Mittwoch, 2. Juni 2010

Buchbesprechung: Hans Günter Hockerts/Winfried Süß - Soziale Ungleichheit im Sozialstaat

Von Stefan Sasse

Der Sozialstaat scheint in der Krise zu sein. In fast allen Ländern Europas sind die Staaten schwachbrüstig, wissen ihre sozialen Sicherheitssysteme kaum zu finanzieren und kämpfen mit verschiedenen Problemen. Der Sozialstaat muss sich außerdem des Vorwurfs erwehren, nur eine teure Umverteilungsmaschinerie zu sein und soziale Ungleichheit nicht zu beseitigen, sondern zu schaffen oder zumindest zu institutionalisieren. Sieht man sich an, wie wenig milliardenschwere Bürokratiemonster wie Hartz-IV an der Misere verbessern konnten, ist man geneigt, die Fragestellung zu teilen.

In der Reihe „Zeitgeschichte im Gespräch“ haben verschiedene Autoren vergleichende Studien über das sozialstaatliche System der BRD und Großbritanniens angestellt. Es ist dabei interessant zu sehen, wie verschiedenartig die Systeme beider Länder sind und wie sie mit den Begriffen „Gleichheit“ und „Gerechtigkeit“ operieren respektive welche Agenda sich dahinter verbirgt. So zum Beispiel findet sich im britischen Rentensystem nicht der Anspruch des deutschen Systems, Lebensstandarderhaltend zu wirken. Stattdessen garantiert das britische System lediglich eine äußerst marginale Grundrente von rund 600 Euro; der Rest muss privat aufgebracht werden, was natürlich angesichts der miesen Löhne für einen großen Teil der Bevölkerung und die allgemein schlechte wirtschaftliche Lage reine Illusion ist und zu einer gewaltigen Altersarmut in Großbritannien führt. Es ist jedoch absehbar, dass in Deutschland bald dieselbe Lage herrscht. Die systematische Aushöhlung der umlagefinanzierten Rentenversicherung und die Unmöglichkeit, mit Hartz-IV entsprechende Beiträge privat vorzusorgen, schafft auch hierzulande absehbare Altersarmut. Doch nicht nur im Rentenbereich gehen die beiden Länder die Sache anders an. Auch bei der Verteilung von Bildungschancen ist man im deutlich klassengeprägteren Großbritannien, wo der Akzent viel deutlicher als hierzulande bereits Ausweis der sozialen Herkunft ist, deutlich anders veranlagt als hier in Deutschland, wo der Staat noch immer für rund 98% der Bildungsinstitutionen sorgt. Doch auch hier gleichen sich die Systeme an, wo Deutschland versucht, den Elitebildungseinrichtungskult der Angelsachsen auf Provinzialniveau zu imitieren.
Vergleichbare Anstrengungen haben beide Staaten dagegen im Bereich der Geschlechtergleichstellung unternommen, und in beiden Ländern ist es fraglich, ob man dies als Erfolgsgeschichte werten kann. Die Anteile der Frauen in Chefetagen bleiben unvermindert niedrig, ebenso in den überbezahlten Berufsbranchen. Es scheint, als ob die Gleichstellungspolitik beider Länder bislang wenig zielführend war, sieht man einmal davon ab, dass in der staatlichen Verwaltung weitgehend das Leistungsprinzip zugunsten der Quote abgeschafft wurde.

Die unterschiedlichen Autoren benennen in ihren Beiträgen pointiert die Probleme, mit denen die so verschiedenen sozialstaatlichen Systeme zu kämpfen haben und erklären auch, wie sich diese historisch erklären lassen. Dabei spielt die relative Stärke der britischen Gewerkschaften zwischen 1950 und 1979 ebenso eine Rolle wie Expansionspolitik des deutschen Sozialstaats. Beide Staaten haben, in unterschiedlicher Intensität, nur bedingt funktionsfähige Modelle des Sozialstaats am Ende einer langen Boomphase expandiert und leiden noch heute an den Folgen. Eine vernünftige Sozialstaatsarchitektur wie sie etwa Skandinavien aufweist, fehlt in beiden Ländern.
Diese Rezension erschien erstmals beim Roten Dorn und wurde im Auftrag des Portals erstellt. 

3 Kommentare:

  1. Das "KAPITAL" wurde und wird nicht an der finanzierung von Sozialsystemen herangezogen....es wurde und wird immer mehr fiskalisch entlastet...wir (die dummen "Bücklinge") müssen die Sozialsysteme selber finanzieren....kann mir mal einer sagen für was ich dann Politiker, Regierungen oder überhaupt einen STAAT brauche????????
    Die Vernunft sagt sobald die UNGLEICHEIT zunimmt wird es AUFSTÄNDE geben und das ist meiner Meinung nach so gewollt!!!!

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  2. Also Leute nur zur Klarstellung....mit geht es hier nicht um Kommunismus , Sozialsmus oder Kapitalismus oder andere Systeme und Glaubensrichtungen...mir geht es schlicht und allein um die VERNUNFT!!!!
    Vernuft scheint aber ausgestorben zu sein in unserer Zeit und von Verantwortung kann überhaupt keine Rede sein ...sag mir mal einer ...was machen wir hier noch...was soll das eigentlich noch???
    Kein Mensch versteht mehr diese Falschheit, Manipulation,Lügen,Ignorieren,Verschleiern und und und...!!!!

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  3. @Daniel::
    Wie es EINE WAHRHEIT gibt gibt es auch nur EINE VERNUNFT...Ich sehe UNS Menschen und die Natur als EINS...und wir können nur überleben wenn wir in dieser Gemeinschaft VENÜNFTIG miteinander umgehen....respekt voreinander haben...Unterschiede und Ungleichheiten nicht zu gross werden lassen!!!Ob eine Revolution die Lösung unserer Probleme ist oder sein wird ...wag ich mal zu bezweifeln...es hat schon viele Revolutionen früher gegeben ..und ?...was ist daraus geworden...wir haben wieder das gleiche System welches die Revolution abschaffen wollte!!!
    Es ist an der Zeit unserer Kreativität einzusetzen und mal etwas oder mehrer Dinge anders zu machen als immer diese Wiederholungen...Warum muss erst alles dem Boden gleichgemacht werden ??? Man kann könnte ja mal seine VERNUNFT einsetzen!!!

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