Samstag, 5. Juni 2010

Den Kälbern in der Farm geflüstert


Köhlers Abgang hat, fast selbstverständlich, dramatische Folgen. Sein Rücktritt wird immer harmloser gegen das, was sich über der leeren Stelle entlädt.
Köhler ist, wie sich jetzt heraustellt, eben durch einen progressiven Step nach hinten mit knapper Mühe und Not dem entgangen, was danach kam.
Es wäre kein Wunder, wenn ihn genau das bewegt hätte.
Wahrscheinlich hat er ein Orakel befragt, darauf  scheint noch Verlass: „…transzendente, häufig göttliche Offenbarung, die der Beantwortung von Zukunfts- oder Entscheidungsfragen dient. Die mittels des Orakels gewonnenen Hinweise und Zeichen können dem Fragenden als Rechtfertigungsgrund eigener Entscheidungen und Handlungen dienen.“ (Wikipedia)
Woraus könnte der Köhlersche Heils-Extrakt also reiner gewonnen worden sein?

Wie Heuschreckenschwärme fallen nun all die Zyniker, die Hasserfüllten, Gelegenheitsdenker, eleganten Besserwisser, ewig strebenden Teufel, Maulhelden, Humoristen, Großindividuellen, Aberwitz-Kreativen, Zukurzkümmernden, Gewohnheits-Mobber über den verlassenen Platz im Licht her, rangeln um die hellsten Flecken, um dem begrabenen Hund jeweils die Grabrede zu halten.
Es zeigt sich, wieviele in Fragen Moral, Charakter, Ethik und Wille sicherer und fester sind und urteilen als ihr Staatspräsident.
Und ihre Sätze, Witze, Banalitäten, Liedchen fallen krachend wie die einzelnen defizitären Posten des kompletten Verbal-Inventars einer längst pleitegegangenen deutschen Traditions-“Dran und Drauf“-Revolution herab auf Köhlers Vakanz, der heilige Volkszorn geht wuchtig ins Leere, zuletzt schlagen Klavier und Amboss auf – man kennts von älteren Trickfilmen. Beliebt und lustig.
Als hätte der Bischof Mixa vor Köhler sich hingestellt und gefordert: „Wer frei von Schuld ist, der werfe den ersten Stein!“ – und nach einem Augenblick wahrhaft ungläubigen Staunens prasselt es hernieder – von oben herab und von je weiter oben, desto besser. Das soll so sein.
Mach dir Luft, Volk!

Schon sieht man durch flirrende Hitze und aufgewirbelten Savannenstaub  die Ursula von Ferne kommen, auf ihre Weise unnachahmlich in slow motion wie einst Henry Fonda in „Spiel mir das Lied vom Tod“.
Der Szene wird allmählich der falsche Film, das Volksenttäuschungs-Panorama-Leporello, perspektivisch futuristisch eingemischt.
Und im Augiasstall, wo man knietief im eignen Mist steht,  wirds allmählich ruhig, die Spannung wächst: wen haben die Kälberflüsterer gewählt…?
Wer wird auf die höchste Postion des Sozialstaats, dem die Mundharmonika schon zwischen den Zähne steckt, steigen? Wer?!
Ach, ja, Wulff -
Warum nicht  Westerwelle? Warum nicht der Beste, den das deutsche Furnier, wo der Lack längst ab ist, aufgeboten hat, um seine Interessen durchzusetzen, den fadesten Zeremonienmeister seiner Majestät, der Phrase? Warum nicht „Frank“?

Und warum nicht Wegrationalisierung des Bundespräsidenten?
An seiner Statt ein Automat! Ein Avatar!
Alles, was die Meinungsfreiheit hergibt, wird in den rückwärtigen Computer eingegeben, stündliches update des Mainstreams, wöchentlicher Beliebtheits-Abgleich durch Identitäts-Aktualisierung (diese Woche wäre eine gewisse Ähnlichkeit mit unserer Lena kein Zufall) usw., daraus werden die Reden gebaut, der Grad der Menschlichkeit und Natürlichkeit oder der Härte bei der Verkündung der Wahrheit usw. hergestellt. Ein Tamagotchi.
Für Vorbeimärsche im Ausland wird Daimler Benz doch einen respektablen Apparat erschaffen können?

Es erschallt ein neuer Weckruf durch die Wüste: die Sparvorschläge der Arbeitgeber werden verkündigt! Aber die Kälber sind müde …
Der Mob hat sein Spektakel gehabt, jetzt ist Montag. Das Schindluder muss getrieben werden …
Tja. Die Zeiten sind vorbei, da man jedenfalls immer noch ein Haar in der Suppe finden konnte. Jetzt hat man rationalisiert und es gibt Haarsuppe.
Da muss man jetzt die Nudel suchen.

[mk]

3 Kommentare:

  1. Ohoo, das sind ja fürwahr ungewohnt lyrische Anwandlungen hier.

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  2. @ Tim:

    Ja warum denn auch mal nicht? Auch Stefans Blog tut ein wenig mehr Spannbreite und Stilvielfalt sicher gut und wir haben in der Nachbarschaft Leute, die interessante und/oder unterhaltsame Texte schreiben, die aber bisher noch kaum jemand kennt. Das läßt sich aber ändern und wir sind der Ansicht, daß alle davon profitieren können - die Leser, die (noch) recht unbekannten Blogger und auch wir hier. Ist m.E. eine "win-win"-Situation.

    Schönen Sonntag
    Frank

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  3. apropos nudel.

    auch die eignet sich für poetische auseinandersetzungen.

    http://www.youtube.com/watch?v=PWTAEphZWAk

    -

    ach und ansonsten: friede den hütten!

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