Nicht erst seit der Wiederaufnahme der Mannesmann-Prozesse steht die Frage erneut im Raum, welcher Moral sich die Wirtschaft und besonders die Manager zu unterwerfen haben – und ob sie sich überhaupt einer solchen stellen müssen. Die Antwort der Wirtschaft und ihrer Vertreter ist dabei denkbar einfach und läuft auf das ewig junge und doch ebenso überholte Bild vom homo oeconomicus hinaus. Zur Erinnerung: die Idee des homo oeconomicus beinhaltet, dass ein jeder Mensch stets mit allen ihm zur Verfügung stehenden Informationen abwäge und somit die für ihn individuell beste Entscheidung treffe. Handle jeder Mensch so, käme dies letzten Endes der gesamten Menschheit zugute, da keine schädlichen Entscheidungen getroffen würden.
Daraus ergibt sich ganz von selbst die Raffermentalität der Neoliberalen. Jeder schaut, dass er so viel Geld wie nur irgend möglich zusammenbekommt, und der Rest muss sehen, wo er bleibt. Doch leider ist diese Schlussfolgerung so falsch wie die Theorie vom homo oeconomicus an sich. Zuerst zu ersterem:
Es ist eine seltsam verquerte Logik, die an Unternehmen einen moralischen Maßstab anlegt, der jedem Menschen mindestens die soziale Ächtung, wahrscheinlich aber schon eher das Gefängnis einbringen würde. Während Menschen im allgemeinen angehalten sind, sich so zu verhalten, dass sie Gutes tun oder wenigstens ihren Mitmenschen keinen Schaden zufügen – sprich, nicht egoistisch zu handeln -, was Kant in seinem Kategorischen Imperativ mit der allseits bekannten Formel „Handle stets so, dass dein Handeln zur allgemeinen Maxime gemacht werden kann“ umschreibt, tut die Wirtschaft genau das Gegenteil, wie bereits Chomsky richtig erkannt hat: wer hier nicht egoistisch handelt, ist nicht nur ein Idiot oder Bankrotteur, er ist der Antichrist. Nur die Wirtschaft hält sich quasi weltexklusiv vollkommen offen die Moral, sich nur um den Profit zu sorgen. Nur in der Wirtschaft ist es möglich, mit dem vollbringen guter Werke gegen die Moral zu verstoßen. Dieses kranke Selbstbild und die ihm inhärente verquerte Logik hat sich mittlerweile so sehr in den Köpfen der Profiteure dieses Systems festgesetzt, dass diese gar nicht mehr erkennen (wollen?), dass ihr System schändlich ist. Hieraus ergibt sich auch, dass die Wirtschaft eben nicht nach dem Leitbild des homo oeconomicus handelt, sondern diesem genau entgegengesetzt, quasi dem homo egocentricus. Würde nach dem Leitbild des homo oeconomicus gehandelt werden, so würde eine objektive Sammlung der verfügbaren Informationen schnell einige Tatsachen ergeben: die Umwelt wird in immer rapideren Maße zerstört, die natürlichen Ressourcen aufgebraucht, die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer, es gibt immer mehr Kriege. Diese Folgen lassen sich ebenso eindeutig auf die neoliberale Philosophie zurückverfolgen, der zufolge nichts so sehr zählt wie der Profit – und dem hat sich alles unterzuordnen.
Nun zurück zum Leitbild des homo oeconomicus. Ich erwähnte, dass dieser ebenfalls ein falsches Bild sei. Ich beziehe mich im Nachfolgenden auf den renommierten Wirtschaftswissenschaftler Uwe Heuser und sein Buch „Das Unbehagen im Kapitalismus“.
Demzufolge – einer Argumentation, der auch Chomsky folgt – funktioniert das Leitbild des homo oeconomicus hauptsächlich aus zwei Gründen nicht. Der eine Grund ist schnell erklärt und rezipiert wiederum das oben gesagte: da einzig und allein der Profit das bestimmende Merkmal der aktuell herrschenden Moral ist, besteht kein Interesse, objektive Informationen zur Verfügung zu stellen. Die Konsequenz aus dem eben gesagten nennen wir gemeinhin „Werbung“. In der Werbung wird dem Konsumenten alles erzählt, nur nicht die Wahrheit. Wer also nicht mit extremen Aufwand – der selten genug zum erwünschten Ergebnis führt – die Hintergründe recherchiert, wird mit falschen Informationen seine Entscheidung treffen. Soweit Chomsky. Wesentlich tief greifender ist dabei Heuser. Der geht auf die menschlichen Ursachen ein, denn der Mensch will eigentlich gar nicht aus vielen verschiedenen Produkten aussuchen und Informationen objektiv abgleichen. In Wirklichkeit vereinfachen die Menschen soweit wie nur irgend möglich. Sie versuchen, allgemein gültige Regeln aufzustellen (ein anschauliches Beispiel aus der direkten Anwendung der Konsequenz des Gesagten findet sich im Übrigen in dem Buch „Die Billig-Lüge“ von Franz Kotteder, auf den ich hier im Blog bereits hingewiesen habe). Gerade aus diesem Grund funktioniert ja auch Werbung.
Was also sind die Konsequenzen, die man aus dem Gesagten schließen muss? Die derzeit herrschende Moral besonders der Wirtschaft basiert auf falschen Prämissen, die zudem noch wiederum falsch ausgelegt werden. Das Produkt dieses doppelten Fehlers aber ist die katastrophale Entwicklung der Menschheit zu einem Moloch der Effizienz. Dem Primat des Profits wird alles untergeordnet, das Leben selbst dem Primat der Marktwirtschaft untergeordnet (das Wort „Partnermarkt“ ist nur eines von vielen grausamen Beispielen dafür). Die Konsequenzen sind bekannt und bereits oben aufgeführt. Eine Umkehr ist möglich, langsam, langwierig und, wenn auch besonders für die herrschenden Eliten schwer vorstellbar, von unten kommend – basisdemokratisch und vom Volk getragen.
Ich kommentier das nicht mehr lang und breit... nervt so langsam. Ich sag bloß noch eines dazu.
AntwortenLöschenImmer meckern und alles Scheisse finden kann ich auch. Aber alle die rumproleten nehmen die Vorteile die ihnen das System bringt, Sicherheit, Wohlstand, Staat gerne in Anspruch. Keiner möchte mehr so leben wie in der dritten Welt. Aber das könntet ihr Oberkritiker ja mal ausprobieren. Ihr bekommt irgendwo ein Stück Land und darauf könnt ihr euren Unsinn dann ausprobieren. Mal sehen wie lange ihr aushaltet...
Jetzt antwortet mir keiner mehr...
AntwortenLöschenDu verkennst die Lage, mein Freund. Es geht doch gerade um die Inanspruchnahme der staatlichen Leistungen. Natürlich nehmen wir sie gerne in Anspruch, wir verteidigen sie doch auch vehement!
AntwortenLöschenDie von die geäußerte Kritik ist vielmehr bei all den scheinheilig-heuchelnden Neoliberalen anzubringen, die staatliche Leistungen in Millionenhöhe in Anspruch nehmen und für alle anderen ihre Abschaffung fordern. Wir unsererseits wollen eine Ausweitung - für alle.
Ach ja. Und wer soll die Zahlen? Du mit deinem Lehrereinkommen? Die Arbeitslosen? Überleg vielleicht mal vorher wer eure Forderungen finanziert. Das sind die Leute die Geld verdienen und das sehr gut. Alles was ihr immer als so schlecht darstellt ist Grundvoraussetzung für alles andere. Glaubst du ohne eine laufende Wirtschaft und fähige Leute würde ein Sozialstaat finanzierbar sein?
AntwortenLöschenEs wäre vielleicht angebracht diesen Leuten etwas mehr respekt entgegen zu bringen, denn ihr seit auf sie angewiesen, nicht sie auf euch.
Und wie die auf uns angewiesen sind - wir kaufen ihren Scheiß und legen damit die Grundlage ihres Reichtums. Aber ich schweife ab.
AntwortenLöschenEs sind nicht die Reichen, die den Sozialstaat finanzieren - die haben schon immer Steuern hinterzogen und tun das auch weiterhin. Und dass eine gut laufende Wirtschaft Basis ist, ist mir auch klar. Ich frage mich wie ihr immer auf die Idee kommt, wir wöllten eine schlechte Wirtschaft. Finanziert wird der Sozialstaat aus sozialversicherungspflichtigen Jobs. Und an denen fehlt es. Umwandlung von Vollzeit-Jobs in 400-Euro-Jobs, Ein-Euro-Jobs und ähnlicher wirtschaftspolitischer Wahnsinn haben neben der aus den Sozialsystemen finanzierten deutschen Einigung diese Grundlage jedoch vollkommen vernichtet.
Stop. Gleich ein Fehler. Sehr wohl finanzieren die "reichen" den Sozialstaat, denn die obersten 10% tragen über 60% der Steuern bei, von dem her, tun sie das wohl. Zu den Sozialversicherungspflichtigen Jobs kann ich nur sagen. Die Belastung des Faktors Arbeit ist ein Relikt und sollte abgeschafft werden wenn du nicht in 10 Jahren alles aus China beziehen willst. Die Sozialsysteme müssten über Steuern finanziert werden die alle zu zahlen haben, aber so wird der Faktor Arbeit hierzulande unglaublich belastet und das macht Importe relativ gesehen wettbewerbsfähiger. "Ihr" (verallgemeinerung) seit doch alle selbst Schuld an dem Verlust der sozialversicherungspflichtigen Jobs, "Geiz ist Geil", "Sau sau sau billig...", wer nicht bereit ist einen Aufschlag auf Produkte zu zahlen, der wird früher oder später mit dem eigenen Arbeitsplatz dafür bezahlen. Aber das ist zu hoch für die meisten.
AntwortenLöschenAbschließend:
"Und wie die auf uns angewiesen sind - wir kaufen ihren Scheiß und legen damit die Grundlage ihres Reichtums."
Falsch: Das kann man auch wo anders verkaufen. Und des weiteren: Ja, aber die produzieren ihn nur weil sie damit Geld machen können. Mit so linkspolitischen Ideen jeden Anreiz dafür zu zerstören führt zwangsläufig zum Absturz.
Gut, dein ansatz ist durchaus eine Möglichkeit, der ich zustimmen könnte. Nur: es werden lediglich die Lohnsteuern gesenkt, aber keine allgemeinen Steuern geschaffen, die diese Aufgabe übernehmen könnten. Und wenn dann das Geld fehlt benutzt man das als Ausrede für weitere Streichungen.
AntwortenLöschenUnd die Vorstellung, dass 60 Millionen potenzielle Kunden einfach rechts liegengelassen werden ist absurd, sorry. Genauso lässt sich nicht alle Produktion nach China verlagern. Die Lohnkosten sind nur einer von vielen Faktoren, und die Rechtssicherheit und Infrastruktur in Deutschland sind deutlich besser als in China; und auch der Dienstleistungssektor lässt sich wie die Lebensmittelindustrie (und zehntausend weitere Branchen) nicht verlagern.
Naja, 60 Millionen Kunden sind nicht das entscheidende, es sind 60 Millionen Kunden mit einer riesigen Kaufkraft, das macht sie wertvoll. Aber darum ging es ja nie. Du sagtest bloß "darauf angewiesen sein". Das stimmt aber nicht, da diese 60 Millionen zwar kaufen, aber nicht Existenzgrundlage sind. Bosch und Siemens würden auch ohne Deutschland noch tun, wenn auch schlechter.
AntwortenLöschenJa, Dienstleistungsindustrie usw., da kommen wir aber zu einem anderen Thema, nämlich Bildung. Und wie es darum in Deutschland steht wissen wir ja zu gut.
Die Theorie die ich angeführt habe hat das Problem das sie unglaublich große Umwälzhungen mit sich bringen würde... ein ganzes Sozialsystem bzw. dessen finanzierung Umzubauen ist nicht ohne. Aber einleuchtend ist sie, und total offensichtlich. Habe diese Sache aus diesem Buch über Globalisierung aus dem Auszüge auf Spiegel.de veröffentlicht wurden.
Gabor Steingards "Der Abstieg eines Superstars"?
AntwortenLöschenNein, der Nachfolger
AntwortenLöschenGabor Steingart's "Weltkrieg um Wohlstand - Wie Macht und Reichtum neu verteilt werden"