Ein kluger Egoist kooperiert
Neues Deutschland - In seinem klassischen Werk »Der Wohlstand der Nationen« (1776) machte der schottische Ökonom und Moralphilosoph Adam Smith eine folgenreiche Bemerkung: Wenn jeder Wirtschaftsakteur nur seine eigenen Interessen verfolge, wirke der Mechanismus des Marktes so, dass wie von »unsichtbarer Hand« gesteuert auch die Gemeinschaft davon profitiere. Also nicht Altruismus, sondern Egoismus sei die wahre Triebfeder des wirtschaftlichen Wohlstandes und der Effizienz. Ähnlich sehen das heute auch die hartgesottenen Verfechter des Neoliberalismus, obwohl sich leicht zeigen lässt, dass das Bestreben Einzelner, Vorteile für sich zu ergattern, der Gemeinschaft häufig zum Schaden gereicht. Würden zum Beispiel alle Autofahrer, um möglichst rasch an ihr Ziel zu gelangen, die Autobahn benutzen, käme es dort über kurz oder lang zu Staus und damit zu einer Beeinträchtigung der Interessen aller. Wären einige Autofahrer hingegen von Anfang an bereit, gegebenenfalls auf Nebenstraßen auszuweichen, liefe der Verkehr im Idealfall reibungslos.
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Der Politiker als Beute
Berliner Zeitung - Die Jagd der Medien auf Kurt Beck ist zu Ende. Einer der Anführer der Meute hat sie abgeblasen. "Es reicht. Es ist Zeit innezuhalten. Nachzudenken. Kritisch und selbstkritisch", schreibt Hans-Ulrich Jörges, einer der profiliertesten, brutalsten und einflussreichsten Hauptstadtjournalisten im neuen "Stern". Er hat ja recht. Selbstkritisches Nachdenken ist gewiss eine Tugend für jeden Journalisten. Würden sie mehr aus unserer Zunft pflegen, gäbe es weniger von dem politischen Kampagnenjournalismus, der besonders seit dem Umzug von Parlament, Regierung und Hauptstadtmedien nach Berlin dann und wann die Oberhand gewinnt. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck war in den vergangenen Monaten ein Objekt dieser abartigen Form der Berichterstattung, die manche auch Rudeljournalismus nennen.
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Hotline as Hell
Telepolis - Die Telefonhotline ist mittlerweile das Hauptsymbol für bürokratisches Nichtfunktionieren geworden. In seinem zum Klassiker gewordenen Aufsatz "We don't support that" zeigt der ehemalige Call-Center-Mitarbeiter Kyle Killen eindrucksvoll, wie Auslesemechanismen dort so funktionieren, dass nur Mitarbeiter erfolgreich sein können, die Kunden nicht wirklich helfen. Wer das tut, verbraucht zu viel Zeit und wird erst ermahnt und dann entlassen. Die Strategien, die Call-Center-Mitarbeiter erlernen, um einen Anruf möglichst schnell abzuwimmeln, reichen von der Suggestion, der Kunde sei an dem Problem selbst schuld (Betriebssystem, Netzwerkkarte, etc.) über die Behauptung, jemand anders wäre "zuständig" (andere T-Tochterfirmen, Lizenznehmer, Weiterverkäufer), bis hin zum Vertrösten auf einen Rückruf, der dann natürlich nie erfolgt.
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Berlusconis Justizreform
Telepolis - Unbeeindruckt von der Kritik hat die rechte Mehrheit im italienischen Senat mit großer Mehrheit der umstrittenen Justizreform zugestimmt. Ende Juli soll sie auch in der zweiten Kammer des Parlaments, in dem die Rechte ebenfalls die Mehrheit hat, endgültig verabschiedet werden. In den Medien wird sie immer als Akt der Selbstamnestierung des ewigen Ministerpräsidenten Berlusconi interpretiert. Eine zentrale Bestimmung des Gesetzes sieht ein einjähriges Moratorium für Prozesse für Vergehen vor, die vor Mitte 2002 begangen worden sind. Ausgenommen sind Verfahren wegen Gewaltverbrechen, organisierter Kriminalität, Arbeitsunfälle und andere Straftaten, auf die mehr als zehn Jahre Haft stehen.
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Struck hält Union für autoritär
Stern - SPD-Fraktionschef Peter Struck hat den Abgeordneten der CDU vorgeworfen, sie würden sich vom Kanzleramt steuern lassen, die Strukturen der Union seien "autoritär".
Mann, Wahnsinn. Autoritär, die CDU? Kaum zu glauben. Neuheitswert hat der Mann.
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Das letzte Gefecht der Volksparteien
Süddeutsche Zeitung - Mit der Verwandlung des Vierparteienlandes in ein Fünfparteienland findet zugleich die strukturelle Krise der bisherigen Volksparteien ihren Höhepunkt. Noch fühlt sich die CDU neben der SPD zwar vergleichsweise stark, doch ist sie allenfalls halbstark.
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Auch von Smith: "Unsere Kaufleute und Fabrikherren beschweren sich viel über die schlechten Auswirkungen hoher Löhne, dass sie die Preise steigern und deshalb den in- und ausländischen Absatz ihrer Waren schmälern. Über die schlechten Auswirkungen hoher Profite äußern sie sich nicht. Im Hinblick auf die verwerflichen Folgen ihrer eigenen Gewinne schweigen sie. Sie klagen nur über die anderer Leute."
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Und daß Smith nicht nur an den Eigennutz der Menschen als Antrieb für die wirtschaftliche Entwicklung appelliert, sondern ebenso heftig kritisiert, daß die Händler und Kaufleute dort, wo sie versammelt sind, meist irgendwelche gegen das Allgemeinwohl gerichteten Machenschaften aushecken, sollte auch nicht unerwähnt bleiben.
AntwortenLöschenAdam Smith war eben nicht nur Ökonom, sondern auch Moralphilosoph, dem klar war, daß die Sache mit der "unsichtbaren Hand" nur dann gut funktionieren kann, wenn die Wirtschaft in die Gesellschaft und die jeweilige Kultur eingebettet ist und nicht ein losgelöstes Eigenleben führt.