Donnerstag, 11. Dezember 2008

Das politische System der USA VI: Gewaltenteilung

Dies ist der sechste Teil der Serie zum politischen System der USA, bestehend aus meinen Mitschrieben der Vorlesung von Dr. Harald Barrios.
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Teil I: Geschichtlicher Abriss

Teil II: Präsidialwahlsystem

Teil III: Präsidentschaftswahlen, Kongress, Senat

Teil IV: Die Parteien

Teil V: Die Parteien II, Föderalismus

Teil VI: Gewaltenteilung

Teil VII: Die Judikative

Teil VIII: Politische Kultur

Teil IX: Ausblick


Das politische System der USA VI: Gewaltenteilung


Zum Zeitpunkt der Verfassungsgebung ging es der heterogenen Gruppe der federalists darum, eine allzugut funktionierende Regierungsmaschinerie zu verhindern. Dieser Sand im Getriebe war also kein Betriebsunfall, sondern Programm. Anders als im europäischen Parlamentarismus, besonders dem deutschen, wurden die Gewalten nicht ineinander geschachtelt, sondern voneinander getrennt und sich gegenübergestellt. Kein Mitglied der Legislative darf zugleich der Exekutive angehören. Die einzige Ausnahme ist der Vizepräsident, der bestimmte Rechte im Kongress hat, aber dazu später. Bei der Verteilung der Macht zwischen Bund und Einzelstaaten verblieben die Kompetenzen im Zweifel bei den Einzelstaaten, was einen langen und mühsamen Weg der Unitarisierung bedeutete.

Dass sich Exekutive und Legislative beide getrennt aus dem Volk herleiten und durch Wahlen legitimiert werden, ist eher eine historische Entwicklung als Absicht. Da der amerikanischen Unabhängigkeit eine Nichtanerkennung des britischen Parlaments und des Königs vorausging, bestand ein Bedarf an einer eigenen Exekutive und Legislative. Nach dem Sieg wurden lediglich die britischen Gouverneure durch eigene ersetzt; dieser Zustand wurde 1787 auf dem Papier und 1798 auch in der Realität beseitigt, als die Verfassung in Kraft trat. Viele der ehemaligen Kompetenzen des Königs wurden an den Kongress überwiesen. Ansonsten verfügt die amerikanische Legislative auch über alle anderen typischen Komptenzen eines Parlaments. Das zeitlich befristete Mandat des Präsidenten war notwendig, um der Volkssouveränität Geltung zu verschaffen; dieser „Hebel“ ist wegen des Repräsentationsaspekts des Systems nötig, da es sich ansonsten um eine Monarchie handeln würde, deren Repräsentant eben einmal gewählt würde.

Präsident und Kongress müssen trotz ihrer Getrenntheit, ihres getrennten Zustandekommens gemeinsam betrachtet werden, wenn es um das Regieren geht. Beide funktionieren nach ihrer eigenen Logik, erst ihr Zusammenwirkung (erwünscht und ermöglicht, aber nicht institutionell erzwungen) kann so etwas wie Regierung entstehen. Erst beides zusammen ist government, eines allein ist administration. Alle zwei Jahre wird der Bevölkerung die Möglichkeit gegeben, der Regierung ihre Zufriedenheit zu zeigen. Das united government ist eher unwahrscheinlich, was schon allein durch die getrennten Wahlvorgänge (zwar am selben Tag, aber mit unterschiedlichen Zetteln – Möglichkeit des split vote) erleichtert wird. Divided government wird nicht sofort mit Disfunktionalität konnotiert, wie wir das sehen würden; es gilt eher als Instrument beruhigender Kontrolle. Es zieht auch nicht automatisch eine Lähmung (grid lock) ein; Clinton und Reagan haben das hinreichend bewiesen (Bipartisanship). Der Präsident kann die Kooperation des Kongresses nicht erzwingen, braucht sie aber. Das verschafft dem Kongress eine Machtstellung, die weit über die anderer Parlamente, ironischerweise besonders parlamentarischer Systeme, hinausreicht. Durch die zunehmende Demokratisierung konnten sich die Präsidenten direkter an das Volk wenden (firesite chats Roosevelts im Radio, Fernsehansprachen Reagans, möglicherweise bald das Internet bei Obama) und so den Druck auf den Kongress zu erhöhen. Das Ganze funktioniert natürlich auch in die umgekehrte Richtung; diese Mechanismen sind bedeutender als die Parteizugehörigkeit des Präsidenten. Bipartisanships finden besonders bei Personalentscheidungen statt; auch ansonsten aber ist eine Abstimmung nach Fraktion alles andere als garantiert.

Dazu kommt, dass Kongress und Senat eigene Gestaltungsmöglichkeiten haben. Gerade bei einem united government ist die Frage offen, wer eigentlich die Richtlinien setzt und Initiativen startet, der Kongress oder der Präsident. Carter und Clinton waren sehr unerfahrene Südstaatengouverneure und kannten den Betrieb nicht; sie konnten gegenüber ihrer eigenen Mehrheit ihre Autorität nicht durchsetzen (oder versuchten es zu sehr). Sehr schnell etablierte sich eine Logik Präsident vs. Kongress. Obama hat hier den Vorteil, dass er sich zumindest theoretisch sehr gut auskennt (er schrieb ein viel beachtetes Buch über die Funktionsweise des Senats), obwohl er recht unerfahren ist.

Die Parteien im Kongress. Der Präsident kann keine Fraktionsdisziplin im Kongress erzwingen, weil Exekutive und Legislative nicht nur getrennt sind, sondern sogar unabhängig sind – sie sind aufeinander nicht angewiesen. Das Weiteramtieren des Präsidenten ist nicht davon abhängig, ob er eine Mehrheit im Kongress hat (auch wenn ihn das sehr schwächen würde). Im Gegensatz dazu amtiert in einem parlamentarischen System ein Regierungschef nur so lange, wie er das Vertrauen des Parlaments genießt. Der Amtschef ist also während einer Amtsperiode durch das Parlament ablösbar; seine Amtszeiten sind letztlich nicht vorhersehbar, wie besonders die italienische Politgeschichte zeigt – oder Kohl als krasses Gegenbeispiel. Die Amtszeiten des US-Präsidenten sind dagegen festgesetzt; vier bzw. maximal acht Jahre. Der Kongress kann diese Amtszeit nur durch ein impeachment verkürzen; davon später. Umgekehrt kann auch der Präsident keinen Einfluss auf die Amtszeit des Parlaments nehmen. Die in parlamentarischen Systemen gegebene Möglichkeit der Auflösung des Parlaments durch die Regierung gibt es in den USA nicht. Eine verhängnisvolle Situation wie in Weimar ab 1930 kann dadurch nicht entstehen.

Ein Präsident der USA, dem der Kongress nicht gefällt, kann also keine Neuwahlen ansetzen, eine Möglichkeit, die dem französischen Präsidenten durchaus bliebe. Auch ein Präsident mit unterirdischen Beliebtheitswerten kann nicht abgesetzt werden. Möglich ist nur ein vorzeitiger Rücktritt, aber das entspricht nicht der politischen Kultur der USA. Im parlamentarischen System dagegen muss ein unpopulärer Regierungschef immer damit rechnen, durch einen Ersatzmann aus der eigenen Partei ersetzt werden (wie Thatcher durch Major oder Blair durch Brown), umgekehrt aber kann ein populärer Regierungschef seine Fraktion wieder auf Linie bringen. Das Mobbingpotenzial im deutschen Parlamentarismus ist erheblich, in anderen Berufszweigen würde man in solchen Fällen wohl Verfahren einleiten. Eine Fraktionsdisziplin ist allerdings nicht ohne Sinn; sie gibt dem Wähler ein Mindestmaß an Verlässlichkeit zum Abstimmungsverhalten. Das Fehlen derselben trägt zum diffusen Bild des US-Kongresses bei, zu dessen schwacher Programmfunktion. Die Orientierungen an der Parteilinie haben in den letzten Jahren zwar zugenommen, aber der Unterscheid zu Europa bleibt groß. Die Lobbyisten wenden sich deshalb direkt an die Abgeordneten im Wahlkreis, weil dort der Druck viel höher ist (nebenbei bemerkt ist „Lobbyist“ in Amerika kein Schimpfwort). Mavericks (notorische Abweichler) übernehmen ihre Rolle oft aufgrund von besonderer Bedingungen im Wahlkreis, wenn sie dort Geschmack dafür finden. Im US-System gibt es deswegen mehr Toleranz für das individuelle „Aus-der-Reihe-tanzen“. In den europäischen parlamentarischen Systemen ist die jeweilige Absetzbarkeit der Regierung das wichtigste Mittel der Kontrolle der Regierung durch das Parlament. „Kontrolle“ ist dabei nicht wörtlich zu nehmen, weil alles stets an der Absetzungsmöglichkeit der Regierung durch das Parlament hängt – was uns zum impeachment führt.

Das impeachment stellt kein Äquivalent zum Misstrauensvotum dar, es geht allein um die Rechtmäßigkeit der Handlungen des Präsidenten, also ob er sich einer strafbaren Handlung schuldig gemacht hat. Deswegen nimmt ein impeachment eher die Gestalt eines juristischen als eines politischen Verfahrens dar. Natürlich vermischt sich beides, wie man in den beiden einzigen Fällen sehen kann, in denen es jemals angewendet worden ist. Besonders im Fall Clinton stellt sich die Frage, ob das impeachment nicht überbewertet wurde. Die Tatsache, dass es trotz der republikanischen Dominanz in Senat und Kongress scheiterte, beantwortet diese Frage aber; auch das andere impeachment scheiterte. Nixon wäre eventuell enthoben worden, kam der Anklage aber durch Rücktritt zuvor. Nur bei treason, bribery or other high crimes and misdemeanor kann das impeachment angewendet werden. Trotz der starken Auslegbarkeit dieser Formulierung wurde es bisher fast nicht angewandt. Dies lässt sich für die Zukunft zwar nicht ausschließen, aber bislang schon. Die Anklage erhebt das Repräsenatenhaus mit absoluter Mehrheit. Conviction (Verurteilung) nimmt der Senat mit Zwei-Drittel-Mehrheit vor, wird diese nicht erreicht, ist es automatisch ein Freispruch. 1866 wurde Johnson, Lincolns Vizepräsident, angeklagt, der die Aussöhnung mit dem besiegten Süden suchte. Damals galt das Gesetz, dass der Präsident niemanden entlassen dürfe, der vom Kongress bestätigt worden war. Johnson hielt das für verfassungswidrig (was 1926 vom Surpreme Court auch so bestätigt wurde) und beachtete das Gesetz nicht, was zum Anlass für das impeachment genommen wurde, das an einer Stimme scheiterte.

Checks and Balances. Nicht im Zustandekommen sind Exekutive und Legislativen aufeinander angewiesen, aber in der Regierung und beim Ernennen von Personal. Die vielzitierten Checks and Balances sind der berühmte „Sand im Getriebe“ des US-Systems. Dazu gehört beispielsweise, dass der Vizepräsident an den Sitzungen teilnehmen und diese sogar leiten darf. Im Falle eines Patts – und nur dann – darf der Vizepräsident außerdem mitabstimmen. Zeichnet sich kein Patt ab, taucht der Vizepräsident erst gar nicht auf, sondern lässt sich vom ältesten Mitglied der Mehrheitsfraktion vertreten. Ein wichtiges Mittel des Präsidenten ist es, gegen Kongressbeschlüsse sein Veto einzulegen. Der Kongress kann allerdings an die Bevölkerung appellieren und den Präsidenten als Blockierer darzustellen, was die republikanische Mehrheit 1994 bis 2000 gegen Clinton versuchte, der jedoch die Wählersympathie gewinnen konnte und so den Kongress häufig zum Kompromiss zwang. Dies wurde natürlich von der eigenen Basis als Vorwurf gebraucht, weil Clintons Politik dadurch zentristischer war als es dieser lieb war. Gegen eine eigene Kongressmehrheit das Veto zu gebrauchen ist allerdings tödlich für einen Präsidenten, so dass Obama in seinem united government kaum das Veto gebrauchen kann. Dieses Veto kann binnen zehn Tage, Sonntage nicht mitgerechnet, gegen jedes Gesetz des Kongresses eingelegt werden. Dieses kann nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit in beiden Kammern overridden werden. Am häufigsten - 635 mal – legte Roosevelt ein Veto ein. Mit seinen beiden Nachfolgern wurden insgesamt 1066 eingelegt, von denen nur 23 aufgehoben wurden. Alle Nachfolger seit Eisenhower setzten das Veto nur über 300 mal ein – zusammen. Der Anteil der overridden Vetos stieg auf 12,6%. Durch das phillybustering können Gesetze solange verzögert werden, dass ein neuer Präsident ein Veto einlegen kann (pocket veto). Dieses Veto bezieht sich immer auf das gesamte Gesetz. Deswegen packt der Kongress gerne populäre Dinge mit unpopulären zusammen, um die Hürde für das Veto zu erhöhen. Das line-item-veto wurde immer wieder einzubringen versucht, damit der Präsident gegen bestimmte Zeilen sein Veto einlegen; dies aber wurde vom Surpreme Court für verfassungswidrig erklärt.

Die Mitarbeiter des Präsidenten sind allein dem Präsidenten, nicht dem Parlament verantwortlich. Aber auch hier gibt es Checks and Balances. Die europäische Idee eines Ministers als primus inter pares ist den USA fremd. Der Präsident ist die Exekutive, er ernennt die Leute, mit denen er zusammenarbeiten will. Institutionalisierter Tadel und ähnliches ist im US-System nicht vorgehen. Um Handeln zu können, benötigen die Mitarbeiter des Präsidenten aber grünes Licht des Kongresses z.B. beim Budget und halten deswegen Kontakt zu den Ausschüssen (wie dem committee of finance). Das Kabinett im Sinne eines Gremiums gibt es in den USA auch nicht; die jeweiligen Mitarbeiter des Präsidenten bzw. Mitarbeiter müssen nicht mit anderen Personen wie dem secretary of state oder dem general attorney zusammenarbeiten. Sie benötigen aber die Zustimmung des Senats. Für niedrigrangige Mitarbeiter kann der Senat dies weiter an den Präsidenten oder Behörden abgeben; höhere Beamte müssen aber durch den Senat. Es gilt als Höflichkeit, auch „feindliche“ Ernennungen durchzulassen. Zuerst wurde das für den Verteidigungsminister George Bushs gebrochen; George W. Bushs Arbeitsministerin musste ihre Ernennung wegen einer Affäre zurückziehen. Insgesamt wurde die Zustimmung bisher siebenmal verweigert, immer wegen strafrechtlichen Dingen, nie wegen politischen.

Schwieriger stellt sich die Benennung der Richter des Surpreme Courts dar, weil sie auf Lebenszeit ernannt werden. Der Präsident ernennt Nachfolger bei Tod. Ebenfalls schwierig werden kann die Ratifizierung von internationalen Verträgen; der von der Carter-Regierung geschlossene SALT-II wurde nie ratifiziert, trotzdem hielten sich sowohl die Carter- als auch die erste Reagan-Administration daran. Die Wahrscheinlichkeit für eine Nicht-Ratifizierung ist relativ hoch, da eine Zwei-Dritte-Mehrheit im Senat erforderlich ist. Deswegen halten sich die meisten Regierungen einfach bei Nicht-Ratifizierung trotzdem daran, wenn sie dies wollen.

Obwohl der Präsident als „Chief Legislator“ benannt wird, ist seine Anwesenheit im Kongress nicht vorgesehen. In der BRD sind Minister und Regierungschef im Parlament vertreten, können Reden hören und kommentieren. Minister können außerdem selbst Reden halten, selbst wenn sie kein Abgeordnetenmandat innehaben. In den USA wäre so etwas völlig undenkbar. Es gibt nur eine Ausnahme, die state of the union adress des Präsidenten, die einmal jährlich stattfindet. Dabei erstattet der Präsident beiden Häusern Bericht, was seltsamerweise immer in frenetischem Beifall endet. Das gehört zur Höflichkeit des politischen Prozesses in den USA.

Schleichend hat sich der Präsident allerdings zum Chief Legislator, dem wichtigsten Gesetzesmacher, gemausert. Die meisten Gesetze des Kongresses stammen inzwischen aus der Präsidialbürokratie. Offiziell eingebracht werden müssen die Entwürfe dieser Bürokratie aber immer noch von Senatoren oder Abgeordneten. Hier muss also im Gegensatz zu Europa, wo die Regierung Gesetze einbringt, der Präsident ständig Leute im Kongress werben, wofür er eigene Stäbe beschäftigt.

Der Speaker of Congress hat erhebliche Macht. Er kann die Tagesordnung organisieren, hat Mitspracherechte bei der Bestellung bestimmter Ausschüsse und Mitglieder zur Ordnung rufen. Der Speaker wird besonders beim divided government zur wichtigen Figur, wie Nancy Palosi für die Demokraten. Der Sprecher der Mehrheit (majority leader) hat weniger wichtige Funktion inne, noch weniger hat der minority leader zu sagen. Beide versuchen hauptsächlich, Fraktionsdisziplin durchsetzen und sind mal mehr, mal weniger erfolgreich. Die Häuser haben informelle Clubs und Foren in dreistelliger Zahl. Diese informellen Gruppen können rasch gebildet und wieder aufgelöst werden und können große Macht entwickeln, wie etwa die Gruppe der demokratischen Konservativen, die immer wieder Mehrheiten für Reagan beschafften. In Deutschland ist so etwas weniger verbreitet, weil die Fraktionslinie wichtiger ist, entscheiden doch letztlich die Parteien, wer in den Bundestag einzieht, und weniger die Wähler des Wahlkreises.

Das US-Parlament ist eine Mischung aus Rede- und Arbeitsparlament. Es gibt intensive Ausschussarbeit, aber debattiert wird trotzdem 800-1200 Debattenstunden pro Jahr im Repräsentantenhaus, über 1000 der Senat (der Bundestag schafft trotz mehr Abgeordneter nur rund 430 Debattenstunden/Jahr). 90% der Ausschüsse sind heute öffentlich und werden größtenteils im Fernsehen übertragen. 19 von 20 Gesetzentwürfen passieren erst gar nicht die Ausschüsse. Da wesentlich mehr Entwürfe eingebracht werden als bearbeitbar sind kommt ein Ignorieren eines solchen einer Ablehnung gleich. Damit sind die Einbringer häufig glücklich, weil sie nie ernst gemeint waren und nur der Befriedigung der Interessengruppen dienen, quasi als Ventil für den ständigen Lobbyismus im System. Der Ausschuss kann mehrheitlich Änderungen vornehmen, nachdem ihm der bill, der Gesetzesentwurf, zugeleitet wurde. Der Ausschuss kann dabei praktisch alles verändern. Ständige Ausschüsse (standing committees) können in Zahl variieren, die wichtigsten sind aber stets dieselben (Finanzen, Verkehr, Verteidigung, Arbeit, ….). Gleiches gilt für den Senat. Dazu kommt eine Reihe joint committees, also gemeinsamer Ausschüsse beider Häuser. Für Ausschüsse können Experten geladen werden, die für oder gegen einen Gesetzesentwurf Stellung nehmen. Seit 1973 sind alle Ausschüsse öffentlich, es sei denn, der Ausschluss beschließt eine Nicht-Öffentlichkeit (nur 10% der Fälle). Die Vorsitzenden (chairman) werden nach dem Senioritätsprinzip besetzt. Diese haben enorme Erfahrungen und besitzen ein ganzes Repertoire an Tricks, um ihre favorisierten Versionen durchzubringen. Ihre Taktiken halten sie dabei so geheim wie Cocktailmixer. Meist vertritt auch der chairman den Gesetzesentwurf im Plenum. Daran hat sich jedoch in jüngster Vergangenheit einiges geändert; 1995 haben die Republikaner die chairmen geschwächt und die Zahl der Ausschüsse drastisch reduziert. Nur noch drei Legislaturperioden kann ein Ausschussvorsitz innegehabt werden, und auch das Senioritätsprinzip wurde durchbrochen. Damit wollten die jungen, radikalen Republikaner ihre älteren, liberalen Vorsitzenden loswerden. Damit taten sie ironischerweise den linken Demokraten einen Gefallen, weil die demokratischen chairmen meist alt waren und aus dixyland kamen, also aus dem bürgerrechtlich unberührten Süden. Das macht es möglich, dass die Kongressmehrheit aktivistischer und linker sein, als dies dem Zentristen Obama lieb sein dürfte. „Links“ ist natürlich hier europäisch besetzt, die Amerikaner würden „liberal“ sagen. Die Ausschüsse sind zwar entmachtet, wichtig aber bleiben die conference committees die dafür zuständig sind, die in einer Kammer durchgefallenen Entwürfe zu versöhnen (da ein Gesetzentwurf durch beide Kammern muss). Da aber selbst wortgleiche Anträge durch den meandernden Prozess der Ausschüsse stark verändert werden, braucht es eine endgültige Angleichung. Ein Wort wie Merkels „Durchregieren“ würde in den USA auf einhellige Ablehnung stoßen. Nachdem ein Entwurf durch das conference committee ging, können die Häuser aber nur noch zustimmen oder ablehnen und nicht mehr ändern.

Man muss sich immer wieder klar machen, dass VolksVERTRETER regieren, nicht das Volk. Deswegen spiegelt der Kongress nicht exakt die soziale Zusammensetzung des Volkes dar, wie dies auch für alle anderen Parlamente der Welt zutrifft. In den USA dominieren die Anwälte und business men (79 von 100 Senatoren und 322 von 435 Abgeordneten). Der Anteil der Frauen lag 2000-2004 mit 59 von 435 Abgeordneten und 19 von 100 im Senat äußerst niedrig. In der vergangenen Legislaturperiode gab es genau einen African American, nämlich Obama.


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