Von Stefan Sasse
Die Diskussion, wer der nächste Bundespräsident werden könnte, nimmt langsam immer absurdere Züge an. Aktueller Negativhöhepunkt der Debatte ist die SZ-Bilderstrecke möglicher Kandidaten. Gehen wir die Leute doch einfach mal kurz durch und schauen uns an, was genau sie (nicht) qualifiziert, das höchste deutsche Staatsamt zu besetzen.
- Gesine Schwan: Ich könnte ja schon fast wetten, dass sie sich wieder aufstellen lässt. Das wäre dann die dritte Wahl, die sie verliert. Was sie genau qualifiziert weiß ich immer noch nicht, abgesehen davon natürlich, dass sie eine Frau ist, was derzeit irgendwie als ganz große, qualifizierende Tugend gilt. Eigentlich sollten sie von Köhler die Lektion gelernt haben, dass man einen Profi wählen sollte. Gesine Schwan will immerhin, aber ob das allein reicht? Ich zweifle es irgendwie an.
- Wolfgang Schäuble: Ja, der Wolfgang wäre bestimmt die integrierende Figur, die wir uns alle an der Spitze des Staates wünschen. Sein Name taucht auch nur beständig auf, weil er 2004 gerne bereits Präsident geworden wäre. Es wäre, so die SZ, "der krönende Abschluss seiner Karriere". Ja, Wahnsinn. Vergeben wir gerade das Karrierenkrönungsamt oder wie? Schäuble war noch nie ein großer Vordenker, sondern ein innenpolitischer Scharfmacher. Er könnte als Präsident aber tatsächlich halbwegs geeignet sein, allein wegen seiner Erfahrung. Besser als ein Haufen der noch folgenden Alternativen ist er jedenfalls, gewissermaßen der Heuschnupfen, wenn man mit der Wahl zwischen Pest und Cholera konfrontiert ist.
- Peer Steinbrück: Wer ist denn auf diese grandiose Idee gekommen? Den Kavallerieleutnant vom Finanzministerium? Warum denn das? Weil er der einzige SPD-Politiker ist, der NICHT negativ in den Schlagzeilen hängt? Dazu fabuliert die SZ weiter an der Legende vom Krisenbewältiger herum: "Er hat das Land praktisch im Alleingang gerettet. Schon deswegen hätte er das Amt verdient. Wenn das Land also mal einen Bundespräsidenten haben will, der in der Lage ist bärbeißig und geschliffen zugleich die Lage des Landes zu analysieren, Steinbrück wäre sicher erste Wahl." Yeah, right. Feynsinn hat sich auch schon drüber ausgekotzt. Die SPD hat so oder so nicht die Möglichkeit, ihre Leute durchzubringen, von daher wäre Steinbrück wegen der Sympathien, die er offensichtlich im bürgerlichen Lager genießt, direkt eine Überlegung wert. Aber mein Präsident wäre das nicht.
- Ursula von der Leyen: Als der Name aufgetaucht ist fühlte ich mich doch spontan in einer Castingshow für Oslo. Es ist die gleiche Kategorie wie die Ernennung von Kristina Schröder als Ministerin. Jung und weiblich, der Hammer. Das sind Qualifikationen, für die hat von der Leyen richtig hart arbeiten müssen. Das Amt des Bundespräsidenten hat, auch wenn man das nach Köhlers Amtszeiten kaum mehr glauben mag, eine gewisse Würde. Danach geht man nicht einfach zu business as usal über, sondern mimt den elder statesmen. Schon Köhler war eigentlich zu jung, um seine Karriere damit zu beschließen, aber von der Leyen?! Was soll die denn danach machen? Lobbyistin irgendwo werden? Das ist mal mehr als albern. Auch das Argument der SZ, sie sei beliebt, halte ich für Kokolores. Erstens ist sie das eigentlich gar nicht, sondern es wird nur von den Medien immer wieder postuliert, und zweitens war bisher jeder Bundespräsident beliebt, egal ob er es verdient hatte oder nicht oder ob man ihn vorher kannte, wie Köhler eindrucksvoll demonstriert hat.
- Annette Schavan: Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, die SZ geht einfach nur die Liste aller Politiker durch, die überhaupt nichts taugen. Annette Schavan? Klar, sie ist eine Frau, zumindest so was Ähnliches. "Sie wäre nicht nur die erste Frau im Amt - ein Punkt für Merkel -, sie wäre auch eine glaubhafte, überparteiliche Kandidatin. Sie hat genauso gut mit der SPD in der großen Koalition zusammengearbeitet, wie jetzt mit der FDP im Bund oder früher in Baden-Württemberg. Schavan hat sich als Fachpolitikerin für Bildungsfragen einen soliden Ruf erworben, die auch in der Lage ist, klug zu reden. Selbst in der Opposition ist sie anerkannt." Sie hat was? Hier in Baden-Württemberg hat kaum jemand einen so schlechten Ruf wie Annette Schavan. Wir haben alle drei Kreuze gemacht, als wir sie als Kultusministerin loswurden. Ihr Name wird auf ewig mit völlig vergeigten Schulreformen wie dem G8 in Verbindung stehen. Glaubhaft überparteilich? Die Frau hat immer 1A die konservative Bildungspolitik praktiziert und jede sozialdemokratisch-grüne Bildungspolitikidee mit Fervor bekämpft. Und dass sie reden kann wäre mir auch neu.
- Jürgen Rüttgers: Jetzt sind wir auf dem Flohmarkt für politisches Gammelfleisch gekommen. Jürgen Rüttgers? Ein abgehalfterter, gescheiterter Ministerpräsident, völlig ohne jede Begabung vernünftige Sätze zu formulieren, in der eigenen Schablone von der Rau-Imitation und NPD-Funktionär gefangen? Die Farce seines eigenen Imagebildungsversuchs würde durch das Bundespräsidentenamt auf die Spitze getrieben, das muss man zugeben.
- Joschka Fischer: Ja, er war mal Außenminister. Ja, er hat den Job besser gemacht als Westerwelle. Den elder statesmen könnte er sicher auch. Abgesehen davon, dass für Fischer eigentlich keine Mehrheit in Sicht ist, wäre er vielleicht sogar eine Alternative, die man stehen lassen könnte. Außerdem hätte die Wahl des Alt-68er-Steinewerfers zum Bundespräsidenten sicher mehr Symbolcharakter als der einer Frau nur um ihres Geschlechts willen.
- Margot Käßmann: Ich glaube, das hat der zuständige Redakteur direkt nach dem Morgenfrühschoppen geschrieben, zwischen dem dritten und vierten Bier.
- Ole von Beust: Er wäre der erste homosexuelle in Schloss Bellevue, befindet sie SZ. Das qualifiziert ihn natürlich, ganz ohne Frage. Ansonsten qualifiziert er sich scheinbar für "überparteilich", weil er einer schwarz-grünen Regierung vorsteht. Er gehört noch zu den Kandidaten, die eine bessere Wahl wären, aber ich glaube nicht, dass er die geringsten Chancen hat.
- Henning Scherf: Völlig unbekannt in weiten Teilen Deutschlands. Bürgermeister von Bremen und Meister einer Großen Koalition. Das verbessert zwar seine Chancen, ich gehe aber davon aus, dass die CDU einen eigenen Kandidaten auf den Schild hieven will.
- Norbert Lammert: Wird Merkel wohl gerade zu unbequem. Genau das disqualifiziert ihn aber auch für das Amt, weil Merkel einen Kuschelpräsidenten will. Deswegen hat sie ja 2004 auch Schäuble verhindert. Ich sehe keinen Lammert-Präsidenten.
Reden wir noch über Kandidaten, die in dieser Liste nicht stehen, die aber für das Amt vorstellbar wären.
- Heiner Geißler: Käme aus der CDU, qualifiziert sich definitiv für "überparteilich", hat tatsächlich was zu sagen und ist schon so alt, dass er ein elder elder statesmen ist. Wird aus genau diesen Gründen sicherlich nicht gewählt werden. Dabei könnten sich sogar SPD, Grüne und LINKE für diesen Kandidaten erwärmen.
- Christian Wulff: Hat denke ich keine Absichten, das Amt anzunehmen, aber Merkel könnte auf diese Weise einen Rivalen loswerden. Ich glaube allerdings nicht daran, dass er es wird, weil diese Strategie Merkel zu riskant ist und Wulff eh auf ihr natürliches Ende zu warten scheint.
- Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Die wäre weiblich und käme von der FDP, wäre aber wegen ihrer tatsächlich liberalen Einstellungen auch für Teile der Sozialdemokraten und Grünen wählbar und ein Signal Richtung Ampel und einer Umorientierung der FDP. Mich wundert, dass noch niemand auf diese Idee gekommen ist.
- Lena Meyer-Landrut: Wenn wir schon alberne Kandidaten für das Amt hernehmen, warum dann nicht gleich richtig?
- Guido Westerwelle: Auf die Art könnte Merkel ihn loswerden und schwarz-gelb einen Neustart hinlegen. Schwul wäre er auch noch. Ungeeignet ebenso, also spricht realistisch nichts gegen ihn.
Wie wird das jetzt aber weitergehen? Wenn Schäuble nicht so krank wäre würde ich sagen, er versucht aufgestellt zu werden. Da er aber gesundheitlich angeschlagen ist, ist das eher zweifelhaft. Vermutlich dürfen wir auch mit einer Kandidatur Schwans rechnen. Vielleicht ziehen die Verantwortlichen aber auch noch ein völlig unbelecktes Blatt aus dem Ärmel wie weiland Köhler. Es bleibt auf jeden Fall interessant.
Ein regelrechtes Grusel-Kabinett, welches die SZ da ausgebuddelt hat.
AntwortenLöschenDu hast es trefflich kommentiert. Zu Annette Schavan möchte ich noch Georg Schramm zitieren, der anmerkte "ein Name, der Ihnen mit Recht nichts sagt."
Lena darf nicht (zu jung), wäre sonst wohl sofort durchgewunken worden.
Ich habe gestern im Bekanntenkreis ja den Kaiser Franz vorgeschlagen. Kam nicht gut an...;-)
Vielleicht kommt Frau Merkel ja auf Herrn Huber, den Bischof a.D. Immerhin auch ein neoliberaler Vordenker und einer vom Schlage Horst Köhlers. Man darf gespannt sein, so oder so. Muss ja schließlich schnell gehen.
Wie wäre es denn mit Joe Ackermann. Er wäre dann nicht nur gefühlt der Chef im Land und könnte ohne Probleme im Kanzleramt ein und ausgehen. Außerdem was sind schon Geburtstagsfeiern im Kanzleramt, gegen Geburtstagsfeiern in einem Schloss.
AntwortenLöschenWie wäre es mit Georg Schramm?
AntwortenLöschenEs geht immerhin um ein Amt, dessen einzige Macht das Wort ist. Also sollte man jemanden nehmen, der mit dem Wort umgehen kann.
Was spricht denn nun gegen Margot Käßmann? Außer einer dummen Bemerkung, dass der Redakteur dies wohl "zwischen dem dritten und vierten Bier" geschrieben hätte sehe ich nichts.
AntwortenLöschenWas für eine Liste - fehlt nur noch Bischof Mixa. Der wäre frei und würde den Prunk im Schloss sicher genießen. Außerdem wäre er der erste kathoische Bischof im Amt des Bundespräsidenten. Wenn das nicht ausreicht aus Qualifikation, dann weiß ich auch nicht.
AntwortenLöschenAber Scherz beiseite: es wird wohl einer aus dem schwarz-gelben Lager werden (auch wenn mir da kein wirklich guter Kandidat einfällt). Ich hoffe, Edmund Stoiber bleibt uns erspart. Vielleicht wirds ja Kurt Biedenkopf? Oder Bernhad Vogel?
Es hatten ja schon recht viele Zeitungen Listen mit möglichen Köhler-Nachfolgern (meistens als Klickstrecken), aber die Süddeutsche hat sich unter der gigantischen Menge der in Frage kommenden gerade ein paar der unwahrscheinlichtsen rausgesucht, plus die dämlichsten Begründungen.
AntwortenLöschenWas spricht denn bitte für Käßmann? So ein Unsinn! Genausogut könnten wir Ballack nominieren. Oder Lena. Oder Stefan Raab. Bundespräsident istein politisches Amt, da gehört auch ein Politiker hin.
AntwortenLöschenWas Käßmann direkt qualifizieren soll versteh ich auch nicht. Außer, dass sie mal was Kritisches zum Afghanistan-Einsatz gesagt hat und dass sie zurückgetreten ist statt auf ihrem Posten zu beharren (ich finde das übrgens gar nicht so eine Lappalie, wie viele tun, volltrunken Auto zu fahren und dadurch Menschen extrem zu gefährden). Ach, so und das sie eine Frau ist natürlich nicht zu vergessen!!!
AntwortenLöschenWarum wurde Peter Sodann hier noch nicht genannt? Als Schauspieler auch mehr als qualifiziert auf der großen Bühne mitzuspielen....
AntwortenLöschenGleicher Grund. Es war eine Hornochsenidee von der LINKEn, ihn als Kandidat zu benennen, und ich hoffe sie lassen den Unsinn dieses Mal sein.
AntwortenLöschenAch, die Schwans, die Steinbrücks, die Fischers und wie sie alle heißen - hoffentlich nicht. Georg Schramm als Staatsoberhaupt - ja, das ist eine gute Idee!
AntwortenLöschenMein Vorschlag wäre die e r s a t z l o s e Streichung des Amtes eines Bundespräsidenten, und zwar aus Kostengründen bis auf weiteres. Sagen wir mal, solange bis die vom gerade zurückgetretenen Bundespräsidenten mitabgesegneten und bereits verbrannten bzw. noch zu verbrennenden Banken"rettungs"milliarden wieder zurückgezahlt worden sind, aber genau von denen die die Krise ursächlich (egal ob willentlich oder fahrlässig) herbeigeführt bzw. in Kauf genommen haben.
Damit das Schloß Bellevue in diesem Zeitraum nicht etwa unbewohnt verwaist bzw. nutzlos vor sich herdümpelt, würde ich des weiteren vorschlagen, dieses schmucke Objekt zu einem echten Zeichen des guten Willens umzufunktionieren. Und zwar zu einer Begegnungsstätte zwischen der dünn gesäten oberen Kaste dieser Bananenrepublik und der explosionsartig anwachsenden Kaste der Unberührbaren dieses Landes. Allen anderen dazwischen sollte es selbstverständlich auch möglich sein, diese Räumlichkeiten als Ort der friedlichen Diskussion auf Augenhöhe bzw. zur Begegnung zu nutzen, da sie ja diese Stätte sowieso durch den Einsatz ihres Schweißes und Verstandes erst möglich machen.
Last but not least würde ich vorschlagen, die Pläne für den Bau des Luxusprestigeobjektes Berliner Stadtschloß ad acta zu legen. Da man aber an diesem einstigen Ort der Begegnung schon mal reinen Tisch geschaffen hat, könnte man sich eine weniger verschwenderische sinnvolle Alternative zu dem sündhaft teuren Projekt überlegen. Eine sinnvolle Alternative wäre zum Beispiel, das Volk mit in die Überlegungen einzubeziehen. Vielleicht sollte man ein Teil dieses geschichtsträchtigen Ortes dazu nutzen, all der neuerlichen Kriegsopfer und des neuerlichen Leids - von Deutschen verursacht - zu gedenken, gerade auch im Angesicht der deutschen Geschichte. Sozusagen als Mahnung an uns selbst und denen die nach uns kommen. Als Mahnung, die - wie es aussieht - von Zeit zu Zeit einer Erneuerung bedarf. Immer wieder.
wenn wir schon beim Horrorkabinett sind: Roland koch ist seit kurzem wieder frei!
AntwortenLöschensarazzin, der is nicht nur eklig, der sieht auch noch so aus!!
AntwortenLöschen@Stefan:
AntwortenLöschenMag ja sein, dass der Bundespräsident ein politisches Amt ist, aber sollte es nicht so sein, dass es parteiübergreifend besetzt wird? Mit welchem Recht kungeln sich da drei Gestalten jemanden aus, der dann wieder "Präsident aller Deutschen" werden soll?
BTW: Die Zeichen stehen ja wohl auf Frau vdL. Hoffentlich geht dieser Kelch an uns vorüber.
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenFriedbert Pflüger hat jetzt den Sozialdemokraten Richard Schröder ins Spiel gebracht.Der sei laut Kölner Stadtanzeiger ein Vordenker der SPD.
AntwortenLöschenIch war erstmal überrascht, dass es überhaupt noch einen Denker in der SPD gibt.
Wenn ich mir die SPD-Politik der letzten zehn Jahre so anschaue, kann das Einzige was Schröder so "vorgedacht" hat, die Agenda 2010 sein. Mehr war da nicht.
http://www.ksta.de/html/fotolines/1275303973384/rahmen.shtml?10
Ja dann nehmt halt Horst Schlemmer, er sieht nicht gut aus nuschelt ( was die politische diskussionen anheizen dürfte, da man alles in dieses nuscheln hineininterpretieren kann) und hat kein Profil (Slicks).
AntwortenLöschenAber warum wird eigentlich immer noch das Deutsche Volk bevormundet wenn es um seinen höchsten Vertreter geht?
Weil dann die Weimarer Republik wieder auferstehen würde??