Freitag, 4. Juni 2010

Quo vadis, Qualitätsjournalismus?

Von Stefan Sasse

Henning Mankell, der Schriftsteller, war auch anbord des Gaza-Hilfskonvois und berichtet nun über seine Erfahrungen. Grund genug für die Süddeutsche, darüber zu berichten. Was aus dem Miniartikel herausgekommen ist, ist ein Lehrstück über "Qualitätsjournalismus", denn Autor Thorsten Schmitz hat es sich aus einem unerfindlichen Grund zum Ziel genommen, Mankell persönlich zu zerstören. 
Die Aufmerksamkeit, die Henning Mankell in der Berliner Volksbühne auf sich zieht, bekommen die nie, von denen er jetzt redet. Reporter, Fernsehteams und Verlagsmenschen sind an diesem Nachmittag nicht ins Theater gekommen, um einem Palästinenser zuzuhören, sondern einem Schweden, der einige Zeit pro Jahr in Mosambik lebt, viele Millionen mit Krimis verdient und sich den Luxus leistet, ein linker Moralist zu sein.
 Für die einseitige Themenwahl der Massenmedien ausgerechnet Mankell verantwortlich zu machen, wo man es doch eigentlich selbst ist, ist dreist. Es ist, wie wenn sich der Wolf bei den Schafen darüber beschwert, dass es nie was Vegetarisches gibt. Auch der Hinweis auf die Millionen ist perfide und zur Delegitimierung des Autors gedacht, denn wie wir wissen, gilt ja die Formel links=arm. Das hat man bereits bei Lafontaine versucht. Auch die Bezeichnung "Moralist", die aus unerfindlichen Gründen als "Luxus" abgetan wird und negativ konnotiert ist, schlägt in diese Kerbe. 
Und weil an diesem Nachmittag kein Palästinenser vor den Mikrofonen sitzt, spricht Mankell mit einem Furor über den grauenhaften Morgen im Mittelmeer und die Arroganz israelischer Soldaten, als sei er Pressesprecher der 1,5 Millionen Palästinenser im Gazastreifen.
 Unsere Politiker gebärden sich jeden Tag als Pressesprecher für 82 Millionen Deutsche, ohne dass das jemanden stört. Warum auch? Wer von Euch Qualitätsjournalisten würde denn einem Palästinenser zuhören, wenn er vor dem Mikrofon säße? Eben.
Mankell selbst hat den Angriff der israelischen Marine unverletzt überstanden, die Soldaten hätten ihm aber Kreditkarte und Kamera gestohlen. Auch die Socken. Den Rückflug habe er barfuß angetreten.
Ebenfalls sehr perfide. Die Tatsache, dass er unverletzt aus der Sache herauskam, wird ihm auch noch angekreidet. Dazu wird seine Erfahrung ins Lächerliche gezogen, weil man ihm die Socken nahm. 
Zu Israels Behauptungen, die Solidaritätsschiffer hätten Waffen an Bord transportiert, sagt Mankell, auf seinem Boot seien keine gewesen. Das einzige scharfe Gerät habe er bei sich gehabt - einen Nassrasierer. Dieser sei von den Soldaten beschlagnahmt worden.
Genauso funktioniert der letzte Absatz. 
Warum Thorsten Schmitz glaubt, er müsse Mankell demontieren, wird wohl ewig sein Geheimnis bleiben. Ich kann es nicht nachvollziehen. Aber es ist immer wieder gut zu wissen, was man am Qualitätsjournalismus hat, der langsam echt zu einem Schimpfwort degeneriert.

7 Kommentare:

  1. Eine qualitätsvolle Replik auf die Süddeutsche wäre die Bemerkung: Man sollte Thorsten Schmitz mal das Fett absaugen.

    Ernsthaft: Schmitz bedient sich einer Technik, die mir schon vor über zehn Jahren in und an der ZEIT aufgefallen ist: Man desavouierte Gesellschafstkritiker, indem man über ihren fragwürdigen Charakter berichtete. Man redete also nicht mehr über die Sache, sondern über die Person.

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  2. @klaus baum

    Das ist doch die üblich Strategie der Nichtargumente. Erst versuchst du zu argumentieren. Funktionierte das nicht versucht man seinen Gegner niederzuringen indem man sich über ihn lustig macht, als dummes kleines Kind oder unseriös darstellt. Reicht das immer noch nicht wird wiederholt und laut geschrien was das Zeug hält. Man natürlich auch alles gleichzeitig machen.

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  3. "...was man am Qualitätsjournalismus hat, der langsam echt zu einem Schimpfwort degeneriert"

    Schon geschehen. Es IST ein Schimpfwort, auch ohne "Qualität".

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  4. Hallo Herr Sasse,

    ein erster Schritt wäre, einfach das Kürzel "QJ" dem Namen der betreffenden Person voranzustellen und dieses für notorische Fälle konsequent, wie ein Vornamenskürzel, beizubehalten.

    Auch könnte man für notorische Fälle eine TBSL einführen (to be skipped-list, führe ich intern bei mir bereits seit langem), die alle Kandidaten enthält, die nachweislich und wiederholt systematisch falsch oder irreführend informieren. Das muss natürlich hieb- und stichfest belegbar sein. Ist beispielsweise im Wissenschaftsjournalismus (z.B. Klima) viel einfacher. Man wirft dann nur einen Blick auf die Liste und sagt "skip". Es ist ein Service für den Leser.

    Ein Problem liegt ja darin, dass die Informationen über die vielen QJ so verstreut sind und niemals gebündelt werden. Überhaupt verwundert mich manchmal der Mangel an Konsequenz in der Szene der kritischen Blogger. Dadurch zerfasert viel an kritischem Potential. QJ pflegen nach meiner Erfahrung ihr Verhalten beizubehalten. Einmal QJ, immer QJ. Es wird einen QJ auf Dauer nicht unberührt lassen, wenn er weiß, dass "über ihn Buch geführt" wird, und zwar öffentlich einsehbar und sauber belegt. Und es ist keine "Denunziation" dabei, keine persönliche Diffamierung, nur ein "can be skipped without loss of information" als Service für Leser, deren Zeit knapp ist.

    Viele Grüße

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  5. Hallöchen;-)

    hier im ganzdeutschen Norden heißt das Quallischurn und ist inzwischen ´ne ächte Stamm tischlachplatte wie weiland der Kudeel Schnööf;-)

    Und wenn das mit der Twitter-etc.-Vernätzung so weitergeht wird schon bald aus der Erde wieder ´ne Scheibe;-)

    Also VORWERTS MIT DEM GANZDEUTSCHEN QUALLISCHURN

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  6. Merkmale des gemeinen Qualitätsjournalist ,auch „scriptor qualitatis“(SQ) genannt :

    - offensiv vorgezeigter Presseausweis eines sogenannten Qualitäts-Information-Mediums „libri qualitatis“
    - gesponserter PKW, vorzugsweise aus gehobener deutscher Produktion
    - geschenktes Smartphone (natürlich nur zum Testen) überwiegend von der Firma mit dem Apfel-Logo
    - Inhaber eines üppigen „Miles&More“ Kontos einer großen deutschen Fluggesellschaft (die mit dem Kranich im Logo)
    - Besitzer einer Bundestags -Dauerkarte, die auch den Zutritt zu VIP-Bereichen ermöglicht
    - erhält Vorzugsbehandlung in den sogenannten Berliner Prominenten-Lokalen (Reinhard etc.)
    - Achtung: herrausragende journalistische Fähigkeiten sind nicht vorhandent, ja geradezu ein Ausschlußkriterium .Ausnahmen wie z.B. H.Prantl betätigen hierbei die Regel.

    Der scriptor qualitatis tritt in der Regel im Rudel auf.
    Er wird daher auch „scriptor qualitatis grex“ also gemeiner Qualitäts-Rudeljournalist genannt.

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