Montag, 14. September 2009

Ein Gespenst geht um in Deutschland

Es ist das Gespenst des Kommunismus. Das meint zumindest Wolfram Weimer im Stern und führt damit meine vorsichtige Hoffnung, dass es doch etwas mehr Verstand in den deutschen Redaktionsstuben geben könnte ad absurdum. Der Mann hat einen Artikel verfasst, der dermaßen dumm ist, dass es kracht. Beispiele gefällig?
Die Linkspartei stürmt in den Umfragen zu neuen Rekorden, und Oskar Lafontaine schwadroniert auf allen Sendern die Sozialdemokratie nieder. Es wirkt wie der letzte Akt in der SPD-Demütigungstragödie. Denn mit jedem Prozentpunkt, den die Linke zulegt, verliert die ohnehin gebeutelte SPD noch weiter. Der rachetrunkene Oskar Lafontaine kommt seinem Ziel immer näher, die Sozialdemokratie vollends zu spalten und sich selbst als Schlüsselfigur eines linken Zukunftsbunds zu positionieren. Das ist kein Comeback mehr, das ist ein Killback.
Jaaaaa, die SPD liegt am Boden, weil Lafontaine schlecht über sie redet! Entschuldigung, ein "rachetrunkener" Lafontaine, das muss mindestens sein. Der ein "Killback" veranstaltet, anstatt...ja was eigentlich? Über den politischen Gegner nette Sachen sagen, damit mehr der eigenen Wähler die SPD wählen? Sehr sinnig, Herr Weimer.

Tatsächlich hat die SPD damit das Schmuddelkind-Image der Linkspartei schlagartig selber beseitigt. Bislang lebten Gysi, Bisky& Co. unter dem Makel des totalitären DDR-Erbes. Der Honecker-Sozialismus mit seinen Hinrichtungskellern und Mauern hatte ihnen den Langfristkredit der Moralität und Utopie geraubt. Ihre Visionen klangen immer ein wenig nach der bleiernen Zeit des Ideologischen.

Mit dem neuen Beifall der Sozialdemokratie tönen sie plötzlich frisch und frech wie Bodo Ramelow, den auch viele SPD-Leute ganz großartig finden. Kurzum: Die Landtagswahlen und die neuen Linksbündnisse sollten für die SPD der Befreiungsschlag werden. Nun sieht es nach einem spektakulären Eigentor aus.

Jetzt wird es völlig abstrus. Gisy, Bisky und Co lebten bis zu den Landtagswahlen unter dem Makel der DDR-Geschichte? Was für ein Unsinn. Die SPD hat sich überlegt, mit ihnen zu koalieren (wohlgemerkt: überlegt!), und plötzlich denken die aufrechten Bürger im Land "Aha, dann spielt die DDR ja keine Rolle mehr!"? Was für ein ausgemachter Unsinn. Aber lesen wir weiter.

Außerhalb des linken Lagers wird das SPD-Reha-Programm für Post-Kommunisten als eine moralische Niederlage der politischen Kultur empfunden. Es komme einer Selbstoffenbarung gleich, so mahnen die ehemaligen DDR-Bürgerrechtler, dass man just zum Jahrestag der Revolution von 1989 vergessen wolle, was die Wir-sind-das-Volk-Ostdeutschen damals so bravourös abgeschafft hätten: eine Diktatur ebenjener Partei nämlich, die jetzt so umworben sei. Die SED-PDS-Linkspartei habe eine inhumane Brandspur in der deutschen Geschichte hinterlassen und sich nie richtig von ihrer Vergangenheit distanziert.

Tatsächlich hat Lafontaine bei seinem Brutusmord an der SPD eines erreicht - es redet in diesen Tagen der Gysi-Lafo-Ramelow-Faszination niemand mehr von den Mauertoten und den Gefolterten von Bautzen, von den Tränen einer Nation, vom großen Diebstahl an einer ganzen Generation. Sein kaltes Herz beim Blick zurück ins Dunkelrot der totalitären Geschichte wird in der SPD jetzt akzeptiert. Diese Schleusen sind zu.

Ich weiß nicht, was diese völlig plumpte Agitation eigentlich soll. Sie ist dermaßen schlecht, dass einem das Frühstück hochkommen könnte, hätte man schon eines gegessen. Die Saar-Linken, diese Herzschrittmacher der SED-Diktatur, die Bremer LINKE, schon seit alters her begeisterte Unterstützer des DDR-Regimes, die hessische LINKE mit all ihren fiesen Gewerkschaftlern - was haben diese Gruppierungen denn bitte mit der DDR zu tun? Einen feuchten Kehricht. Doch Weimer versucht trotzdem eine Assoziationskette zu schaffen. Da Weimer wohl selbst klar ist, was für einen Unsinn er redet, verlegt er sich vollkommen auf die emotional-moralische Ebene und redet vom "kalten Herzen" Lafontaines, das sich nicht um die DDR-Geschichte kümmert.

An dieser Stelle wird es Zeit, uns von Weimers geistigen Ausscheidungen zu verabschieden und einmal grundsätzlich darüber nachzudenken, wie es eigentlich um die LINKE und die SED-Vergangenheit bestellt ist.
Richtig ist, dass die PDS die direkte Nachfolge der SED angetreten hat. Sie hat sich letztlich ja nur umbenannt. Falsch ist beispielsweise das oft kolportierte Wort vom unrechtmäßig erworbenen SED-Vermögen, auf das die LINKE immer noch Zugriff hätte. Es gab nach der Wiedervereinigung einen ziemlich ausufernden Prozess zu dem Thema, bei dem die Partei praktisch ihr gesamtes Vermögen verlor - eben weil sie nun in einem Rechtsstaat agierte und es tatsächlich nach BRD-Maßstäben unrechtmäßig erworben war. Sie behielt lediglich einige Grundstücke, die der KPD schon in der Weimarer Zeit gehört hatten.
Richtig distaziert hat sich die LINKE als Ganzes tatsächlich nie von der DDR, wenn man von gewissermaßen erzwungenen Aussagen dieser Art absieht, die Reporter mit Mikrofonen von Spitzenpolitikern erhalten haben. Die sind in etwa so viel Wert wie Bedauern Merkels für die Zustimmung des Zentrums für die Zustimmung zu den Notstandsgesetzen und kommt ebenso von Herzen.
Die Frage ist nur, ob die Ost-LINKE (für die West-LINKE ist die Frage eigentlich wirklich ohne Bedeutung) dies überhaupt kann. Als die Wiedervereinigung durchgeführt wurde, hat man einen fundamentalen Fehler gemacht: man hat die DDR komplett auf ein illegales Gleis geschoben und rechtlich und moralisch verurteilt. Das war in vielen Bereichen sicherlich nötig und richtig, aber man hat danach eines vergessen, absichtlich: die direkt Beteiligten wie SED-Chargen oder MfS-Mitarbeiter auf irgendeine Art und Weise endgültig zu behandeln. Einigen wurde der Prozess für Schießen an der Mauer gemacht, die meisten aber letztlich in Ruhe gelassen - ohne ihnen jedoch Absolution zu erteilen. Der MfS hatte jedoch massenhaft Mitarbeiter, deutlich über 200.000, zusätzlich zu weiteren zehntausenden Spitzeln. Dazu gab es im Land der Verbände und Vereine viele weitere Funktionäre, die alle im moralisch-gesellschaftlichen Abseits stehen. Man hätte wie nach dem Zweiten Weltkrieg ebenfalls erkennen müssen, dass diese Menschen für das Funktionieren Ostdeutschlands nun einmal notwendig sind wie die alten Nazis nach dem Krieg. Das hat man aber nie, weil die Wiedervereinigung eher ein Anschluss als eine Vereinigung war, eine Inbesitznahme des Westens, der sich in der moralisch überlegenen Position des Siegers fühlte. Diese Menschen im Osten wurden also gewissermaßen ausgestoßen.
Das rächt sich heute. Der lang anhaltende Erfolg der PDS im Osten ist meines Erachtens nach direkt auf diese verächtliche Nichtachtung des Westens zurückzuführen. Sich jetzt darüber wie Weimer zu echauffieren ist unaufrichtig. Den verklemmten Umgang mit der LINKEn mit der DDR-Vergangenheit hat der Westen selbst provoziert.

12 Kommentare:

  1. Vor allem möchte ich mal darauf hinweisen, wie sehr Frau Merkel in die DDR und die SED verstrickt war. In der Akademie der Wissenschaften in der DDR war sie FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda. Nachzulesen im aktuellen Rotdorn: www.rotdorn.org

    Insofern ist es langsam peinlich immer nur die Linkspartei als Alt-SED-Kader hinzustellen. Die CDU hat in ihren Reihen nicht weniger Alt-SED´ler zu verzeichnen.

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  2. Was den Umgang der Linken (früher PDS) mit der DDR-Vergangenheit angeht, könnten sich einige Blockflöten schon eine Scheibe abschneiden.

    Mehr zu geschichte der PDS (heute LINKE) hier:

    http://die-linke.de/partei/geschichte/

    gant besonders auch hier:

    http://archiv2007.sozialisten.de/partei/parteitag/sonderparteitag1989/view_html?zid=24832&bs=1&n=3

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  3. Wenn man weis, daß Wolfram Weimer früher in der Redaktion der "Welt" gearbeitet hat, kann eigentlich die Kritik nicht verwundern. Ich sah gestern eine Buchbesprechung mit Herrn Weimer auf Phoenix, da blieben keine Fragen über die Denkweise von Herrn Weimer mehr übrig.

    Ich kann mich darüber garnicht so aufregen, das ist eben BILD - Niveau..

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  4. Der Stern ist nicht das einzige Medium, daß den Kommunismus vor der Tür sieht - auch die FTD scheint vor Angst zu zittern:
    http://www.ftd.de/politik/deutschland/:kolumne-theyssen-warum-deutschland-unregierbar-wird/50008883.html

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  5. Die Konservativen, Agenda-2010-Betreiber, Hartz-IV-Durchsetzer, die Bereicherungs-Unterstützer haben es sich selbst zuzuschreiben, wenn DIE LINKE immer mehr an Zustimmung gewinnt. Es war schon immer ein Mangel der Schwachköpfe, dass sie unfähig sind, ihre eigenen Schuldanteile an dem, was geschieht, zu erkennen.

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  6. Mit einem hat er fast recht: dem "Brutusmord". Brutus brachte einen Diktator um, der sich in Selbstgerechtigkeit sonnte und - übertragen gesehen - das Militär im Inneren durchboxte. Das wären harte Worte für die derzeitige SPD-Spitze, aber es wäre imho nicht verkehrt, wenn Lafo "mithilft", die SPD durch einen Sturz ihrer Spitze wieder sozialdemokratisch zu machen.

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  7. "Ein Gespenst geht um in Deutschland", und das Gespenst hat einen Namen: Propaganda.

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  8. Lieber OeffingerFreidenker,

    es fehlt ein klitzekleiner Hinweis auf die anderen Blockfloeten. Die haben naemlich bei weiten keinen Schnitt mit Ihrer Vergangenheit gemacht. Bestens zu sehen bei der heutigen Bundeskanzler-Frau, die die 180-Grad-Wende perfekt beherrscht. Da gab es mal so ein schoenes Wort: Wendehals

    Noch zu bemerken ist, dass wer auf andere zeigt (auf DieLinke) sollte nie vergessen, dass 3 Finger auf ihn selbst gerichtet sind. Aber eine Politik namens TINA kann sich ja nicht in Frage stellen...

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  9. "[...] was diese Plumpe Agitation [...] soll."

    Vergiss nie, der 'Stern' erscheint bei Gruner und Jahr und damit bei Bertelsmann. Da sitzen natürlich ganz ausgewählte Leute, die eine bestimmte Meinung vertreten. So wie wir hier. Nur eben anders.

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  10. Du hast Recht, dass ein Hinweis auf die Blockflöten fehlt. Das nächste Mal denk ich dran :)

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  11. und noch was,
    Dyslektiker aller Länder vereinigt euch!

    Der Mann heißt Gysi.
    Wäre nett, wenn das nächste Mal der Name richtig geschrieben wäre(-; - nur mal so...

    bel

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  12. "Kanzler" Jean Pütz im Stern


    Wer Wahlprgramme und Grundsatzprogramme der Parteien lesen kann und den Text auch noch versteht, der ist im Vorteil.

    Es müsste doch auch für Jean Pütz - bevor er sich geistig entblödet - möglich sein, einen Vorleser und Versteher zu finden, der ihm das Wahlprogramm der Linken vorliest und deren Forderungen erläutert.

    Die Hoffnung stirbt zuletzt!

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