Sonntag, 13. Juni 2010

Merkel im Visier des Sturmgeschützes


Der Spiegel, das einstige Sturmgeschütz der Demokratie, sieht es als seine meinungsmächtige Pflicht an, der waidwunden Bundesregierung den Gnadenschuss zu geben. In einer boulevardesken Bildersprache zeigt die nächste Spiegelausgabe eine schwarze Leere mit fetten, gelben Buchstaben: AUFHÖREN! 
Ich würde sagen, das ist ein Volltreffer. Von diesem Schlag wird sich diese Regierung nicht mehr erholen.
Es wäre das Ende einer Regierung, die nie hätte gewählt werden dürfen. Wenn sich die Qualitätsmedien jetzt mit Abscheu abwenden, dann hoffe ich auf einen Rest an Reflektionsvermögen. Denn niemand anderes als unsere Medien haben diese Chaostruppe der Unfähigkeit hoch geschrieben, niemand anderes als sie haben so getan, als wäre Schwarz-gelb der alternativlose Weg aus der Krise.
Haben die Journalisten ihre eigenen schillernden Wortblasen über unsere Mutti am Ende selbst geglaubt? Wie kann es sein, dass es in den 5 Jahre unter der Kanzlerin Merkel seitens der Presse keine nennenswerte Kritik an ihrem nicht vorhandenen regieren gab? Es ist nicht lang her, da krönte unsere Journaille unsere Mutti zur Miss World. Und jetzt, urplötzlich, ist sie aus dem politischen Olymp herunter gefallen? Einfach so? Schwachsinn! Sie war weder Miss World, noch dürfte sie jetzt am Boden liegen. Frau Merkel war und ist jetzt noch immer das, was sie stets war: brutalstmöglicher Durchschnitt! Nur unsere Medien vermögen in ihr etwas zu sehen, was nicht da ist. Denn eines kümmert unsere Medien wenig: die Realität.

nopeUnsere Kanzlerin hat außer ihrem Machterhalt keine politische Akzente setzen können. Ihre kryptischen Sätze sind nicht nur schrecklich anzuhören, nach ihrer Dechiffrierung entblößen sie ihre ganze Absurdität. Einer ihrer schlagkräftigen Formeln war “sozial ist, was Arbeit schafft”. Die ganze Asozialität dieses Satzes wurde nun in das aktuelle Sparpaket gegossen. Erst jetzt, als der ganze Irrsinn Wirklichkeit wird, wachen die ersten auf und merken: wir fahren gegen die Wand! Die Reichen werden reicher und die Armen und Schwachen sollen dafür bluten. Es ist ein Weg, der unsere Gesellschaft zerreißen wird, wenn er nicht baldmöglichst korrigiert wird.
Wenn sie schon keine politischen Eindrücke hinterlassen wird, so hat sie dennoch etwas Neues erschaffen: einen eigenen Sprachstil, Um ihr geistig-moralischen Vakuum in sinnleere Worthülsen verpacken zu können, die ihre unterwürfige Hofberichterstatter dem gemeinen Volk tagtäglich anal eingeführen werden, musste eigens eine neue Grammatik erfunden und ein neuer Wortschatz vergraben werden.
Merkel wurde nicht durch die Krise bloßgestellt, nein, sie war immer nur eine provinzielle Hausfrau, die in einem unfähigen Männerclub die Hosen an hatte. Genausowenig ist ihr Stellvertreter Guido durch die Ernennung zum Außenminister zur Luftnummer geworden. Er hatte nie etwas anderes zu bieten außer hohle Phrasen.
Am 27. September 2009 wurden die beiden dennoch in die höchsten Ämter gewählt. Nur eine absolut kranke Berichterstattung und ein vollkommen kritikloses Wahlvolk haben dieses absehbare Desaster zu verantworten. Die stumpfsinnige schwarz-gelbe Ideologie des Neoliberalismuses musste an der Krise scheitern. Es war für jeden noch denkenden Menschen absehbar. Immerhin nach einigen Monaten kapiert das sogar unsere Journaille.
Mein Highlight der Ära Merkel wird dieser Auftritt unserer Mutti bleiben. Es ist einer der wenigen Momente, in der sie einen kleinen Einblick in ihre intellektuellen Untiefen zuließ:
Merkel deutet Verschwörung und Erpressung durch die Kapitalelite an from propagare on Vimeo.

Die Beißhemmung ist weg, Merkel ist zum Schlachten frei gegeben. Nein, Mitleid habe ich nicht, wieso auch. Zufrieden bin ich auch nicht. Der Grund ist einfach: Merkel ist nicht das Problem, sie ist nur die Spitze der Symptomatik des kranken Politbetriebs. Sie hat an Visions- und Ideenlosigkeit sogar ihr großes Vorbild Helmut Kohl übertroffen. Leider hatte sie im Gegensatz zu ihm nicht das Glück, dass ihr ein historisches Geschenk in den Schoß gefallen wäre. Statt dessen erntet sie die Früchte jahrzentelanger neoliberaler Ideologie: die weltweite Finanz- und Weltwirtschaftskrise. Sie wird als Kanzlerin, die an dieser Krise scheiterte, in die Geschichtsbücher eingehen und das zu recht.
Spannende Zeiten stehen uns bevor. Wer wird sich zuerst auflösen? Unsere Regierung oder unsere Fußballnationalmannschaft? Wetten werden noch angenommen.

Dieser Artikel erschien erstmals bei SZenso

12 Kommentare:

  1. Dieser Beitrag von Stefan Niggemeier bitte nicht vergessen.
    Treffender geht es nicht!
    http://www.faz.net/s/Rub510A2EDA82CA4A8482E6C38BC79C4911/Doc~EA219F97A3C62408B98C974192883B5EE~ATpl~Ecommon~Scontent.html

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  2. Wer sollte denn das Format eines Roosevelt haben?
    Er stand auch allein gegen die gesamte Presse und das Kapital.
    Außerdem kotzt mich der verlogene Spiegel an!

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  3. "Von diesem Schlag wird sich diese Regierung nicht mehr erholen."

    Es kommt darauf an, was man mit "nicht mehr erholen" meint. Meint man, Merkel bekommt deswegen bald keinen geraden Satz mehr heraus, dann bejahe ich das; meint man aber, die Regierung wird bald ersetzt, dann verneine ich. Mittelmaß, so wissen wir seit Jahren, hat das großartige Talent zur Beharrlichkeit - und unteres Mittelmaß ohnehin.

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  4. Selbst wenn diese Regierung ersetzt wird.
    Was soll denn nachkommen?
    Bei dieser gigantischen Auswahl an charismatischen, charaktergefestigten und wirtschaftlich unabhaengigen Fuehrungspersonen, die unsere politischen Kaste zu bieten hat.

    Bei mir kommen jedenfalls keine Hoffnungen auf, wenn ich ueberlege, wer denn eingewechselt werden koennte.

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  5. das AUFHÖREN haben sie von schmickler aus den mitternachtsspitzen geklaut.

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  6. Wie nennt man das, was das "Sturmgeschütz" treibt... Opportunismus?

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  7. Ich habe im Oktober letzten Jahres eine Wette vorgeschlagen...und zwar ..das diese Regierung bis Ende 2010 - Anfang 2011 am Ende sein wird...Ich gehe diese Wette nochmals ein...stimmt mir da jemand zu???
    Wir leben in einer Zeit in der sich die Dinge jeden Tag zu ändern scheinen...obwohl an sich immer das gleiche passiert...die schwachen und "kleinen" Leute werden wieder einmal abgezockt...Eine besser Regierung bekommen wir bestimmt nicht...die Politiker wissen gar nicht mehr wie das ist für "ETWAS" zu stehen , zu kämpfen!!!
    Es liegt an UNS und unserer Beharrlichkeit die Dinge zu ändern!!!

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  8. Auf jeden Fall ein bestürzender Zufall (???), nicht wahr, wie prompt nach dem Bilderbergertreffen in Sitges unsere Merkel (die diesmal schon nicht mehr eingeladen war und der im Gegensatz zu – seinerzeit – Schröder auch die Chuzpe fehlte, uneingeladen dort aufzukreuzen... nun, ihm hat es letzlich auch nix genützt!) nun einhellig von denselben Medien abgesägt wird, die sie zuvor hochgejubelt hatten, der SPIEGEL mit flatternden Fahnen voran. Plötzlich kritisiert man sogar ihre leeren Sprechblasen – als hätte sie die nicht schon seit Jahr und Tag ganz genauso abgesondert.
    Arme „Mutti“. Offensichtlich weiß sie gar nicht, wie ihr geschieht. Die Marionettenspieler haben sie fallen lassen. Nun verheddert sie sich hilflos in den Fäden.
    Bloß – was bedeutet dann die Anwesenheit von Olaf Scholz in Sitges? Haben die Bilderberger etwa diese trübe Tasse als nächsten Kanzler vorgesehen? Man darf gespannt sein...
    Nachdenkliche Grüße - Saby

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  9. Ich hoffe, Schwarz-Gelb hält noch mindestens 1 Jahr durch. Nicht daß ich hinter deren Politik stehen würde. Das tue ich nicht, im Gegenteil. Aber wir haben gerade die beste Chance seit Ewigkeiten, zuzusehen, wie sich das bürgerliche politische Lager komplett selbst demontiert und ihre Inkompetenz schillernd zur Schau stellt. Wenn Schwarz-Gelb jetzt hinschmeissen würden, dann verpassen wir alle diese einmalige Chance! Da die wirtschaftlichen Zustände in naher Zunkunft noch deutlich schlimmer werden, sollte das alles schön auf dem schwarz-gelben Lager landen...

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  10. Das System ist unheilbar krank da kann man Doktoren austauschen wie man will.
    Der Mensch als ökonomische Grösse ist wohl nicht der Sinn unseres Erdendaseins.
    Hatte schon Adam Smith bemerkt ,dass Wirtschaft kein Selbstzweck ist sondern dem Allgemeinwohl dienen sollte . Zur Zeit dienen Millionen dem Profit der Millionäre .

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  11. @Stefan

    Danke für die Veröffentlichung in deinem Blog :-)

    @all

    Diesen Text habe ich im Affekt geschrieben und die Polemik Niggemeiers spielte dabei eine zentrale Rolle. Die Offensichtlichkeit der Merkelschen Sprachunschärferelation wird dort pointiert bloßgestellt. Die Frage ist aber: warum erst jetzt? Das ist doch schon immer so! Wäre dieser Text vor Merkels erster Kanzlerschaft oder zumindest kurz nach ihrer Wahl erschienen, hätte ich chapeau! gerufen. Einen solchen Text zu schreiben, wenn bereits für alle riechbar der Verwesungsprozess der Koaltion eingesetzt hat, macht mich nur wütend.

    @Roberto J. De Lapuente

    Meine Vermutung oder doch Hoffnung ist, dass sie zerfallen wird. Merkel ist nur eine Medienkanzlerin, mehr nicht. Sie steht weder für eine politische Vision, noch ein Konzept, nicht mal eine Agenda hat sie. Es sind einzig die Medien, die sie dort oben halten. Eine Nicht-Politik gegen die Meinungsmacht der Medien durchzusetzen ist ein Ding der Unmöglichkeit.
    Allerdings, das wird mir erst jetzt richtig bewusst, haben unsere Medien die Qualität, uns selbst Scheintote oder zuckende Kadaver als alternativlose Regierung zu verkaufen. Eine solche Rolle passt zu unserer Mutti, sie wird sie daher wohlwollen annehmen, um mit dem politischen Traumpartner Guido ihr wichtigstes Ziel vom Machterhalt zu erfüllen.

    Und was soll`s, ob Neuwahlen oder nicht, ändern wird sich in unserem Land ohnehin nichts.

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  12. Mir will es nicht gefallen, wenn jetzt vom Spiegel gegen Merkel gehetzt wird. Nicht, dass ich diese Handlangerin des Finanzkapitals mag, denn Merkel hat bisher alle Aufträge zu seiner größten Zufriedenheit ausgeführt. Aber seit sie mit dem schönen Guido ein Duo sein will, klappt gar nichts mehr, noch nicht mal mit dem Sozialabbau. Und darüber sind die Herrschaften so böse mit ihr, dass sie sie zum Teufel wünschen. Nichts übrigens gegen das Mittelmaß, das hat den Deutschen immer zu überleben geholfen. Was aber nun die Nachfolge angeht, so sehe ich nicht die Flasche Olaf Scholz, sondern eher unseren Prachtbolzen Koch an der Reihe. Da ist mir die ostdeutsche Pfarrerstochter fast lieber, wenn ich es recht bedenke.

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