Freitag, 11. Mai 2007

Lesebefehl

In der SZ ist ein Artikel über Köhlers Klar-Entscheidung erschienen, den ich interessant finde. Ich bin nicht ganz sicher, was ich davon halten soll und möchte ihn nicht einfach in die Fundstücke packen, da ich fürchte, dass er dann untergehen wird. Wer eine Meinung dazu hat, darf sie gerne in die Kommentare setzen oder als Gastbeitrag veröffentlichen, wenn er oder sie Lust hat.

10 Kommentare:

  1. Die Aussage, dass der Bundespräsident wegen seiner Nichtbegnadigung von Klar ein "populistischer" Präsident ist, geht meineserachtens viel zu weit.

    Der Bundespräsident ist in seiner Entscheidung völlig frei und niemandem Rechenschaft schuldig. Das muß von allen (!) Seiten respektiert werden.
    Diejenigen, die sich über die Aussagen vom Söder so erregt haben (zu Recht) täten gut daran, jetzt die Füße stillzuhalten.
    Denn mit derartiger Kritik beschädigen sie das Amt des Bundespräsidenten auf ähnliche Art und Weise.
    Man mag die Medienhype, die um den Fall gemacht wurde, zu Recht kritisieren. Man mag das Vorgehen des Präsidialamtes für ungeschickt halten, aber Horst Köhler ausgerechnet dafür zu kritisieren, dass er sich selbst ein Bild von dem Mann machen wollte, den er begnadigen sollte, dass er dieses eben nicht delegierte....
    Das ist in meinen Augen schäbig.
    Zugleich sagt der Autor, dass "der Rechtsstaat keine Überprüfung der Seele vornehmen kann" Das ist richtig, und wie sich im Fall der Haftentlassungen auf Bewährung gezeigt hat, macht "Der Rechtsstaat" das auch nicht.

    Aber die Entscheidung über eine Begnadigung ist keine rechtsstaatliche, sondern steht jenseits davon. Es ist die persönliche, subjektive Entscheidung einer einzelnen, durch die Verfassung dazu ermächtigten Person.

    Der Rest des Artikels ist geprägt von der offenkundigen Verachtung des Bundespräsidenten durch den Autor.

    Insgesamt in meinen Augen ein schlechter und unangemessener Beitrag.

    -Mike-

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  2. Interessanter finde ich ja, wie der Autor 'das Volk' und die von ihm gewählten Repräsentanten sieht.
    Laut Autor sind die gewählten Repräsentanten humaner und liberaler als das sie wählende Volk, was ihnen das Recht (bzw. sogar die Pflicht) gibt, gegen den Willen des Volkes unpopuläre Entscheidungen zu treffen.

    Diese Ansicht finde ich höchst bedenklich.

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  3. Prinzipiell hat der Autor Recht wenn er sagt, dass die Repräsentanten humaner und liberaler sind als "das Volk" - im Schnitt gesehen. Und dass bisweilen unpopuläre Entscheidungen getroffen müssen, die nicht mit dem "Willen des Volkes" (vertreten durch Hetzblätter wie BILD) übereinstimmen. Dafür haben wir sie ja, um nüchtern und kühl zu entscheiden und nicht von Emotionen belastet. Ansonsten könnten wir ja immer Plebiszite machen.
    Gefährlich wird es mMn erst in dem Moment, in dem die Repräsentanten aus dieser Argumentation heraus abzuleiten versuchen, dass sie dem Volk ÜBERHAUPT NICHT verpflichtet sind. Und das wäre falsch.

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  4. Bedenklich wird aber auch eine emotionlaisierte Debatte, in der es für einen Bundespräsidenten offenbar unschicklich ist, eine Entscheidung zu fällen, die mit der Meinung breiter Volksmassen konform geht. Genau genommen hatte Herr Köhler nur die Wahl zwischen Rotz und Reier. Hätte er Klar begnadigt, wären breite Massen Sturn gelaufen. Er hat es nicht getan - und andere Personenkreise laufen nicht minder empört Sturm. Interessant finde ich, dass sich hier angemaßt wird, die Motive des Herrn Köhler zu kennen - obwohl er sich dazu niemals geäußert hat. Nicht abstreitbar ist, dass er sich im Vorfeld dieser Entscheidung intensiv und unter Eineziehung verschiedenster Ratgeberstimmen, ja sogar unter Anhörung des Herrn Klar selbst, um eine Meinungsfindung bemüht hat. Es spielt gar keine Rolle, ob ich seine Entscheidung gutheiße oder nicht - was zählt ist allein die Tatsache, dass ein Präsident die ihm zukommende Macht nach reiflicher Überlegung genutzt hat, indem er sie nicht genutzt hat. Das ist völlig legitim und darf zwar diskutiert werden, aber nicht auf der Ebene der Infragestellung seiner Entscheidung sondern allenfalls im Sinne eines "Ich hätte es soundso gemacht weil..." Alles andere ist letztlich genau der Populismus, der dem Bundespräsidenten in dem Artikel noch vorgeworfen wurde.

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  5. Welche Massen wären denn Sturm gelaufen? Die Massen hatten seinerzeit nichts von der RAF zu befürchten und haben auch heute nichts von Christian Klar & Co. zu befürchten. CDU/CSU und FDP samt Wähler-Anhang vielleicht, aber den Rest hätte das schlichtweg nicht interessiert. Von den vorherig genannten Kreisen wurde das ja auch so lächerlich aufgebauscht.

    Gruß

    Alex

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  6. Das ist so nicht richtig. Die RAF hat schon immer gezeigt, dass sie auf Kollateralschäden keine Rücksicht nimmt. Wenn die RAF ein Kaufhaus sprengt, sterben auch die, die drin sind. Zudem krankt deine Argumentation daran, dass du das Hetzblatt BILD vergisst. :)

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  7. Wie jetzt? Ich dachte, Kollateralschäden seien spätestens seit Afghanistan kein Argument mehr, etwas nicht zu tun? ;) Mit der BILD hast Du natürlich Recht. Im Übrigen ist nicht davon auszugehen, dass sich die gerade langsam aus dem Knast schlurfende RAF-Brigade neu formiert. Gleichwohl gibt es aber laut diversen Berichten, auch vom Verfassungsschutz, eine zunehmende Radikalisierung im linken Lager, die angesichts der Radikalisierung der Rechten in der Politik nur kompensierend notwendig ist. Ob es da irgendwann vielleicht noch einmal knallt - keine Ahnung. Aber dann hat das wenig mit der RAF zu tun, sondern eben vielmehr mit der Politik, die aktuell betrieben wird. Irgendwie erinnert mich die Situation derzeit an den Fall der DDR. Da haben die Bürger auch nicht mehr geglaubt, was der Staat verbreitete, haben hinter vorgehaltener Hand klare Worte gefunden und sind eben zuletzt auf die Straßen gegangen. Ob sich so etwas wohl wiederholen könnte?

    Gruß

    Alex

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  8. Ich befürchte, dass in der BRD derzeit nicht die Grundlagen für eine solche friedliche Revolution gelegt sind. Es fehlt definitiv an dem Beispiel, was besser sein könnte. Die DDR hatte ständig den Wohlstand der BRD für Augen und damit ein klar formulierbares und griffiges Ziel, außerdem waren die Menschen nur bezüglich des politischen Systems, nicht aber wegen ihrer Situation desillusioniert.

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