Montag, 14. Juni 2010

Der Flop

Von Stefan Sasse

Manchmal würde man sich wünschen, dass einige Betriebe sind endlich ein Vorbild an der Regierung nehmen würden, sich von deren so bemüht zur Schau gestellten Sparbemühungen mitreißen lassen und endlich, endlich längst überfällige Einsparungen im Personalbereich vornehmen, indem sie junge, dynamische und billige Mitarbeiter einstellten und dafür ungeeignete, alte und teure Mitarbeiter entließen - etwa Marc Beise. Diese Dauerfehlbesetzung in der Wirtschaftsredaktion der SZ, die dem Handelsblatt-Deserteur aus falscher Sentimentalität einmal Asyl geboten hat, verschraubt sich in der Onlineausgabe in einem Artikel namens "Der Flop", der sich leider weniger mit seiner Person als vielmehr mit dem neuen Sparpaket beschäftigt, und nimmt seine Leser mit in die Untiefen seines Geistes. 


Er beginnt mit einer typischen Einleitung, in der das alte Mantra wiederholt wird, dass viel Feind viel Ehr ist - wenn sich die Sozialverbände über eine Reform beschweren,  am besten noch die Gewerkschaften, dann muss sie ja gut sein. Dann erklärt er, dass bei allem Gerede über die Streitereien in der Koalition die Sachdiskussionen nicht bedacht würden. Damit hat er sogar Recht, aber Beise wäre nicht Beise, würde es ihm nicht gelingen, eine völlig absurde Schlussfolgerung zu ziehen. Das Problem ist nämlich nicht, dass der Staat zu wenig Einnahmen hätte, sondern dass er zu viele Ausgaben tätigte. Es genüge also, so Beise, die Ausgaben zu senken, dann sei alles in bester Ordnung. In seinem Paralleluniversum dreht sich die Diskussion derzeit leider aber ausschließlich um Verbesserungen auf der Einnahmeseite, die man einseitig bei den Reichen holen wolle, während die Armen "natürlich" ungeschröpft blieben. Wo der einsame Wellenbrecher Beise in der alles umgebenden sozialistischen Flut diese Diskussion sieht, steht in den Sternen. 
Richtig abenteuerlich wird Beise aber nach dieser Einführung, ganz getreu dem Motto "Ist die Logik erst entsorgt, macht das Schwadronieren gleich doppelt Spaß". Der Absatz ist dabei kaum sinnvoll zusammenzufassen, deswegen im Original: 
Deshalb war es goldrichtig, dass die Koalition das Sparen in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen gestellt hat. Es ist auch richtig, damit im sozialen Bereich zu beginnen, was natürlich nicht populär ist. Die Arbeits- und Sozialausgaben müssen sinken - nicht, weil ihre Empfänger schlechtere Menschen sind oder sich nicht wehren können oder keine Lobby haben. Sondern weil diese Ausgaben grundsätzlich wenig dazu beitragen, Deutschland aus der Krise zu holen. Der Sozialstaat kann und muss reagieren, abfedern, ausgleichen, aber er kann nicht die wirtschaftliche Zukunft gestalten; er generiert kein Wachstum. Seit den siebziger Jahren aber steigen und steigen die Sozialausgaben; der Sozialetat macht die Hälfte (!) des Bundeshaushalts aus. Wer hieran etwas ändern will, verstößt offensichtlich gegen die Political Correctness im Lande, die da lautet: Verschont die Schwachen! Kein Wort davon, dass das Land nicht im Elend versänke, würden die Sozialleistungen auf das Niveau von 2005 oder 2000 zurückgenommen.
Man hat beim Lesen gleich Beise im Sinn, wie er in seinem zu engen weißen Hemd auf dem Boden seines Büros herumrutscht und die Marktwirtschaft mit Spielzeugautos erklärt, die er in die Sackgasse manövriert.  Aber sehen wir uns seine Möchtegernargumentation einmal genauer an. Weil der Sozialbereich angeblich  nicht zum Deutschland nicht aus der Krise holen beitragen könnte - warum erklärt Beise natürlich nicht, das ist einfach eine Prämisse, die akzeptiert werden muss -, kann man da gerne sparen. Seine Argumentation mit dem Niveau von 2005 und 2000 ist dabei sehr merkwürdig, weil nicht ganz klar wird, was er meint. Meint er das Leistungsniveau? Das war damals höher. Meint er das absolute Niveau? Das war vielleicht kleiner, weil die Belastungen durch Kurzarbeit und krisenbedingte Arbeitslosigkeit fehlten, besonders im vermeintlichen Boomjahr 2000. Natürlich versänke "das Land" nicht im Elend, würde man entsprechend kürzen. Wir hatten ja allein im letzten Jahr einen Millionärszuwachs von 23%. Aber diejenigen, die von diesen Leistungen schon jetzt kaum leben können, die versänken im Elend. Kein Wort auch im Artikel, dass Marc Beise nicht im Elend versinken würde, wenn die SZ sein Gehalt um die Hälfte kürzte. Natürlich darf der Verweis auf die political correctness nicht fehlen, der auf der Klaviatur der konservativen Vorstellung vom "Rotfunk" und einer eingebildeten Meinungshoheit der Linken spielt, die es zu brechen gelte. 
In einem deutlich kürzeren Absatz schreibt Beise dann etwas richtig Vernünftiges: die 150 Milliarden an Subventionen müssten unter Vorbehalt gestellt werden, so dass nicht ihre Abschaffung, sondern ihr Beibehalten im Parlament begründet und beschlossen werden müsste. Diese Idee ist so gut, dass er keinen weiteren Gedanken daran verschwendet, sondern implizit als der FDP zum Opfer fallende Verhandlungsmasse beiseite wischt. Diese Gleichgültigkeit würde man sich von ihm beim Sozialstaat einmal wünschen! 
Bei Beise gewissermaßen immer im Paket dabei ist natürlich die Steuerforderung. Er anerkennt, dass das Sparpaket einen höheren Spitzensteuersatz oder eine leicht modifizierte Erbschaftssteuer enthalten müsse, um "sozial verträglich" zu sein, was zumindest für die Außenwirkung richtig ist. Gleichzeitig verlangt er aber, dass diese Erhöhung des Spitzensteuersatzes "natürlich" und "auf jeden Fall" nur auf die Krisenzeit begrenzt sein dürften und außerdem noch durch Steuererleichterungen für die Mittelschicht kompensiert werden müssten, da das Steuerniveau in Deutschland ohnehin viel zu hoch sei. Natürlich hat Beise Recht wenn er sagt, dass der Mittelstandsbauch beseitigt werden muss, nur ist sein Verständnis von Mittelschicht hier bereits kritisiert worden, und zum Zweiten muss dieses Geld für die Entlastung irgendwoher kommen - und für jeden halbwegs informierten und rationalen Zeitgenossen schließen sich massive Kürzungen im unteren Gesellschaftssegment eigentlich aus, weil es dort realistisch nichts mehr zu kürzen gibt. 
Zuletzt packt Beise wieder den Wirtschaftshistoriker aus, als der er sich gerne dilettiert. Unvergessen seine Umdeutung Ludwig Erhards in einen Neoliberalen, der eine Geistesverwandschaft zu intellektuellen Teelichtern wie Beise hätte. Er erinnert an Lambsdorff, "der Ordnungspolitik "kann"", an Karl Schiller mit seiner Ermahnung an die SPD "die Tassen doch mal im Schrank zu lassen" (ohne natürlich den korrekten Kontext zu bemühen) und Ludwig Erhard, "der weiß, dass Geld erst einmal verdient werden muss, das der Sozialstaat verteilen soll". Wenn es doch einen solchen gebe, so Beise, werde der als politischer Geisterfahrer verunglimpft. Um im Bild zu bleiben: wenn ein solcher Geisterfahrer daherkommt, der tatsächlich auf Beises Linie liegt, kann man schon froh darüber sein wenn der überhaupt einen Führerschein hat.

6 Kommentare:

  1. Beise ist ein *rschl*ch und gehörte zu den ersten, die an den Laternen baumelten wenn, ja, wenn...

    Danke für die wiederholte Entlarvung des selbigen,
    Frank

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  2. Ich hatte heute ein Gespräch mit meinem Steuerberater...der vertritt in vielem das gleiche wie Beise...scheint so als wären alle vom gleichen Virus befallen!!!
    Sein Gespräch konzetrierte sich immer und immer wieder auf die Ausgaben des Staates und wenn ich dann vorschlug mal bestimmte Steuern zu erhöhen oder wieder einzuführen..."das wäre das falsche Signal" meinte er...und ich fragte mich dann...für wenn?
    Ich würde diese Leute mal fragen ob sie nicht selber in ihrer Jugend die Vorteile des Sozialstaates in Anspruch genommen haben?... aber heute gegen den Sozialstaat sind!
    Das problem ist an sich sehr einfach zu lösen...es ging , es geht und wird in der Zukunft nur um die UMVERTEILUNG gehen...den Geld ist genug da!!!

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  3. "Seit den siebziger Jahren aber steigen und steigen die Sozialausgaben; der Sozialetat macht die Hälfte (!) des Bundeshaushalts aus."

    Das liegt ja wohl daran, dass der Bundeshaushalt dank Steuersenkungen im Verhältnis immer kleiner wird. Wenn ich mich nicht irre, ist der Sozialetat gemessen am BIP seit den 70ern kontinuierlich geschrumpft.

    "Der Sozialstaat kann und muss reagieren, abfedern, ausgleichen, aber er kann nicht die wirtschaftliche Zukunft gestalten; er generiert kein Wachstum."

    Von Kaufkraft und Nachfrage hat man als ordentlicher Konservativer natürlich sowieso noch nie was gehört.

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  4. @T.o.J.

    Das kann eigentlich nur eine pro forma Aeusserung gewesen sein. Er hat bestimmt vermutet, dass genau das auch Deine Meinung sei, und sich vorsichtshalber Deiner vermuteten Weltsicht angepasst. (Einschleimen)

    Gerade als Steuerberater, muss man sich doch ueber jede zusaetzliche neue Steuer und jede Steuererhoehung, jedes Streichen von Erleichterungen freuen:
    Das steigert den Beratungsbedarf beim Klienten und damit die "business chances".

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  5. Wieder einmal Punktlandung. Mich überkamen beim Lesen besagten Artikels ganz ähnliche Gefühle. Die Süddeutsche Zeitung könnte ohne ihren unreflektierten Wirtschaftsteil eigentlich ganz gut sein. Aber im gefühlt neoliberalen München beheimatet (ich ziehe hier die Tage gottlob wieder weg) fügt Herr Beise sich wahrscheinlich besser in das Stimmungsbild der Stadt ein als manch anderer Kommentator dieser Zeitung.

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  6. P.S.
    Ich muss jetzt hier noch mal ein Post Scriptum absondern. Habe gerade das Video-Blog von Marc Beise auf http://www.sueddeutsche.de/video/4351.html betrachtet und bin ehrlich gesagt etwas schockiert. Man hört ja öfter, Intellektuelle neigen eher zum linken Spektrum, und denkt sich dann seinen Umkehrschluss dazu. Was soll man bei Betrachten dieses Videos da noch ergänzen?
    Ernsthaft, was für schlichte, selbstgerechte Gedankengänge hier von einem Multiplikator präsentiert werden, der offensichtlich seine eigenen Horizontgrenzen nicht bemerkt. Leider gibt oder gab es zumindest auch bei anderen Qualitätsmedien solche Problembären, etwa Gabor Steingart beim Spiegel. Diese Menschen haben in den letzten Jahrzehnten viel mehr Schaden angerichtet, als ihnen bewusst ist.

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