Dienstag, 10. Juni 2008

Alimentierungswahn

Ob kostenloses Schulmittagessen für arme Kinder oder Sozialtarif für Energie: die Politiker von CDU und SPD überschlagen sich dieser Tage in Vorschlägen, wie man die Not der Armen lindern könnte, was spätestens seit der Veröffentlichung des Armutsberichts ein Thema ist, aber eher auf die Gefahr durch die LINKE zurückgeht. Nichts könnte falscher sein.
Jahrelang wird verkündet, der Sozialstaat sei ein bürokratisches Monster, alimentiere zu viel. Nun wird ein Vorschlag nach dem anderen durch die Medien gejagt, der das Ganze NOCH bürokratischer macht. Klasse Idee. Nichts wird getan gegen die Ursachen der Armut und nur wenig wird zu ihrer Linderung getan. Die negativen Folgen der Armut werden sogar mutwillig noch weiter verstärkt, wie in den beiden eingangs erwähnten Fällen. Armut in Deutschland, das ist nicht Hungern. Das hat sogar Guido Westerwelle mit seiner "Man hat mir den Lolly geklaut"-Schmollstimme bei Anne Will verkünden dürfen. Nein, das Problem ist die soziale Stigmatisierung, und diese zu beseitigen tut man nichts, man verschärft sie nur.
Man stelle sich für einen Moment das flächendeckende Netz Ganztagsschulen vor, in dem Mittagessen serviert wird. Die "armen" Kinder kriegen den Sozialtarif, den sie natürlich nachweisen müssen. Klasse. Oder wenn im Mietshaus mal wieder der Stromzähler abgelesen wird: "Ach, beziehen Sie Sozialtarif?"
Vernünftig wäre hier, anstatt der vielen, vielen Sonderfälle, Alimentierungen und Ausnahmen einfach einen Satz in vernünftiger Höhe auszuzahlen, der an keine bescheuerten Bedingungen wie die Größe der Wohnung o.ä. gebunden ist. Dann könnten die Arbeitslosen eigenverantwortlich mit dem Geld umgehen, was genau das wäre, was man ja eigentlich rhetorisch zu erreichen sucht. Stattdessen zwängen die aktuellen Hartz-Gesetze den Empfänger in einen Status der Unmündigkeit, und mit jeder neuen Initiative wird dieser von den verantwortlichen Politikern weiter zementiert.
Die Ursache für zu hohe Energiepreise sind die Konzerne, deren Entflechtung die deutsche Regierung gerade gegen den Widerstand der Rest-EU verhindert hat (herzlichen Dank nochmal). Da noch einen Sozialtarif draufzusatteln, ist Augenwischerei. Es gelte Monopole zu entflechten und echten Wettbewerb zu ermöglichen, das zu tun, für das man gewählt wurde, sprich: Politik machen. Stattdessen gibt es das übliche Schaulaufen der ewig hässlichen Entlein, während die Wahlbeteiligungen kontinuierlich sinken.

2 Kommentare:

  1. Diesem entlarvenden Beitrag ist eigentlich nicht viel hinzuzufügen. Außer vielleicht, daß die deutschen Unternehmen in Europa seit 2000 die höchste Gewinnentwicklung zu verzeichnen haben und die niedrigsten tatsächlich ans Gemeinwesen "abgedrückten" Gewinnsteuern.

    Armes reiches Deutschland!

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  2. "Ach, beziehen Sie Sozialtarif?"

    100% Zustimmung. Die Stigmatisierung der Bezieher von Unterstützungsleistungen muß aufhören. Und da gibt es nur einen Weg: Einkommen rauf.

    Das muß zum einen über Tarif- und Mindestlöhne geschehen sowie zum anderen staatlicherseits durch einen Aufschlag, wie im Prinzip die Pendlerpauschale einer ist, durch das Sozial- , das Finanzamt oder wie auch immer.

    Aber Auseise oder Bescheinigungen vorlegen, um seine Bedürftigkeit vor jedem Hanswurst dokumentieren zu müssen, ist entwürdigend.

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