Die Sozialdemokratie gleicht derzeit einer Ladung von Passagieren auf einer Fähre, deren Fährmann ertrunken ist und deren Boot bei dichtem Nebel flussabwärts gleitet. Derzeit weiß niemand, wo das Ufer ist, aber alle können das tosende Rauschen des nahenden Wasserfalls hören. Und niemand da, von dem man annimmt, dass er das Ruder ergreifen könnte.
Man muss Müntefering zugute halten, dass er in der Lage war das Aus zu erkennen. Er hat noch am Wahlabend von seinem vermessenen Anspruch Abstand genommen, gleich bei welchem Ergebnis Vorsitzender zu bleiben. Auch Steinbrück ist abgetreten, Matschie in Thüringen nach viel zu langer Hängepartie ebenfalls. Das war fällig und ist ehrenwert von beiden, so viel kann man wenigstens Gutes über sie sagen. Steinmeier agiert nicht ganz so glücklich. Immerhin hat er nun am heutigen Tage den Parteivorsitz, den die Parteirechte ihm angeboten hat ausgeschlagen, in der richtigen Einsicht, nicht der richtige Mann dafür zu sein. Am Fraktionsvorsitz will er noch festhalten, aus einer falschen Einsicht. Ich glaube er stellt sich einen Fraktionsvorsitz vor, wie ihn Peter Struck gemacht hat. Moderierend und unauffällig, ganz nach Steinmeiers Geschmack. Dafür wäre er wahrscheinlich sogar geeignet. Nur dummerweise ist die SPD jetzt keine Regierungspartei mehr, sondern Oppositionspartei, mit dem Anspruch der Oppositionsführerschaft. Das ist etwas, was Steinmeier nicht leisten kann.
Seine Person ist mit der auf ganzer Linie gescheiterten Agenda-SPD verknüpft. Er ist ihr Konstrukteur, der Schaffer der Reformen, langjähriger Weggefährte Schröders, Erfüllungsgehilfe Merkels, Putschist gegen Beck. Kaum der richtige Mann, um die SPD in ein Bündnis mit LINKEr und Grünen zu führen. Er ist rhetorisch unbegabt und steht für die falschen Inhalte. Er sollte abtreten, solange er es noch aus freien Stücken kann - oder er wird seinerseits das Schicksal Becks teilen, der ebenfalls wartete, bis man ihn hinterrücks meuchelte. Steinmeier sollte sehen, wer genau ihm gerade Mut zuspricht - aus der Richtung hat er am meisten zu befürchten.
Aber weg von Steinmeier. Dessen Tage sind meiner Meinung nach gezählt. Wer wird wohl SPD-Parteivorsitzender werden? Ein Name beherrscht seit heute die Debatte: Sigmar Gabriel, Siggi-Pop also. Heribert Prantl bezeichnet ihn als ungeeignet, sieht in ihm den besseren Fraktionschef und in Steinmeier den besseren Parteichef. Das halte ich für einen Trugschluss. Der neue Parteichef muss ein Scharfmacher sein, ein unverbrauchtes Gesicht, das Merkel und Westerwelle frontal attackieren kann, das die SPD zu Begeisterungsstürmen hinreißt und auch die Grünen und die LINKE zum Klatschen bringt. Steinmeier kann das nicht leisten. Die SPD braucht jemand mit Visionen, und das ist Steinmeier nicht.
Gabriel aber auch nicht. Wenn er welche hat, dann hält er sie meisterhaft geheim, aber das ist eher unwahrscheinlich. Deswegen müssen wir ihm unterstellen, er habe keine. Die SPD hat Zeit bis November, einen geeigneten Kandidaten für das Amt zu finden, das zur Zeit einer der größten Schleudersitze der Politik ist. Ich fürchte, das Amt wird genau aus dem Grund bei Gabriel hängenbleiben. Die Frage beiseitegestellt, ob Nahles eine geeignete Kandidatin wäre, sie will nicht. Gleiches gilt für Wowereit. Sie haben viel zu verlieren und wollen nicht verbrannt werden. Gabriel ist gerade wegen seiner Beliebigkeit vielleicht nicht einmal der schlechteste Kandidat für den Job. Der SPD mangelt es an Alternativen; die Stones und Müntefering haben sie alle weggemobt. Ich sehe den derzeitigen Versuch einiger Kreise der Hessen-SPD, Ypsilanti zu rehabilitieren durchaus positiv. Die Frau könnte glaubhaft ein neues Linksbündnis verkörpern. Sie als Vorsitzende wäre natürlich ein sehr gewagter Stunt, der auch kaum realistisch ist, aber im Endeffekt braucht die SPD ein Gesicht wie sie und nicht noch einen Langweiler oder Opportunisten vom Schlage Steinmeiers oder Gabriels. Letzterer ist aber wohl das beste Geschütz, das die SPD zur Zeit aufwarten kann.
Links:
SpOn - Genossen wollen wichtigere Rolle für Ypsilanti
Welt - Für und wider Oppositionsführer Steinmeier
SpOn - Machtkampf um Fraktionsvorsitz gefährdet Parteiführung
Weißgarnix - Ein ehrenwerter Mann
SZ - Bittere Debatten
SZ - Partei in der Finsternis (Heribert Prantl)
SZ - Koalitionsverhandlungen in Thüringen
TP - Aufstand der Linken in der SPD?
Freitag - Hier ist Rhodos!
FR - Retten was zu retten ist
Stern - "Wir sind jetzt die Schmuddelkinder"
Stern - Eine Fehlentscheidung namens Steinmeier
Man muss Müntefering zugute halten, dass er in der Lage war das Aus zu erkennen. Er hat noch am Wahlabend von seinem vermessenen Anspruch Abstand genommen, gleich bei welchem Ergebnis Vorsitzender zu bleiben. Auch Steinbrück ist abgetreten, Matschie in Thüringen nach viel zu langer Hängepartie ebenfalls. Das war fällig und ist ehrenwert von beiden, so viel kann man wenigstens Gutes über sie sagen. Steinmeier agiert nicht ganz so glücklich. Immerhin hat er nun am heutigen Tage den Parteivorsitz, den die Parteirechte ihm angeboten hat ausgeschlagen, in der richtigen Einsicht, nicht der richtige Mann dafür zu sein. Am Fraktionsvorsitz will er noch festhalten, aus einer falschen Einsicht. Ich glaube er stellt sich einen Fraktionsvorsitz vor, wie ihn Peter Struck gemacht hat. Moderierend und unauffällig, ganz nach Steinmeiers Geschmack. Dafür wäre er wahrscheinlich sogar geeignet. Nur dummerweise ist die SPD jetzt keine Regierungspartei mehr, sondern Oppositionspartei, mit dem Anspruch der Oppositionsführerschaft. Das ist etwas, was Steinmeier nicht leisten kann.
Seine Person ist mit der auf ganzer Linie gescheiterten Agenda-SPD verknüpft. Er ist ihr Konstrukteur, der Schaffer der Reformen, langjähriger Weggefährte Schröders, Erfüllungsgehilfe Merkels, Putschist gegen Beck. Kaum der richtige Mann, um die SPD in ein Bündnis mit LINKEr und Grünen zu führen. Er ist rhetorisch unbegabt und steht für die falschen Inhalte. Er sollte abtreten, solange er es noch aus freien Stücken kann - oder er wird seinerseits das Schicksal Becks teilen, der ebenfalls wartete, bis man ihn hinterrücks meuchelte. Steinmeier sollte sehen, wer genau ihm gerade Mut zuspricht - aus der Richtung hat er am meisten zu befürchten.
Aber weg von Steinmeier. Dessen Tage sind meiner Meinung nach gezählt. Wer wird wohl SPD-Parteivorsitzender werden? Ein Name beherrscht seit heute die Debatte: Sigmar Gabriel, Siggi-Pop also. Heribert Prantl bezeichnet ihn als ungeeignet, sieht in ihm den besseren Fraktionschef und in Steinmeier den besseren Parteichef. Das halte ich für einen Trugschluss. Der neue Parteichef muss ein Scharfmacher sein, ein unverbrauchtes Gesicht, das Merkel und Westerwelle frontal attackieren kann, das die SPD zu Begeisterungsstürmen hinreißt und auch die Grünen und die LINKE zum Klatschen bringt. Steinmeier kann das nicht leisten. Die SPD braucht jemand mit Visionen, und das ist Steinmeier nicht.
Gabriel aber auch nicht. Wenn er welche hat, dann hält er sie meisterhaft geheim, aber das ist eher unwahrscheinlich. Deswegen müssen wir ihm unterstellen, er habe keine. Die SPD hat Zeit bis November, einen geeigneten Kandidaten für das Amt zu finden, das zur Zeit einer der größten Schleudersitze der Politik ist. Ich fürchte, das Amt wird genau aus dem Grund bei Gabriel hängenbleiben. Die Frage beiseitegestellt, ob Nahles eine geeignete Kandidatin wäre, sie will nicht. Gleiches gilt für Wowereit. Sie haben viel zu verlieren und wollen nicht verbrannt werden. Gabriel ist gerade wegen seiner Beliebigkeit vielleicht nicht einmal der schlechteste Kandidat für den Job. Der SPD mangelt es an Alternativen; die Stones und Müntefering haben sie alle weggemobt. Ich sehe den derzeitigen Versuch einiger Kreise der Hessen-SPD, Ypsilanti zu rehabilitieren durchaus positiv. Die Frau könnte glaubhaft ein neues Linksbündnis verkörpern. Sie als Vorsitzende wäre natürlich ein sehr gewagter Stunt, der auch kaum realistisch ist, aber im Endeffekt braucht die SPD ein Gesicht wie sie und nicht noch einen Langweiler oder Opportunisten vom Schlage Steinmeiers oder Gabriels. Letzterer ist aber wohl das beste Geschütz, das die SPD zur Zeit aufwarten kann.
Links:
SpOn - Genossen wollen wichtigere Rolle für Ypsilanti
Welt - Für und wider Oppositionsführer Steinmeier
SpOn - Machtkampf um Fraktionsvorsitz gefährdet Parteiführung
Weißgarnix - Ein ehrenwerter Mann
SZ - Bittere Debatten
SZ - Partei in der Finsternis (Heribert Prantl)
SZ - Koalitionsverhandlungen in Thüringen
TP - Aufstand der Linken in der SPD?
Freitag - Hier ist Rhodos!
FR - Retten was zu retten ist
Stern - "Wir sind jetzt die Schmuddelkinder"
Stern - Eine Fehlentscheidung namens Steinmeier
Was Frau Ypsilanti angeht, das halte ich zwar für ziemlich aussichtslos, aber es wäre das einzige, was der SPD tatsächlich helfen würde - ein kompletter Neuanfang. Ich glaube da nur nicht wirklich dran - schon, weil die meisten SPD-Mitglieder viel zu viel Angst vor der BILD-Zeitung (um nur ein Beispiel zu nehmen) haben.
AntwortenLöschenHehe, genau unter dem selben Titel habe ich gestern auch gepostet. Das scheint wohl einige zu bewegen... und da tut sich auch grade eine Menge, man kommt mit den Meldungen fast nicht mehr mit.
AntwortenLöschenIch denke, mit Gabriel liegst du ganz richtig. Den halte ich auf für den aussichtsreichsten Kandidaten - und im Ggs. zu dir auch weitgehend geeignet. Der war der einzige, der im Wahlkampf gesagt hat, was Sache ist. Er ist allerdings kein unverbrauchtes Gesicht, könnte passieren, dass auch er weggeschwemmt wird. Wowereit ist weder im eigenen Lager noch sonstwo beliebt (vllt abgesehen von Berlin) und Nahles halte ich für profillos. Aber viele andere Alternativen gibt es wohl nicht... insofern darf man gespannt sein.
Steinbrück sit sicher gegangen, um seine neue Position die ihm Frau Merkel versprochen hat anzutreten. Bei den anderen wird es wahrscheinlich ähnlich sein. Jetzt ein trauriger Abgang, damit es hinterher so aussieht als sei die nachträglich Bestechung gerechtfertigt.
AntwortenLöschenSie haben wahrscheinlich Recht "endless.good.news", mal schauen wo die Protagonisten des Untergangs der SPD jetzt landen. Schröder ist ja schon durchs Terminal, Clements macht es ein bissle versteckter....wobei, wo ist eigentlich Eichel? Der müsste doch in mindestens 10 Aufsichtsräten der Finanzindustrie sitzen.
AntwortenLöschenVon Nahles halte ich im übrigen nichts, auch die Idee Ypsilanti auf den Posten zu hiefen sehe ich nicht, auch wenn ich das durchaus gutheißen würde. Nahles ist irgendwie zu opportunistisch, ok für Politiker ja doch eher ein benötigter Charakterzug, und Frau Ypsilanti wurde zu gut zerstört. Wenn ich nicht davon ausgehen würde, dass die nächsten 2 bis 3 SPD-Vorsitzenden abgeschossen werden und deren politische Karriere beendet wird, wäre ich ja für Franziska Drohsel. Das wäre ein Neuanfang!
Glawen
PS von Gabriel halte ich im übrigen auch nichts, von den Netzwerkern hatte wir in letzter Zeit genug. Aber was sag ich, aus den Gründen bin ich ja eh schon bei der Linken gelandet. Kann mir ja eigentlich egal sein was die machen.
Das personelle Problem der SPD ist vermutlich nicht ihr größtes. Wie soll die SPD überhaupt glaubwürdig eine bessere Politik vertreten? Indem jetzt plötzlich alle Sozis die Agenda 2010 verdammen? Ob das ankommt, wage ich - völlig unabhängig von den Personen - zu bezweifeln. Da müssten die Wähler ja schön blöd sein.
AntwortenLöschenAndererseits wird das Wahlvolk vermutlich schnell die Nase von Schwarz-Gelb gestrichen voll haben. Wenn die wirklich machen, was sie seit Jahren verkünden, sehe ich schlimme Zeiten auf uns zukommen. Nach der NRW-Wahl im nächsten Jahr könnte dann die schwarz-gelbe Bundesratsmehrheit schon wieder weg sein.