Von Markus Weber
Die Nominierung von Joachim Gauck als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten durch SPD und Grüne wurde von der Öffentlichkeit und den Medien insgesamt sehr positiv aufgenommen. Gauck hat sich sicher große Verdienste erworben, er hat wichtige Tätigkeiten durch- und diese auch gut ausgeführt. Er hat gewisse rhetorische Fähigkeiten und man könnte ihn sich schon in einer repräsentativen Funktion vorstellen. Als einen parteiübergreifenden Präsidentschaftskandidaten hätte man sich Gauck gut vorstellen können, aber Union und FDP gaben der Parteipolitik den Vorzug. Er wird sicher einige Stimmen aus dem schwarz-gelben Lager auf sich ziehen und kann diesem damit auch einen politischen Schaden zufügen. Sollte er gar, wovon freilich bei der Dominanz von Parteigehorsam hierzulande nicht auszugehen ist, tatsächlich gewinnen, wäre dies ein äußerst schwerer Schlag für die Bundesregierung.
Vor allem aber ist der Kandidat der Opposition natürlich ein symbolischer Kandidat, bei dessen Nominierung politische und taktische Signale ausgesendet werden. Politisch ist Gauck aber kein linker Kandidat. Er steht nicht für originär linke Überzeugungen und scheint sie auch bei vielen Themen nicht zu teilen.
WELT ONLINE: In der SPD und bei den Grünen wird manches vertreten, was nicht gut zur politischen Philosophie des Joachim Gauck passt. Wie leben Sie damit?
Gauck: (…) Ich weiß wohl, dass in beiden Parteien auch linke Positionen vertreten werden, die nicht völlig zu meinen politischen Grundüberzeugungen passen. Für mich ist der Wert der Freiheit von allergrößter Bedeutung – und das sieht man im linken Spektrum zuweilen doch ganz anders. Dort ist ein Wert wie Solidarität viel wichtiger, und man vertritt eine staatliche Fürsorglichkeit, die mir manchmal viel zu weit geht, nämlich dann, wenn sie entmündigende, entmächtigende Tendenzen fördert.
(Welt.de)
Es ist nicht verwunderlich, dass etwa Welt und FAZ seine Nominierung sehr stark begrüßen, ihn als “bürgerlichen Held” bezeichnen und ihn gar Wulff vorziehen. Gauck äußert sich aber selten politisch, soweit er nicht irgendwie einen Bezug zur DDR herstellen kann. Und gerade hier sind seine ständigen Versuche, alles links der SPD (oder auch, wir erinnern uns, innerhalb dieser) politisch in Stasi-Nähe zu rücken, nicht gerade ein integeres Vorgehen.
Gaucks gewiss nicht unproblematisches Verhältnis zur Partei Die Linke (und umgekehrt) war in den vergangenen Tagen öfter Thema in den Medien. Die taz kommentiert, anstatt wenigstens hier an einem Strang zu ziehen, hätten SPD und Grüne die Linke düpiert. Rot-rot-grüne Annäherungen würden vor allem durch die Art der Nominierung nachhaltig blockiert. Die Tagesschau sieht das ähnlich, begrüßt dies aber naturgemäß. Selbst eine Taktik, bei der die SPD “der Linkspartei die Pistole auf die Brust setze” und die Zustimmung oder Ablehnung Gaucks uminterpretiert auf “Wenn ihr wirklich abgeschlossen habt mit den dunklen Kapiteln der DDR-Vergangenheit, dann müsst auch ihr für Gauck sein” (Zitat Tagesschau.de) begrüßt sie. Hier zeigen die Mainstream-Medien ihre Methoden einmal ungewohnt offen, denn gewiss können wir genau eine solche Interpretation nach der Wahl erwarten. Auch jetzt schon benutzen viele Medien die Gleichung Ablehnung von Gauck = mindestens unklares Verhältnis zur DDR, von der Springer-Presse, bis hin zur Frankfurter Rundschau. Und auch Sigmar Gabriel bereitet bereits den Boden dafür:
Nach der CDU hatte Gabriel auch der Linkspartei Gauck als Kandidaten vorgeschlagen. Er stieß allerdings auf Zurückhaltung. Dies habe ihn sehr überrascht. „Mir fehlt die Phantasie für ein rationales Argument.“ Sollten Teile der Linken Gauck ablehnen, da dieser die Aufklärung der DDR-Vergangenheit vorantreibe, sei dies Grund für eine Neubewertung der Partei.
(Focus.de)
Es lässt sich jedenfalls nicht der Eindruck von der Hand weisen, dass für die Nominierung Gaucks zumindest auch die weitere Abgrenzung von der Partei Die Linke, ohne sich mit politischen Inhalten beschäftigen zu müssen, und die “Schuld” als “DDR-Nostalgiker” und “Stasi-Verharmloser” dann auf diese schieben zu können, ein Faktor war. Spiegel Online schreibt, so sehr Gauck als Stachel ins bürgerliche Lager reichen soll, so sehr sei er ein gewünschtes Signal gegen ein Linksbündnis (was Gauck auch wisse).
Stephan Hebel schreibt auf FR-online.de, dass Gauck zwar “im Umgang mit der Linkspartei die Wirkung der SED-Wurzeln über- und die Lernprozesse der letzten 20 Jahre unterschätzt" habe, er aber kein Geschichts-Relativist sei und um die Relationen wisse. Auch aus strategischen Gründen, für eine rot-rot-grüne Perspektive, solle die Linke Gauck wählen.
Magda Geisler schreibt in ihrem Freitag-Blog, die Nominierung Gaucks sei clever, aber “genau so von machtpolitischen Überlegungen bestimmt, wie das Handeln von Merkel”; jayne schreibt beim Freitag, Gauck sei ein Mann der Vergangenheit, der das in der DDR begangene Unrecht gegen jedwede gesellschaftliche Alternative jenseits der kapitalistischen Wirtschaftsweise instrumentalisiere. Flatter von Feynsinn meint, Gauck spalte den Rest jenseits von Schwarzgelb noch einmal. Der Oeffinger Freidenker schreibt, Gaucks Wahl sei eine deutliche Abfuhr der SPD und der Grünen an die Partei Die Linke und verdüstere die Zukunftsaussichten auf ein Rot-Rot-Grünes Bündnis 2013.
Gauck, so viel ist sicher, ist kein Kandidat, der die politische Linke einigen kann, ganz im Gegenteil. Dabei sollte dies in der derzeitigen politischen Situation aber für SPD und Grüne im Vordergrund stehen, und nicht, ein paar Lorbeeren durch die bürgerliche Presse einzuheimsen.
[mw]
Ich verstehe nicht, was für ein Problem die Linke mit dem Kandidaten hat. Wenn sie ihn wählt, nimmt sie dem ganzen "Die Linken wollen ja doch nur die DDR zurück"-Bullshit den Wind aus den Segeln, diese Chance sollte man doch nutzen?
AntwortenLöschenDas stimmt schon. Mit einer Zustimmung zu Gauck könnte die Partei Die Linke mit einem Schachzug die ständigen DDR-Verharmlosungs-Unterstellungen ad absurdum führen und könnte den Einfluss derjenigen in den eigenen Reihen schwächen, die vielleicht tatsächlich eine problematische Einstellung dazu haben.
AntwortenLöschenAber ich muss sagen, ich kann andererseits auch verstehen, dass man jemanden nicht wählen will, von dem man ständig als Stasi-Freund o.ä. bezeichnet wird (und der eben kein linker Präsident wäre).
Von den Stasi-Vorbehalten einmal abgesehen, gibt es auf den NDS heute eine gute Abhandlung über die Verbindung von Herrn Gauck mit der Deutschen Nationalstiftung. Ich denke vielmehr, auch hier gibt es genügend Vorbehalte gegen Herrn Gauck, die auch eine Rolle für die Ablehnung spielen dürften.
AntwortenLöschen@ Anonym:
AntwortenLöschenMir wäre diese Vorgehensweise zutiefst zuwider. Nur um strategisch vorzugehen, würde ich niemals jemandem das Wort reden, dessen Worte ich eigentlich ablehne. Das läuft aufs Selbe hinaus, wie die simple (falsche ) Weisheit: Meines Feindes Feind ist mein Freund.
Gaucks "Aufarbeitungen" haben weniger mit der Stasi-Verstrickung bestimmter Leute, ohne Ansehen der Person, zu tun, sondern es ist vielmehr ein selektives In-Verbindung-Bringen Einzelner, welche seinem heutigen Weltbild nicht passen. Es geht ihm nicht darum, was sie "damals" getan haben, sondern wo sie heute stehen. Danach wählt(e) er aus, ob sie eins mit der Stasi-Keule übergezogen bekamen oder eben nicht.
Für eine Einigung der politischen Linken sind SPD und Grüne noch nicht weit genug. Noch spielen viel zu viele Neoliberale und Schröderianer in diesen Parteien eine wichtige Rolle.
AntwortenLöschenIch bin entsetzt über die weit ins linke Spektrum reichende Akzeptanz von Gauck.
AntwortenLöschenIch rede nicht von seiner oftmals diffamierenden Umgang mit den Stasi-Akten.
Sein Hass auf die Stasi ist verständlich und aus seiner Vitae erklärbar.
Seine neoliberale - alles soziale ablehnende - Haltung, ist für einen sozialen Demokraten inakzeptabel, und ich kann "Der Linken" nur zu ihrer Haltung beglückwünschen
@ Martin W.
AntwortenLöschenhier der Link zu den NDS zum Thema:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=5806#h02
Ich verstehe die Diskussion nicht.
AntwortenLöschenWelche aktuelle Probleme gibt es . Und welche Stellungnahmen von Herrn Gauck gibt es dazu?
Hat Herr Gauck die geringste Kompetenz hierzu eine fundierte Meinung zu haben.
Ein Fachmann für DDR-Vergangenheit. Und sonst?
Hat er gegen eine einzige in der Vergangenheit begangene Ungerechtigkeit Stellung genommen?
Der Mann ist doch wirklich vielleicht 100 Menschen näher bekannt.
Ist schon witzig. Gauck ist - selbstredend - wesentlich mehr als der Bürgerrechtler und Chef der Gauck-Behörde.
AntwortenLöschenGauck ist ein strammer Neoliberaler, mit den üblichen grotesken, mantraartig hergebeteten Platitüden, die für diese Leute nun einmal charakteristisch sind.
Es ist schon interessant, das dies nun der Wunschkandidat von SPD und Grünen ist. Vor einigen Jahren wurde Gauck von der CSU (AFAIK) als Kandidat ins Gespräch gebracht.
Zeigt wohl gut, wo SPD und Grüne heute stehen.
@ Lutz Hausstein:
AntwortenLöschenIch glaube nicht, dass man Gaucks Arbeit generell so beurteilen kann, auch wenn er sicher nicht bei einzelnen Personen aus verschiedenen politischen Richtungen immer gleich vorgegangen ist. Aber es ist ja nicht so, dass "seine" Behörde nur dazu da ist, Die Linke zu unterdrücken und alle anderen reinzuwaschen o.ä.
Ja, Gauck ist sicher kein Linker und vertritt eine eher wirtschaftsliberale Linie, das ist klar.
AntwortenLöschenWollte Die Linke nicht heute ihren Kandidaten nennen?
Ich finde es aber sehr vernünftig, dass sie Gauck zumindest im zweiten Wahlgang eventuell wählen will, wenn man damit Wulff verhindern kann.