Donnerstag, 17. Januar 2008

BILD auf Kreuzzug, Teil XXII [Update]

"Schläger (16) muss Plumpsklo selbst ausheben!" Howdiho, was für eine Schlagzeile. Um was geht es? Nur die neueste Wahlkampfhilfe für Roland Koch aus dem Hause Springer, wo Rechtsextreme sich bereits seit Jahrzehnten fröhlich tummeln dürfen. Anlass ist, dass Hessen einen Jugendlichen "nach Sibirien verbannt" habe, wo er "bei eisigen Temperaturen" Holz hacken und 2,5 Kilometer zur Schule laufen muss. Und, natürlich, sein eigenes Plumpsklo graben. Nicht fehlen darf natürlich der Hinweis, dass das Ganze den Steuerzahler "nur" 150 Euro am Tag kostet, und damit ein Drittel einer geschlossenen Anstalt in Deutschland.
Rondo.
Schauen wir einmal, was uns der BILD-Artikel nun genau sagen will.
1) Roland Koch (in Personalunion mit "Hessen"), das ist ein ganz toller Hecht, der tut was!
2) Auffällige Jugendliche (im Artikel penetrant als "Schläger" bezeichnet) nach Sibirien zu "verbannen" ist eine tolle Idee.
3) Fern von allem "Luxus" (kein Fernsehen, kein Internet) soll der Junge mit körperlicher Züchtigung wider die harte Natur das tägliche Überleben sichern. Das soll dann aus irgendeinem Grund ein fröhliches Mitglied der BILD-Wertegemeinschaft schaffen.
4) "So weit die Füße tragen" hat auch nach 50 Jahren zumindest im OKW Rudi-Dutschke-Straße noch nicht an Aktualität verloren, ungeniert kokettiert der Artikel mit dem unsäglichen "Archipel Gulag"-Kitsch.
In einem überraschenden Anfall von journalistischem Niveau hat die Süddeutsche Zeitung in ihrer Onlineausgabe den Artikel als "durchsichtiges politisches Manöver" verurteilt. Und klärt nebenbei auf, dass der Jugendliche mitnichten "verbannt" wurde, sondern seit einem halben Jahr freiwillig dort ist. Und dass Sibirien mitnichten der albtraumhafte Archipel Gulag ist, in dem zu stalinistischen Zeiten tausende von deutschen Gefangenen elendig verhungerten oder erfroren. Aber das würde ja die BILD einer grandiosen Schlagzeile berauben.

Nachtrag: In der SZ ist das Ganze nun noch einmal ausführlicher an der Sache kommentiert.

1 Kommentar:

  1. Ich finde es erschreckend, dass der Gedanke, einen Sechzehnjährigen in den Gulag zu schicken, und sei diese Geschichte auch noch so schlecht erfunden, offenbar als gutes Mittel zur politischen Willensbildung angesehen wird. Gerade weil doch "Sibirien" in der althergebrachten Tradition unserer Väter ein Synonym für "Hölle auf Erden" darstellt ist es mir unbegreiflich, wie man es für ein probates Erziehungsmittel halten kann, Kinder und Jugendliche dorthin zu verschleppen. Es hat aber den Anschein, als sei für solch einen menschenverachtenden Blödsinn hier tatsächlich eine positive öffentliche Resonanz zu gewinnen - sollen wir da nicht auch noch die Prügelstrafe an Schulen wieder einführen? Den Karzer? Schreiten wir über Errungenschaften und Erkenntnisse der modernen Psychologie und Pädagogik lässig hinweg und kehren wir zurück zu Wilhem Busch. Wie heißt es dort doch so hübsch im "Tobias Knopp": "Also lautet eine Regel/Prügel machen frisch und kregel/und erweisen sich probat/ganz besonders vor der Tat." Ich sehe schon die Schlagzeile vor mir: "Ordnung und Prügel - Endlich passiert was!" Na dann - gute Nacht...

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