Von Stefan Sasse
Die Diskussion um Euro-Bonds und die Richtung Europas zeigt vor allem eines: dass eine Grundsatzentscheidung darüber ansteht, ob die europäische Integration weiter getrieben wird, oder ob das derzeitige Europa als glorifizierte Freihandelszone mit einem "Kern-Europa", das auch noch eine gemeinsame Währung teilt, erhalten bleibt und sich irgendwie durchwurschtelt. Finanzminister Schäuble, als der clevere Fuchs der er ist, hat Eurobonds ausgeschlossen solange keine europäische Wirtschaftsregierung existiert. Die Forderung nach einer solchen ist alt; sie wurde bereits zu Maastricht-Zeiten erhoben und dann wieder bei der Euro-Einführung. Die aktuelle Krise zeigt deutlich, dass die Vorstellung von vergleichsweise unabhängig wurschtelnden Staaten, die eine gemeinsame Währung teilen, nicht wirklich funktioniert.
Eine gemeinsame Wirtschaftsregierung, das wirft derzeit mehr Fragen auf als es beantwortet. Sicher, irgendwie könnte man dann koordinieren und für mehr Stabilität sorgen, aber wie soll das funktionieren? Werden alle Staaten auf die deutsche Austeritätspolitik zum Wohle des Exports verpflichtet? Dann stellt sich die Frage wer die ganzen Waren eigentlich kaufen soll. Die USA, deren erklärtes Ziel gerade ist, die Importe zu reduzieren? China, das ebenfalls Exportland ist? Abseits dieser beiden Riesen wird die Luft schon dünn; derzeit gehen über 60% der deutschen Exporte in die EU. Eine deutsche Dominanz in einer solchen Wirtschaftsregierung und damit eine orthodoxe, rein auf Geldwertstabilität bedachte Finanzpolitik aber sind nichts, was man sich für eine gesamteuropäische Wirtschaftspolitik wünschen würde. Hier wäre eher eine europäische Variante des Wachstums- und Stabilitätsgesetzes angebracht, an das man sich dann vielleicht sogar halten könnte.
Eine gemeinsame Wirtschaftsregierung, das wirft derzeit mehr Fragen auf als es beantwortet. Sicher, irgendwie könnte man dann koordinieren und für mehr Stabilität sorgen, aber wie soll das funktionieren? Werden alle Staaten auf die deutsche Austeritätspolitik zum Wohle des Exports verpflichtet? Dann stellt sich die Frage wer die ganzen Waren eigentlich kaufen soll. Die USA, deren erklärtes Ziel gerade ist, die Importe zu reduzieren? China, das ebenfalls Exportland ist? Abseits dieser beiden Riesen wird die Luft schon dünn; derzeit gehen über 60% der deutschen Exporte in die EU. Eine deutsche Dominanz in einer solchen Wirtschaftsregierung und damit eine orthodoxe, rein auf Geldwertstabilität bedachte Finanzpolitik aber sind nichts, was man sich für eine gesamteuropäische Wirtschaftspolitik wünschen würde. Hier wäre eher eine europäische Variante des Wachstums- und Stabilitätsgesetzes angebracht, an das man sich dann vielleicht sogar halten könnte.
Ich denke, dass irgendeine Form von gemeinsamer Koordinierung kommen wird, so oder so. Wie diese genau aussieht, lässt sich derzeit kaum sagen, aber wenn man die übliche Komplexität der EU-Institutionen bedenkt wird das Verständnis nach der Schaffung dieser Institution ebenfalls nicht leicht werden. Die eigentlich viel interessantere Frage ist, wie die EU bei einer weitergehenden, politischen Integration - wenn sie denn kommt - mit dem gerne und viel zitierten Demokratiedefizit umgeht. Neben den bürokratischen Verrenkungen der EU ist es ja gerade dieses Demokratiedefizit, das als unwidersprochener Kritikpunkt seit Jahrzehnten existiert. Als Konsequenz wurde das Europäische Parlament wählbar (anstatt wie früher aus Vertretern der Landesparlamente zu bestehen) und bekam immer wieder neue Kompetenzen. Jedoch erfreuen sich die Wahlen zum Europäischen Parlament bis heute keiner großen Beliebtheit; die Beteiligung dümpelt um 50%, und jedes Land wählt seine Abgeordneten für sich nach einem festen Schlüssel und nach seinen eigenen Wahlgesetzen (so gibt es für deutsche Europaabgeordnete weiterhin die übliche 5% Hürde und Bindung an Parteien). Die eigentliche Exekutivorgane werden dagegen überhaupt nicht gewählt; sie werden vielmehr entweder aus den einzelnen Länderregierungen zusammengesetzt oder von den Mitgliedsstaaten bestimmt. Zwar sitzen die solcherart gewählten Parteien im EU-Parlament nicht nach Nation zusammen sondern bilden europäische Fraktionen. Davon jedoch kommt in den jeweiligen Ursprungsländern praktisch nichts an.
Wenn es eine weitere politische Integration gibt (und das ist keinesfalls sicher), so wäre das zu begrüßen. Die aktuelle Gefahr für das Projekt Europa ist brandgefährlich. Zwar droht wahrscheinlich kein neuer Krieg bei einem Scheitern der EU; ein Rückfall mit schweren wirtschaftlichen und politischen Folgen wäre aber kaum zu vermeiden. Eine weitergehende politische Integration könnte ein weiterer Schritt zur Einigung eines Kontinents sein, der seit dem Untergang des Römischen Reiches hauptsächlich mit Lust Krieg gegeneinander führte. Das Einheitsprojekt, das diesen Zustand beendet hat, darf kein Betriebsunfall der Geschichte bleiben. Das gilt auch für verdeckte Wirtschaftskriege, wie sie gerade drohen. Der Wohlstand, Friede und die Sicherheit aller Staaten Europas hängen an der Union.
Wenn nun also eine politische Integration mittelfristig erfolgt, sollte diese endlich das Problem des Demokratiedefizits angehen. Ein europäischer Finanzminister? Nichts dagegen einzuwenden. Ein europäischer Außenminister? Das könnte Debakel wie in Libyen verhindern und das Gewicht Europas generell deutlich stärken. Ein europäischer Innenminister? Könnte beispielsweise endlich Probleme wie den Migrationsdruck aus Nordafrika angehen, ohne dass man Flüchtlingsboote versenken muss weil Staaten, die nicht ans Mittelmeer angrenzen, die Probleme einfach abwälzen. Nur, woher sollen diese Leute kommen? Werden sie in irgendwelchen Kommissionen ausgekungelt? Das ist, bedenkt man den bisherigen Charakter der EU, die leider wahrscheinlichere Lösung.
Das Demokratiedefizit ist per se nicht bedrohlich für demokratische Werte insgesamt, da die einzelnen Vertreter ja trotzdem indirekt demokratisch legitimiert sind: sie alle werden irgendwie von gewählten Regierungen entsandt. Das ist zwar kein Verfahren, das man gerne sieht oder das wünschenswert ist, aber es ist auch nicht generell schädlich oder verwerflich. Viel schlimmer ist die Aura der Unverantwortlichkeit, die die EU generell umgeht. Die solcherart in die Führung gelangten Personen können machen, was sie wollen. Merkel kann in Deutschland ein teutonisches "Niemals" hinaus brüllen und in der EU die Umsetzung vorantreiben. Denn die Union für ungeliebte Politiken verantwortlich zu machen ist ein sehr, sehr altes Spiel. Entsprechend schlecht ist der Ruf der EU, die darüber hinaus extrem kompliziert ist und in den Medien deswegen kaum vorkommt. Wer findet sich schon im Dschungel der Kommissionen und Räte zurecht?
Es würde deshalb Sinn machen, einen weiteren Integrationsschritt zu gehen: warum werden bei einer Europawahl nationale Parteien gewählt, die dann letzten Endes doch eine nationale Interessenvertretung im Parlament bedeuten, zumindest gefühlt? Warum gehen wir nicht den Schritt von europäischen Fraktionen zu europäischen Parteien und Spitzenkandidaten? Ich könnte mir deutlich besser vorstellen, mein Kreuz bei einem EU-Finanzminister Strauß-Kahn oder Lagarde zu machen als bei Axel Weber. Das würde die Wahlen zum Parlament (und der dann hoffentlich ebenfalls gewählten Regierung) auf eine ganz neue Stufe stellen. Man müsste sich völlig andere Gedanken zum Thema machen, und auch der Wahlkampf wäre folglich ein anderer. Würden aktuell in der EU Wahlen abgehalten - ich glaube nicht, dass deutsche Kandidaten viele Chancen hätten.
Es wäre sogar möglich (und wahrscheinlich wünschenswert), für die einzelnen so entstehenden europäischen Parteien - seien es relativ feste, kohärente Parteien wie wir sie aus Deutschland kennen oder eher Wahlverbände wie die amerikanischen - Vorwahlen zu veranstalten, in denen verschiedene Kandidaten um die jeweilige Spitzenkandidatur streiten. Auf diese Weise wären die Bürger tatsächlich in das Geschehen der EU eingebunden und könnten ihre Stimme und ihren Einfluss an tatsächlich fassbaren Kandidaten festmachen. Und wenn unsere Regierungen dann behaupten, dass die EU irgendetwas durchgesetzt hat für das sie nichts können, würden sie nicht einmal mehr lügen.
Da stimme ich Dir zwar von ganzem Herzen zu, aber in Europa gibt es leider ein sprachliches Problem, das etwa in den USA so nicht existiert. Die unterschiedlichen Voelker verstehen sich einfach nicht. Wie wuerde ein griechischer Spitzenkandidat in Deutschland oder Frankreich Wahlkampf machen, wenn er nicht deutsch oder franzoesisch spricht? Wie wuerde ein Deutscher oder ein Franzose in Griechenland Wahlkampf machen, wenn er die griechische Sprache nicht beherrscht? Wie kann ein Kandidat die Herzen der Menschen mit packenden Worten ansprechen - die Menschen bewegen - wenn er sich nur irgendwie holprig verstaendlich machen kann? Ohne eine gemeinsame Sprache in der EU wird dieser naechste politische Schritt sehr, sehr schwierig ...
AntwortenLöschenIch glaube du überschätzt das Problem. Ob jemand packend reden kann oder nicht weiß man doch meistens eh aus der Zeitung. Und es ist ja kein inhärenter Nachteil, wenn man sich hauptsächlich über Inhalte verkaufen muss, oder? Unser Beispielgrieche könnte ja einerseits Reden auf Englisch halten (was relativ viele verstehen) oder müsste eben übersetzt werden. Auf Plakaten und in Werbespots kann er auch auftreten.
AntwortenLöschenDavon abgesehen würde er ja einer europäischen Partei angehören, die sicher auch deutsche Mitglieder und Spitzenkandidaten hätte, die seine Sache vertreten können.