Dienstag, 12. September 2006

Primat der Wirtschaft

Auf Wunsch des Oeffinger Freischwimmers gebe ich heute meinen Senf zu einem Artikel im SpiegelOnline Wirtschaftsteil ab.

In Kurzzusammenfassung: der Artikel, Auszug aus einem gerade erscheinenden Buch, beschreibt die moderne, umgekrempelte und globalisierte Wirtschaftswelt, in der die Arbeiter und Kapitalisten weltweit in Konkurrenz zueinander treten.
Der Autor schreibt begeistert über den Lohnverfall des Westens durch die Konkurrenz im Osten, den er gemeinsam mit der grotesken Mobilität der Kapitalisten als die Kennzeichnung schlechthin unserers Zeitalters ansieht und die in seiner Beschreibung geradezu gottgleichen Gültigkeitsstatus erhalten. Mit unvergleichlichem Zynismus wird das folgende Bonmot eingebracht:
"Durch das zusätzliche Milliardenangebot an Arbeitswilligen ist etwas in Gang gekommen, das bald schon mit großer Wucht auch den Mittelbau der westlichen Gesellschaften verändern wird: Die Löhne und damit auch die Lebensstandards der einfachen Arbeiter bewegen sich aufeinander zu. Ausgerechnet das Kapital sorgt dafür, dass die alte linke Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit nun weltweit durchgesetzt wird."
Nicht, dass die Forderung des gleichen Lohns für gleiche Arbeit sich auf etwas bezogen hätte, das aus dem Wortschatz dieser Art bereits längst verschwunden ist: Gerechtigkeit. Denn in Zeiten eines beispiellosen Wirtschaftswachstums, der beispiellos steigenden Unternehmergewinne und der wachsenden Prosperität sinkt der Lebensstandard im Westen beachtlich und steigt der im Osten bei weitem nicht so an, wie er könnte. Begründet, ja, gerechtfertigt, wird das mit dem geheiligten Egoismus der Marktwirtschaft. Als ob der Arbeiter kein Mensch, sondern nur eine Ressource unter vielen sei und sich einfach dem Primat der Wirtschaft zu beugen habe. Geschlossen wird der Artikel:
"Die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse steigt weiter an, trotz Internet und Robotereinsatz. Nur die Verteilung der Arbeit hat sich im Zuge des Weltarbeitsmarkts entscheidend verändert. Der Ort ihres Wirkens interessiert nur noch den, der vergeblich seine Arbeitskraft anbietet und nun den Kürzeren zieht. Der Arbeitsmarkt wurde entgrenzt, derweil der westliche Arbeiter auf seiner Scholle kleben blieb."
Die Schlussfolgerung wird offen gelassen. Soll der Metallarbeiter nun nach China pendeln? Wie pblich werden hochtrabende Phrasen unter völligem Ausschluss der Menschen in den Raum geworfen, ein Hochlied auf die Moderne gesungen und der Aufstieg aus früheren Zeiten bejubelt. Menschen kommen hier allenfalls als marginalisierter Randkostenfaktor vor.

6 Kommentare:

  1. Bevor du mal wieder gegen alles wetterst was nicht links vom Strich ist solltest du vielleicht mal eine etwas differenziertere Herangehensweise vorziehen. Der Artikel beschreibt in einigen Abschnitten sehr treffend heutige Probleme.
    Das größte Problem deiner Argumentation ist mMn immer noch folgendes: Gerechtigkeit, Wohlstand der Menschen usw. ist unglaublich wichtig solange es um uns hier geht... aber ist das nicht genau der Egoismus den du so bemängelst. Uns soll es gut gehen, alles andere ist egal?
    Dann wären wir gar nicht so unterschiedlicher Meinung, denn wir wollen das gleiche, nur auf Unterschiedlichen Ebenen (vereinfacht:
    Du: Allen in Deutschland soll es gutgehen, der Rest der Weltist egal.
    Ich: Mir soll es gutgehen, der Rest der Bürger (übertrieben) ist mir egal.

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  2. Im Prinzip meint er es genauso wie du es sagst.

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  3. Aber so wie ich's sag ists egoisitsch und kapitalisitsch und was er sagt ist sozial und fair, wissen wir ja ;).

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  4. Nein, meine Aussage sollte die folgende sein: Es geht nicht um eine Angleichung der Lebensumstände des Westens an den der Schwellen- und Entwicklungsländer, sondern an deren Angleichung an uns. Das ist die Gerechtigkeitsfrage, die hier im Artikel verdreht wird.
    Im Prinzip ist es aber tatsächlich so, dass mir Deutschland wichtiger ist als der Rest. Daraus aber eine komplette "Scheiß egal" Haltung für den Rest der Welt zu folgern ist auch wieder nicht richtig.

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  5. Also, dann bist du aber auch egoistisch, nur auf einem anderen Level. Sage ich ja die ganze Zeit. Ich bin mir auch wichtiger als mir der Rest von Deutschland ist, das heist aber auch nicht das mir alle anderen "Scheiss egal" sind. Trotzdem bin ich ja scheinbar deswegen böse egoistisch marktwirtschaftlich.

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  6. ;-)
    besser hätt ichs au net sagen können

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