommen bei ihm allenfalls als Zerrspiegel vor. Dadurch löst sich das Buch über weite Strecken von einigen durchaus nachdenkenswerten Ansätzen und verkommt zu einer reinen Polemisierungsparade.
Man sagt, dass auch ein blindes Huhn manchmal ein Korn findet oder dass auch eine kaputte Uhr zweimal am Tag richtig geht. Clemens Wemhoff findet mehr als nur ein Korn und liegt auch mehr als zweimal richtig. Leider findet er nicht genügend Körner und liegt nicht oft genug richtig, als dass man sein Buch wirklich empfehlen könnte. So marschiert er einen Irrweg entlang, der ihn dann letztendlich in den Schoß der Rattenfänger führen wird, vor deren Sack er seine Leser so furchtbar gerne warnen möchte.
Himmel, nimm mal die ganzen Fehler im Satzbau aus dem Text oO
AntwortenLöschenHabe ich gemacht, danke. Wie gesagt, ich kann nicht tippen. Und das Programm ist... holprig.
AntwortenLöschenDu kannst doch nicht Vertretern anderer Meinung vorwerfen, sie seien pauschal und polemisch und genaus das dann selber machen. Ich habe das Buch vor geraumer Zeit nach einem Artikel des Autors in der "Zeit" gelesen. Vieles war mir vorher nicht so klar, etwas dass schon ein Durchschnitttsverdiener von jedem Euro Lohnerhöhung zwei Drittel abgeben muss. Oder ndass er 78 Euro Gehaltserhöhung benötigt, wenn er sich für 10 Euro Nettowarenwert an der Tankstelle Sprit kaufen will. Das wird von der Politik ja wirklich trickreich verschleiert. Ich habe in dem Buch auch sonst viel erfahren über die Merkwürdigkeiten bei der Arbeitslosenversicherung, die Manipulierbarkeit der Rente und dem Wahnsinn des deutschen Steuerssystems. Ich finde, man merkt, dass der Mann Ahnung hat. Anders als Sinn und Co spricht sich Wemhoff mehrfach deutlich für höhere Löhne aus. Seine Lösungsvorschläge - immerhin macht er ziemlich konkrete - sind natürlich teilweise sehr angriffsfähig und einseitig aus Sicht der abhängig Beschäftigten - seine Mittelschicht eben - geschrieben. Aber daraus macht er keinen Hehl. Wer also Spaß und Interesse an anderen Sichtweisen hat, dem kann das Buch durchaus empfohlen werden.
AntwortenLöschenGruß
Tobias
Hallo,
AntwortenLöschenEs mag sein, dass sich in der Rezension relativ kritisch war. Tatsächlich pp ist darin aber auch sehr viel Unsinn zu finden, etwa die Laffer-Kurve. Es sind definitiv Ansätze in dem Buch vorhanden, die Sinn ergeben -nur hatte ich, wen der Rezension beschrieben, nicht den Eindruck, dass der Autor daraus die richtigen Schlüsse ziehen würde. Erhebt sich aber definitiv über den sonstigen Müll ab, der sich in diesem Büchersegment findet. Das steht aber auch in der Rezession.
Ich würde zu gern wissen, welches Betriebs- und Volkswirtschaftswissen auf der Seite des "Kritikers" Sasse vorhanden ist. Es ist nichts polemisches darann Erkenntnisse an die Oberfläche zu kehren, deren Inhalt kaum bestritten werden kann. Und wenn dieses als Dauerkritik an Politikern zu verstehen ist, dann ist es nur gut so, denn es mangelt an ausreichend lauten Tönen dieser Art. Viele Politiker, Beamte und Sozialversicherungsfunktionäre werden sicher wieder dankbar dafür sein, das auch dieses Buch, wie auch die anderen erwähnten Werke von Beise, Klöckner & Co., nicht der gigantische Kassenschlager werden kann, denn die Selbsttäuschung über den eigenen Stand der Dinge ist dem Bundesbürger eigen. Das gewährt eine gewisse "Hausruhe" für die Verwalter des Landes!
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