Freitag, 18. Januar 2008

Zu wenig Studienplätze? Kein Problem.

In Baden-Württemberg sind 90% aller Studiengänge zulassungsbeschränkt, was bedeutet, dass man einen bestimmten Schnitt in der Abitursnote haben muss um zum Studium zugelassen zu werden. Da das illegal ist, erfinden die Unis noch ein paar andere Kriterien als Feigenblätter. Einige Fächer werden auch von der ZDV direkt zugelassen. Im letzten Jahr wurden bei uns in Tübingen sogar die Geisteswissenschaften mit einem (erschreckend hohen) Numerus clausus ausgestattet, da die Uni aus allen Nähten platzt. Die Situation schreit also nach einem Ausbau der Kapazitäten. Stattdessen setzt die schwarz-gelbe Regierung auf Selektion. Die Studiengebühren haben dabei bisher nicht den erwünschten Effekt gebracht, wiewohl die Ersteinschreibungen stark zurückgegangen sind. Deshalb fährt Wissenschaftsminister Frankenberg nun stärkere Geschütze auf.
"Das Abitur hat seine Aussagekraft verloren, wenn es inzwischen Studiengänge gibt wie Medizin in Heidelberg, bei denen man unter den 1,0-Abiturienten über Tests Auswahl trifft." (Quelle)
Als ob man das 1,0 Abitur in BW nachgeworfen bekäme. Liegt hier das Problem vielleicht bei den Abiturienten? Oder nicht vielleicht eher in einem erschreckenden Mangel an Studienplätzen? Früher gab es Medizinertests, die die Bewerber weiter selektieren sollten. Irgendwann stellte man fest, dass das Testergebnis um maximal 1% von der Abi-Note abwich, aber Unsummen kostete. Deswegen schaffte man diese Tests ab. Der Geniestreich von Frankenberg (natürlich CDU) besteht nun nicht darin, sie nur wieder einzuführen, und das auch für andere Fächer. Nein, der wahre Geniestreich ist, die Kosten den Studenten aufzubürden.
Dazu beauftragt man natürlich private Firmen, Consultingfirmen, um genau zu sein. Das sind die Firmen, bei denen Politiker häufig unterkommen, wenn sie aus der Politik ausscheiden, um das nebenbei zu erwähnen. Man sollte Frankenbergs Karriere im Auge behalten. Aber zurück zum Thema. Um zu den Wirtschaftswissenschaften zugelassen zu werden, muss man einen Test bei der ITB Consulting GmbH bestehen, dessen Absolvieren lächerliche 50 Euro kostet - pro Uni, an der man sich bewirbt.
Was das bedeutet, lässt sich leicht erschließen und ist von Frankenberg auch offen ausgesprochen worden: die Studenten sollen sich nicht mehr an so vielen Universitäten gleichzeitig bewerben. Wer also reiche Eltern hat, kauft, wie es die NDS ausdrücken, "gleich mehrere Lose aus der Lostrommel", wer arm ist, hat Pech. Wahrscheinlich wird die Zukunftsaussicht der NDS wahr, dass wir bald wie in den USA oder Japan die Situation haben, dass Schüler nach dem Abitur erst ein oder zwei Jahre unglaublich teure Spezialkurse besuchen müssen, um überhaupt eine Chance auf die Unizulassung zu erhalten.
Wir müssen uns dabei vor Augen halten, dass Deutschlands größtes Problem die Bildung ist und die Zahl der Studienbeginner signifikant niedrig. Das OECD-Ländermittel ist 53%, das EU-Mittel 52%, in den skandinavischen Ländern etwa 75%. Deutschland: 37%. Niedrigere Studienanfängerquoten finden sich lediglich in Belgien, Griechenland, Mexiko und der Türkei.

4 Kommentare:

  1. Das ist ein schwieriges Thema. Es gibt viele gegenläufige Meinungen dazu. Ich halte das Anglikanische System nicht grundlegend für falsch, es ist halt anders, mit Vor- und Nachteilen.

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  2. Medizinertests gibt es wieder seit 2 oder 3 Jahren. Das Ergebnis weicht von der Abiturnote ab. Aber die die schließlich davon profitieren können, sind einzig die Hochintelligenten (definiert als psychologische schnell Auffassungsgabe), die in der Tat einen 1,0 Schnitt haben. Das sind 5% der Teilnehmer. Dem Rest nutzt der Test relativ wenig (Heidelberg bewertet nur die besten 100 v. 7000).
    Jedenfalls sagt er nichts aus ob man dumm oder klug ist, nur Druck und Schnelligkeit werden bewertet. Es ist wie du sagst ein Selektionsverfahren.
    Die Kosten bezahlen die Studenten freiwillig.

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  3. ..ja, genau genommen sind es 50 Euro, die man dafür verpulvert, um seine CHancen im Kampf um die besten Studienplätze "verbessern" zu können.
    verarschend

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