Dienstag, 22. April 2008

"Hunderttausend"

Deutschland fehlen 100.000 Ingenieure, schallt es derzeit aus allen Blättern. Propagiert wurde diese Zahl vom Verein Deutscher Ingenieure VDI, eine mit Sicherheit objektive und unbestechliche Quelle. Woher diese Zahl stammt, bleibt dabei weitgehend im Dunkeln. Der Missstand sei "der Politik seit Jahren bekannt". Ach nein. Der Wirtschaft ist der Missstand ebenfalls seit Jahren bekannt, vermutlich länger. Warum aber schickt man Fachkräfte mit 50 in Frühverrentung (auf Staatskosten), anstatt sie fortzubilden und so als produktive Einheiten zu erhalten? Vermutlich weil das Geld kosten würde, das dann im Quartalsbericht fehlt.
Es drängen sich ohnehin Fragen auf, wenn es um die beständige Chimäre "Fachkräftemangel" geht. Da werden im Eilverfahren Sonderöffnungsklauseln, Green Cards und Weiß-der-Kuckuck was durch das Parlament gepeitscht, um die scheinbar in Scharen an den deutschen Grenzen auf ein Ende des sozialistischen Winters wartenden Fachkräfte ins Land zu holen - und niemand kommt. Die gesamte EU hat Verträge unterschrieben, nach denen ein Ingenieur aus jedem beliebigen EU-Land jederzeit hier anfangen dürfte zu arbeiten. Warum kommt niemand?
Mag das vielleicht, markwirtschaftlich erklärt, daran liegen, dass schlicht nicht gut genug bezahlt wird? Möglich wäre das zumindest. Stattdessen wird jedoch eine "Stärkung" der Studienarten gefordert (wie auch immer die aussehen soll) und eine weitere Anwerbungskampagne von ausländischen Kräften. Vielleicht sollten die Unternehmen einfach mal wieder anfangen, Mitarbeiter auszubilden? Das würde mehrere Probleme auf einmal lösen. Und auch noch so beschwörende Apelle und Aufrufe Annette Schavans für die "Stärkung" der Ingenieursstudiengänge können deren Attraktivität nicht steigern, wo Semesterbeiträge von über 600 Euro zu entrichten sind, nur um mit miserablen Studienbedingungen und reichlich ungewisser Zukunft operieren zu können.
Aber das ist wohl ein wenig zu kompliziert für den aktuellen Diskurs.

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