Sonntag, 27. September 2009

Counter-Strike, mal wieder

Irgendwie muss man dem Wahlkampf wohl dankbar sein, andernfalls wäre mir dieses Kleinod entgangen. Auf einer Wahlkampfveranstaltung hat Günter Beckstein gesagt, Counter-Strike sei von der US-Army entwickelt worden, um die Gewaltschwelle bei Soldaten herabzusetzen. Solche Spiele gehörten nicht nur zensiert, sondern auch verboten. Prinzipiell ne gute Idee, erst zensieren und dann verbieten, dann kann man gleich doppelt so viele Leute in der neu zu schaffenden Bürokratie beschäftigen. Aber Spaß beiseite.
Beckstein bezieht sich mit seiner völlig abstrusen Aussage (Counter-Strike wurde als Mod für das Spiel Half-Life entwickelt, beide meines Wissens nach ohne Beteiligung der US-Armee) auf den Kölner Aufruf gegen Computerspielgewalt, den er aber offensichtlich nicht richtig gelesen hat, denn darin wird die US-Army-These zwar auch vertreten, aber nur allgemein mit "Killerspielen" in Verbindung gebracht. Um was geht es aber in diesem Aufruf (worum es Beckstein geht ist klar: mit Law&Order-Attitüde im konservativ-denkfaulen Milieu noch Stimmen haschen)? Die Initiatoren, deren Liste sich beeindruckend lang zu lesen scheint, stellen mehrere Behauptungen "Killerspiele" betreffend auf, die, sagen wir, unzureichend reflektiert sind.
1) "Killerspiele" verrohen Kinder und machen sie kaputt.
2) "Killerspiele" trainieren das professionelle Töten
3) "Killerspiele" dienen dazu, die Hemmschwelle herunterzusetzen
4) "Killerspiele" trainieren für den Krieg
5) "Killerspiele" sind von der Wissenschaft ausreichend untersucht worden und es gibt einen klaren Konsens gegen sie
6) "Killerspiele" werden von der Politik mit "unseren" Steuergeldern verharmlost
Daran schließen sich einige Forderungen an, hauptsächlich das totale Verbot der "Killerspiele" und die Gleichschaltung aller staatlichen Stellen mit der obigen Linie.
Der Aufruf ist in sich wahnsinnig plump und arbeitet mit sehr brachialen Manipulationsmethoden. So wird immer wieder darauf verwiesen, dass alle Behauptungen wissenschaftlich erwiesen seien und dass es einen Generalkonsens in der Wissenschaft darüber gäbe, um ihm direkt folgenden Satz zu erklären "Wissenschaftler, die dies leugnen, machen sich zu Komplizen und sind Profiteure des militärisch-industriellmedialen Komplexes, denn deren Institute erhalten umfangreiche finanzielle Unterstützung der Games-Industrie". Auf diese Art wird ein klares Feindbild aufgebaut: die "Games-Industrie" und ihre samt und sonders gekauften Lakaien als mächtiger Moloch, der auch noch die ehrenwerte BpB vereinnahmt hat, der man die Augen öffnen müsse. Ein weiteres Feindbild, dessen man sich bedient, ist die "US-Army", die angeblich die Fäden in der Hand hält und die Jugendlichen für den Krieg trainieren will:
"Killerspiele entstammen den professionellen Trainingsprogrammen der US-Armee, mit denen Schusstechnik, Zielgenauigkeit und direktes Reagieren auf auftauchende Gegner trainiert werden: Die Soldaten werden desensibilisiert und fürs Töten konditioniert, die Tötungshemmung wird abgebaut. Genauso werden durch Killerspiele Kindern und Jugendlichen Spezialkenntnisse über Waffen und militärische Taktik vermittelt, denn diese sogenannten „Spiele“ sind in Wirklichkeit Simulationen der Kriegsrealität". Wer jemals einen 3D-Shooter gespielt hat weiß, wie lächerlich diese Idee ist. Mit der Maus und WASD-Steuerung Schießen lernen zu wollen ist wie bei einem Gameboy-Rennspiel Fahren lernen zu wollen.
An solchen Lächerlichkeiten ist die Debatte voll. Glücklicherweise ist die CSU derzeit die einzige Partei, die immer noch auf ein Verbot pocht. Die CDU macht das zwar manchmal auf Wahlkampfveranstaltungen auch, will aber meines Ermessens nach nicht so Ernst machen, vielleicht auch, weil die Community inzwischen zurückschlägt, hier besonders die PC-Games, die zur bayrischen Landtagswahl dazu aufgerufen hat, keine "Spiele-Killer" zu wählen, ein bislang einzigartiger Vorgang in diesem Milieu.

Wer sich jetzt fragt, wie ich mich ausgerechnet am Wahlabend der Schicksalswahl mit solchen Themen beschäftigen kann: über die Wahl diskutiert wird beim Spiegelfechter in einem offenen Post. Vielleicht sehen wir uns da ja noch heute abend!

7 Kommentare:

  1. Es gibt tatsächlich ein Spiel, das von der US Army als "Rekrutierungsspiel" entwickelt wurde, nämlich America's Army, und das basiert auf dem Prinzip von CS.

    Nur zur Info ;)

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  2. Oh, das ist mir durchaus bewusst. Bezeichnenderweise wird es in dem Aufruf aber mit keinem Wort erwähnt.

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  3. Beckstein hat 2008 auch schon gefordert, dass der Besitz von "Killerspielen" mit dem selben Strafmaß belegt werden muss, wie der Besitz von Kinderpornographie, um ein deutliches Signal auszusenden.

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  4. Ich stimme Dir der unrechtmäßigen Politisierung der "Killerspiele" vollkommen zu!

    Dennoch sollte beachtet werden, WARUM solche Spiele so oft und gerne gespielt werden? Vielen geht es eben nicht nur um Spass oder Unterhaltung, sondern auch darum, sich virtuell groß und stark zu fühlen, weil sie es im echten Leben vielleicht nicht sind? Sich wie Verlierer fühlen?

    Viele scheinen voller Resignation und Realitätsflucht zu sein (Beispiel: World of Warcraft). Hier anzusetzen und die Jugend gezielter zu fördern und ihnen mehr Hoffnung zu geben, wäre Politik mit Langzeitwirkung, statt Alibi-Politik, indem man "Killerspiele" verbietet.

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  5. Halte ich für Unsinn. Die Leute spielen solche Spiele aus dem gleichen Grund warum sie Fußball spielen - Zeitvertreib. Zumindest ist das mein Antrieb.

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  6. Die CSU hat ja zum Glück (für ihre Verhältnisse) ein weiteres mal versagt und das ist auch gut so. Das schlimmste an dieser Debatte sind sicherlich diese angeblichen "wissenschaftlichen" Beweise und die von vielen einfach hingenommene Übertragbarkeit am PC erlernter Fertigkeiten in die Realität.

    Kein Mensch würde einem 16 jährigen der seit 5 Jahren regelmäsig Collin McRae Ralley und Need for Speed spielt den Führerschein verleihen, aber spielt er CounterStrike scheint er bestens zum Töten ausgebildet.

    Und über andere Medien wie z.B. das deutsche Fernsehen (insb. Privatsender) fangen wir nicht zu sprechen an. Wenn wir über systematische Verdummung sprechen, sollte man hier ansetzten.

    Und die PCG Kampagne geht in die richtige Richtung.

    Meines Erachtens nach hilft hier nur:
    Klarmachen zum Ändern!

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  7. Die meisten Vorwürfe sind natürlich hanebüchen. Als passionierter Shooter-Zocker, v.a. CS, habe ich mal einen Test gemacht und bin gegen einen Bundeswehroffizier angetreten. Zuerst haben wir uns virtuell duelliert und zwar mit handgehaltenen Laserpistolen, mit denen man auf eine Projektionswand zielen und schießen konnte. Hier war ich ihm haushoch überlegen, obwohl ich derlei nie vorher getan hatte, er zumindest hin und wieder. Insofern scheinen Ego-Shooter schon die Hand-Augen-Koordination zu trainieren. Als ich dann aber eine "Waffe" mit Rückstoßsimulation bekam, war der Ofen aus... keine Chance mehr. Ich war Zivi und dass mir das Ding so ins Handgelenk fliegt, hätte ich nicht gedacht. Bei automatischen Waffen ist das ja nochmal um ein vieles ärger. Also wer erzählt, dass Egoshooter für echte Waffen trainieren, hat dick einen an der Klatsche. Hand-Augen-Koordination wird auf jeden Fall trainiert, aber mehr auch nicht.

    Ich denke auch eher, dass es Zeitvertreib ist. Es gibt aber auch genügend Leute, die es betreiben, um Anerkennung zu tanken, die sie reell nicht zugesprochen bekommen. Da sollte und könnte unser Bildungssystem ansetzen. Was WoW angeht: Da gibt es auch sehr viele Studenten und Arbeitslose - für letztere wäre eine bessere Sozialpolitik angebracht, aber das können wir uns nach der heutigen Wahl wohl stecken.

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