Dienstag, 30. März 2010

Buchbesprechung: Maybrit Illner - Politiker-Deutsch, Deutsch-Politiker

Von Stefan Sasse

Die Zeiten, in denen Langenscheidt einfach nur langweilige Wörterbücher gemacht hat, sind lange vorbei. Inzwischen finden wir nicht nur eine Unmenge von Spezialwörterbüchern von Englisch für Business bis Englisch für Weltumsegler im Angebot des Traditionsverlags, sondern auch eine ganze Reihe von „Übersetzungshilfen“ verschiedener Berufs- und Gesellschaftsgruppen von Frauen (Mario Barth) über Ärzte (Eckart von Hirschhausen) zu Politikern (Maybrit Illner), immer von irgendwelchen Promis werbewirksam zusammengeschrieben. Diese kleinen Büchlein versuchen mit oftmals reichlich unsubtilem Witz einige Lacher zu generieren und eignen sich besonders gut als Geschenk für Leute, denen nichts Besseres einfällt. Sie vereinen gewissermaßen durch das blaue „L“ auf gelbem Grund und den Comedy-Aspekt das Beste beider Welten von Spaß und Seriosität.


Man darf gespannt sein, ob das Rezept im Falle von „Politiker-Deutsch, Deutsch-Politiker“ aufgeht. Mit Maybrit Illner befindet sich immerhin ein Schwergewicht der deutschen Talkszene am Schreibtisch, die bereits viele Spitzen- oder Möchtegernspitzenpolitiker zu Gast hatte. Prompt wirft sie sich auch, pseudo-souverän wie immer, ins Gefecht.
In dem gerade 128 Seiten umfassenden DIN-A6 Buch behandelt Illner den Politiker in seinem natürlichen Habitat. So finden wir ihn im Wahlkampf, im Parlament, in der Partei, bei den „kleinen Leuten“, im Boulevard, im Sommerloch, vor Schuldenbergen und Haushaltslöchern, in Regierung und Opposition, auf Reisen, bei Affären, Skandalen und Rücktritten sowie als Elder Statesman. Nun, letzteres recht selten, aber immerhin.
Illner bietet dabei immer wieder irgendwelche Einwürfe an, die etwa die beliebtesten Talkshow-Floskeln inklusive eingängiger „Übersetzung“ aufzählen, die wichtigsten Politikerphrasen und Standardantworten in Standard- und Premiumvariante bereitstellen („Warum engagieren Sie sich politisch? – Standard: Weil ich etwas bewegen und gestalten will. – Premium: Weil ich meinen Beitrag dazu leisten will, dieses Land voranzubringen.“), die Top-Ten der absurdesten Sommerlochvorschläge und vieles mehr aus dem Politikalltag. Manchmal ist das sogar richtig lustig. Oftmals aber wirkt der Witz reichlich gequält, weil er über Allgemeinplätze nicht hinauszukommen scheint.
Es ist schon irgendwo schizophren, wenn ausgerechnet Maybrit Illner, wenngleich auf humoristische Weise, die Oberflächlichkeit des Politikersprechs anklagt, zu der ausgerechnet ihre Zunft einen so großen Beitrag leistet. Ohne die Oberflächlichkeit der Talkshows und ihrer Moderatoren, unter denen sich gerade Illner nicht gerade mit Ruhm bekleckert, wäre schon viel gewonnen. Aber solche Weisheiten wären dann doch zu viel Selbstkritik in diesem in jeder Hinsicht dünnen Büchlein.

Trotz gelegentlich netter Gags bleibt die Lektüre in seichten Gefilden stecken. Wer auf hohem Niveau über Politik lachen will, bleibt bei Kabarettisten vom Schlage eines Volker Pispers, Georg Schramm, Urban Priol oder Hagen Rether und fasst solche Machwerke nur mit spitzen Fingern an und beim Erscheinen von Illners Gesicht auf der Mattscheibe schnell zur Fernbedienung. 

Erstmals erschienen bei und erstellt im Auftrag des Roten Dorn.  

5 Kommentare:

  1. Alt, aber gut: Die Chaosradio-Sendung über "Neusprech im Schnüffelstaat" und Martin Haases 26C3-Vortrag über "Leyen-Rhetorik":

    - http://chaosradio.ccc.de/cre081.html
    - http://events.ccc.de/congress/2009/Fahrplan/events/3481.en.html

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  2. Mei, die Frau Illner!
    Wahrscheinlich brauchte sie einen Satz neue Fenster, und sowas kostet bekanntlich.

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  3. mal sehen was als nächstes kommt. Irgendwann nutzt sich der Gag ab... :-/

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  4. Schöne Geschenkidee für Leute, die man nicht leiden kann.
    Ich bevorzuge allerdings immer noch das traditionelle "Hass"-Geschenk: Bücher von Günter Grass. Am besten Lyrik.

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  5. Ich habe vor einigen Jahren in meinem Tagebuch sinngemäß notiert: "Wenn ein Politiker auf eine Ja-Nein-Frage mit 'Ja' antwortet, meint er 'auf keinen Fall'. Wenn er mit 'Nein' antwortet, meint er 'Ja, aber das will ich jetzt noch nicht sagen'. Wenn er sich um eine Antwort windet (z.B. 'Es hat keinen Sinn zum jetzigen Zeitpunkt darüber zu reden', oder 'an Spekulationen beteilige ich mich grundsätzlich nicht'), meint er 'Ja, unbedingt!'.

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