Montag, 4. Februar 2008

Farbenspiele [Update]

Noch immer weiß nach der Hessenwahl niemand, wie es weitergehen soll. Eines allerdings ist klar: die Bedeutung der Landtagswahlen ist deutlich größer als die reine Zusammensetzung von Landtag und Bundesrat. Es geht um die weitere Entwicklung politischer Strömungen, den Wahlkampf 2009 und die Zusammensetzung der Republik danach.
Da ist einerseits die CDU. Die ist erfolgreich aus ihrer neoliberalen Leipziger Ecke herausgekrochen und hat sich wieder als Volkspartei etabliert, ohne vom Reformkurs ernsthaft abzuweichen. Dieses Kunststück ging fast zwei Jahre gut, aber die Belastbarkeit der Strömungen gerät allmählich an ihre Grenzen. Wulff fordert eine Besinnung auf einen wirtschaftsliberalen Kurs, andere wollen die Linie verschärfen und der SPD noch mehr den Platz streitig machen. Notwendig geworden ist diese Richtungsdiskussion wegen
der SPD. Der gelingt es seit der Hessenwahl wenigstens lokal, wieder die Position einer Volkspartei zu besetzen. In der Sonntagsfrage verharrt die SPD zwar weiter bei etwa 25%, während die Linke den 15% nahe kommt. In Hessen aber immerhin hat sich das noch um 10 Prozent verschoben. Die SPD will wieder Volkspartei werden und nicht Erfüllungsgehilfe der CDU, doch das würde man am liebsten machen, indem man die Linke wieder aus den Parlamenten wirft. Obwohl das rhetorisch das Ziel bleibt, sowohl bei SPD-Linken wie bei SPD-Rechten, wissen alle, dass es utopisch ist. Deswegen strebt man inzwischen offiziell die Ampel an, deren prominentester Forderer Kurt Beck ist. Dass diese bei den aktuellen Programmen mehr als nur absurd ist, während rot-rot-grün bei den aktuellen Programmen problemlos machbar wäre, steht auf einem anderen Blatt. Die strikte Ablehnung gegenüber der Linken dürfte sich auf Dauer genauso wenig halten lassen wie die gegenüber den Grünen in den 1970er und 1980er Jahren.
Die FDP steht vor einem großen Problem. Einerseits will sie nicht wieder als Umfaller gelten, andererseits haben sie aber auch keine Lust, Mehrheitsbeschaffer für eine wirtschaftspolitisch nach links und liberalpolitisch rechts rückenden CDU zu sein. Mitunter sind schwarz-gelbe Bündnisse kruder als rot-rot-gelbe, bedenkt man die Reduzierung der Libertät auf Marktliberalismus. Der Wahlkampf eines Roland Koch tat hier sein Übriges, die FDP hat also tatsächlich Potenzial, doch auf eine Ampel zuzugehen. Und das sagt sie neuerdings auch.
Die Grünen indessen strecken zaghafte Fühler nach der CDU aus und gerieren sich sonst als ökologischer Flügel der FDP. Man deckt das grüne Gewissen der Bürgerlichen ab und würde gerne in die rot-grünen Reformerzeiten zurück, die jedoch endgültig passé sind. Die Richtungsstreits zwischen "Fundis" (wie Trittin) und "Realos" (wie die derzeitige Führungsriege) ist ähnlich ernst wie in der SPD, wird jedoch nicht so publikumswirksam beachtet.
Bleibt die Linke. Diese hat endgültig bewiesen, weder zu zerbrechen noch eine Eintagsfliege zu sein. Sie zieht in fast jeden Landtag ein, presst SPD wie CDU (vor allem letztere!) nach links und hat in den letzten beiden Jahren aus der Opposition her schier unglaubliches erreicht. Doch wie es weitergehen soll, weiß niemand. Natürlich würde die Linke gerne irgendwo in Westdeutschland die Regierung mitstellen. Vorzugsweise natürlich in Hessen. Aber die anderen Parteien behandeln sie als Schmuddelkinder, und die rechtsgerichtete Springerpresse feuert volle Salven auf die Linke ab. Das könnte sich, genauso wie die lautstarke Unterstützung von Roland Kochs Schmutzwahlkampf, noch als großer Bumerang erweisen.
Zwar mag die BILD stark von besonders den ungebildeten Bevölkerungsschichten gelesen sein, aber ein Schmutzblatt lesen und ihm glauben sind zwei Dinge. Gleichzeitig ist die BILD für alle Menschen mit einem Hauch von Niveau ein rotes Tuch. Roland Kochs Wahlkampf hat bewiesen, dass die Unterstützung der BILD die für die CDU wichtige Wählerschicht der Bürgerlichen abstoßen kann. Wettert also die BILD fleißig und so indifferenziert wie lächerlich gegen die Linke, macht dies diese für ihre wider das Klischee eher gebildeten Wählerschichten nur interessanter - die Schmutzkampagne der BILD wird so zum Adelsprädikat für das vermeintliche Opfer.
Auch die Warnungen der Lobbyisten von der INSM und ihrem Umfeld stoßen immer mehr auf taube Ohren. Ihre Parolen stoßen immer weniger auf Interesse, werden an prominenter Stelle von prominenten Wissenschaftlern widerlegt und ihr wissenschaftliches Ansehen schmilzt mit jeder Unterstützung der BILD und Widerlegung durch FAZ und FTD.

Nachtrag: Inzwischen werden die Stimmen nach einem Mehrheitenwahlrecht wieder laut, glücklicherweise sind die Aussichten dafür aber schlecht.

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