Freitag, 11. Juni 2010

Wrap-Up

Von Stefan Sasse

Heute einmal wieder nach etwas längerer Schreibpause ein Wrap-Up mit mehreren Themen,  die allein keinen vernünftigen Beitrag hergeben, darunter das Scheitern der Ampelkoalition in NRW, die Folgen befristeter Arbeitsverträge, das BVerfG und die Alternativlosigkeit sowie die Steuererhöhungspläne der schwarz-gelben Koalition. 


1) Ampelkoalition in NRW
Die Ampel ist vom Tisch. Die FDP ist über die Frage, ob man dieses Bündnis eingehen solle, noch zerrissener, als es SPD und Grüne sind. Damit bleiben Kraft nur noch zwei Optionen: Neuwahlen oder Große Koalition. Beide Optionen sind für die SPD mit gewaltigen Gefahren verbunden. Wählt man die Option Neuwahlen, gibt es derzeit keine Garantie für eine Situationsänderung, denn nach aktuellen Umfragen wären wieder fünf Parteien vertreten. Darauf zu spekulieren, dass LINKE und/oder FDP den Sprung ins Parlament nicht schaffen wäre also äußerst gewagt. In einer schwarz-roten Koalition aber besteht für die SPD, die sie zwangsläufig als Juniorpartner betreten würde, die allgegenwärtige Gefahr, zerrieben zu werden und bei den nächsten Wahlen gerupft und marginalisiert übrig zu bleiben. Angesichts der zwei schlechten Optionen schätze ich, dass Kraft sich für die für sie persönlich weniger Schlimme entscheiden und die Große Koalition wagen wird, in die sie wenigstens mit einem Rest Würde gute Posten abgreifen kann - bei Neuwahlen wäre die Gefahr einer schwarz-gelben oder schwarz-grünen Mehrheit kaum kontrollierbar, Kraft würde als die Verliererin enden, die sie nach Lage der Dinge eigentlich auch ist. 

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2) Befristete Arbeitsverhältnisse
In der SZ befindet sich ein Artikel, in dem die Thematik der befristeten Arbeitsverhältnisse besprochen wird. In dem Artikel wird zwar um die Folgen für die Betroffenen etwas herumgeeiert, und für junge und ungebundene Arbeitnehmer ein gewaltiger Vorteil herbeifabuliert, der durch die "breite Qualifikation" dank ständig wechselnder Arbeitsverhältnisse ihren "Marktwert" steigere. Überliest man diesen ideologischen Restausfluss aber erkennt man schnell, wie kontraproduktiv die befristeten Arbeitsverhältnisse eigentlich sind, die mittlerweile ein Zehntel aller und die Hälfte aller neu  geschlossenen Arbeitsverhältnisse ausmachen. Arbeitnehmer, die keine berufliche Sicherheit haben, sind dadurch entgegen landläufiger Meinung nämlich nicht besonders motiviert, sondern arbeiten eher schlechter, weil der hohe psychische Druck ihnen deutlich zu schaffen macht. Die Unternehmen gewinnen so zwar Flexibilität im Umgang mit ihrer "workforce", doch darunter leider die Qualität. Mit einer Umkehr allerdings ist kaum zu rechnen, da sich die gesteigerte Flexibilität betriebswirtschaftlich messbar im Börsenkurs niederschlägt, die geringere Effizienz dagegen nicht - von den Folgen für die Betroffenen kaum zu reden. 

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3) Alternativlosigkeit und das BVerfG
Einige sehr interessante Gedanken hat fefe bezüglich der Ablehnung eines Eilantrags gegen den Euro-Bailout aufgestellt. Denn das BVerfG begründet die Ablehnung damit, dass die Folgen der Verfügung für die Stabilität des Finanzsystems verheerend sein könnten. Das ist zwar vermutlich sogar richtig, stellt aber zwei weitergehende Fragen. Zum einen: wenn das Stoppen des Bailouts tatsächlich den Euro in lebensgefährliche Gefahr bringt, die Regierung das BVerfG diesbezüglich also nicht angelogen hat, dann steht es um die Gemeinschaftswährung und die EU deutlich schlimmer, als es in den Medien kolportiert wird, wo man sich ja hauptsächlich Sorgen über die Inflation zu machen pflegt. Zum anderen: wenn das BVerfG auf Information der Regierung, ein Vorgehen sei alternativlos, einen Eilantrag ablehnt - wird das dann zur Regel? Sollte auch in anderen Fällen, in denen das BVerfG mangels entsprechenden Expertenwissens keine klare Expertise abgeben kann auf Regierungsinformationen zurückgegriffen werden, dann wäre das die effektive politische Kastration des BVerfG zumindest in Schlüsselfragen; halbwegs unabhängig könnte es nur noch in Bagatellangelegenheiten entscheiden. 

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4) Steuererhöhungen
Das Handelsblatt glaubt, "Merkels geheime Steuerpläne" zu enthüllen, hat dann aber doch hauptsächlich Gerüchte auf Lager. Zustimmenswert ist die Zusage, dass dies der wohl vorhersagbarste politische Wortbruch der letzten Jahre sein wird, und ebenso klar ist, dass an der Notwendigkeit zu Einnahmeerhöhungen kein Weg mehr vorbeigeht. Der Weg allerdings, den die Koalition derzeit beschreitet, ist nicht nur falsch, sondern auch kontraproduktiv. Merkel steht direkt vor der Wand der Sackgasse, in die sie seit der Wahl 2009 mit Vollgas fährt und ist nun auch noch dabei, sich in das sprichwörtliche Hornissennest zu setzen, das die Koalition darstellt. Die FDP will sich auf Teufel kaum raus weiter für das große Geld prostituieren, und Teile der CDU denken offensichtlich genauso, wenn auch die Merkels geringstes Problem ist. Die Kanzlerin steht zwischen den Entscheidungen, einen falschen und schädlichen Kurs zu fahren und so einige weitere kostbare Monate politischen Überlebens der Koalition herauszuholen oder aber der FDP endgültig den Weg zu verstellen. Die Liberalen aber stehen mit dem Rücken ohnehin zur Wand. Wenn die Kanzlerin ihnen nun auch noch hier die Gefolgschaft aufkündigt und endlich das tut, was praktisch jeder als sachlich geboten anerkennt, der nicht der FDP angehört, zwingt sie die Liberalen in die Zerreißprobe - wer wie die FDP so am Abgrund steht und sich verzweifelhaft an den letzten Strohhalm der Steuersenkungen klammert, unfähig andere Wege zu beschreiten, der ist zu allem fähig, wenn man ihm die Pistole auf die Brust drückt. Wer Merkels politisches Temparament kennt ahnt, wie sie sich entscheiden wird. 

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