Dienstag, 1. Mai 2007

Kurzer Ausflug in die Ideengeschichte

Wenn mich etwas an den Leuten nervt, die irgendwie das Bedürfnis der Diskreditierung von sozialen Ideen haben, dann ihr kruder Mix aus Unwissen, gezielter Desinformation und schlichter Ignoranz, was die Verwendung der Bezeichnungen "Kommunismus" und "Sozialismus" angeht (und, wenn der Gesprächspartner sich für richtig gebildet hält, "Marxismus"). Auch, wenn es in der schwarz-weißen Ideenwelt der Rechtskonservativen und Neoliberalen vielleicht in derselben Kategorie "Schimpfwort" firmiert, so meint es mitnichten dasselbe. Genausowenig gab es je einen kommunistischen Staat; sämtliche Ostblockstaaten bezeichneten sich als "sozialistisch".
Und das hängt mit dem Selbstverständnis dieser Staaten zusammen. Denn der Sozialismus ist nach der Lehre die Vorstufe des Kommunismus. Im Sozialismus bestehen alte Strukturen noch teilweise fort, da die Menschen erst lernen müssen, mit einem neuen Gesellschaftsmodell zu leben und sich an die Idee einer klassenlosen Gesellschaft anzupassen. Diese Vorstufe hat kein Ostblockstaat je von sich behauptet durchschritten zu haben. Lediglich die bereits erwähnten Gruppen verwendeten mit enervierender Ignoranz und Penetranz das Wort "Kommunismus" beziehungsweise "kommunistisch". Vermutlich entstammt diese Abwehrhaltung noch dem Dritten Reich, in dem ebenfalls über "kommunistisch" (respektive "bolschewistisch", was schlicht "Mehrheitler" bedeutet) ein Feindbild konstruiert und aufoktroyiert wurde. Nicht umsonst, um diese Begriffsdefinition abzuschließen, heißt es ja UdSSR und nicht UdKSR.
Gleichzeitig wird immer wieder gerne die Planwirtschaft östlicher Prägung mit dem Kommunismus/Sozialismus gleichgesetzt. Nirgendwo hat je ein Kommunist geschrieben (und als Kommunist seien hier die Begründer der Bewegung Mitte des 19. Jahrhunderts bezeichnet), dass diese Staats- und Gesellschaftsform (denn gestalterischen Anspruch erhebt die Ideologie für beides!) auf einer Planwirtschaft als ökologischem Modell basieren müsse. Genausowenig steht aber irgendwo festgeschrieben, dass Planwirtschaft per se ein ineffizientes, nicht funktionsfähiges Gebilde ist - ihre größte Wirtschaftsleistung (relativ gesehen) erreichten die USA in der kurzen Phase der Planwirtschaft zwischen 1941 und 1945, als fast die gesamte Wirtschaft zentral und staatlich gelenkt und gesteuert wurde. Das deckt sich mit den bereits ein Jahrzehnt vorher von Galbraith formulierten Theorien, nachdem Monopole besonders effizient beim Erfüllen von Bedürfnissen auf die billigste Art sind - und das größte Monopol, das denkbar wäre, ist die staatlich gelenkte Planwirtschaft. Aber das nur am Rande.
Ich hoffe, damit die beiden großen Irrtümer aufgeklärt zu haben:
1) Sozialismus ist nicht gleich Kommunismus
2) Kommunismus ist nicht gleich Planwirtschaft
Vielleicht komme ich später im Semester noch darauf zurück, ich besuche gerade ohnehin eine Vorlesung zum Thema.

10 Kommentare:

  1. DANKE !
    Du hast kurz und prägnant das auf den Punkt gebracht, was wirklich täglich falsch verstanden, dargestellt und behauptet wird. Vielen Dank^^.

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  2. Heute wirst Du sogar schon als Kommunist, Sozialist, Linksfaschist usw. bezeichnet, wenn Du forderst, dass Menschen von ihrem Arbeitslohn leben können sollen, auch ohne Arbeit niemand des Hungers sterben und der Mensch Vorrang vor Wirtschaft und Rendite haben soll. Hatte dazu kürzlich einen Trackback, da wurd einem schlecht...

    Gruß

    Alex

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  3. Hm, ich weis zwar dass das kein Angriff auf mich war... aber ich äußere mich trotzdem mal dazu.

    Manche Leute benutzen diese Worte als Schimpfworte austauschbar, genauso wie andere die Worte Neoliberal und Shareholder Value benutzen. Sie reden über dieses Thema mit genauso viel Halbwissen wie andere über die Wirtschaft.

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  4. Ich frage mich immer: was ist die Konsequenz? Die Frage, warum kam es zum Zusammenbruch und so schnell führt zu der Behauptung, diese Art Regime können nicht wirtschaften; Planwirtschaft ist der so geannten freien Marktwirtschaft unterlegen. Dieses Stigma wird jedem angeheftet, der nur darüber nachzudenken wagt, es müsse doch auch möglich sein, ein anderes System zu kreieren, das gleichzeitig die Menschen auch zufrieden stellt.
    Damit wird jede faire Chance begraben, die zeigen könnte, es funktioniert. Man muß leider feststellen, die Machtsituation der Finanzmärkte in Verbindung mit einer politische gewollten Zügellosigkeit gibt so schnell niemanden mehr eine Möglichkeit, eine politische Variante zu verfolgen ( lest hierzu insbesondere meinen Kommentar zu http://www.deutschland-debatte.de/2007/04/29/transatlantischen-freihandelszone-globalisierung-chancen-und-risiken/#more-325 ).
    .
    Es ist die Frage angebracht: resignieren, Kopf in den Sand? Nein, dann haben genau die gewonnen, die die Politiker gekauft haben.
    Meine Forderung: Netzwerk aufbauen, Kraft zeigen, denn das Internet wird einmal wahlentscheidend! Das, nur das ist meine Hoffnung noch.

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  5. Was wird hier unter Planwirtschaft verstanden? Heißt das nicht, dass es feste Preise gibt und von irgendwelchen "Planern" prognostiziert und anschließend festgelegt werden muss welche Menge von den jeweiligen Gütern produziert wird? Fehlen da nicht die entscheidenden Anreize zu Innovation und eigener Anstrengung (ja ja, Adam Smith lässt grüßen)? Und das Beispiel mit den USA im Krieg, na ja, wenn der Staat so viel künstliche Nachfrage nach Kriegsgütern schafft (bis heute soll ja der "militärisch-industrielle Komplex" dort gigantisch sein), dann verwundert es einen doch nicht, wenn die Wirtschaft wächst. Ok, das waren meine Einwände. Gruß S.

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  6. @skeptiker:

    Wir haben in Teilen Deutschlands schon längst eine Plan-Wirtschaft, allerdings eine kapitalistische. Da legen beispielsweise Vorstände und Analysten fest, wie hoch die Kurse und Renditen von Energiekonzernen sein sollen und diese sorgen dann durch entsprechenden Wucher und Plünderung der Verbraucher für die entsprechenden Gewinne. Das ist allerdings kleine Planwirtschaft, die der Bedarfsdeckung der Bevölkerung dient, sondern lediglich den Partikularinteressen der von maßloser Gier getriebenen Vorstände und Aktionäre. Ist doch hübsch, oder?

    Gruß

    Alex

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  7. @ Perspektive2010

    Ich finde das auch äußerst übel, was im Energiesektor abläuft. Nur, gegen die Marktidee spricht das nicht und für Planwirtschaft eigentlich auch nicht - oder? Ich denke, wir brauchen ein System, das einerseits unsere Individualität und unser Streben nach Eigennutz nicht vernachlässigt oder verleugnet aber andererseits auch das Soziale in uns, das Angewiesensein auf die anderen nicht unterdrücken will, wie es bei "zu viel Markt" der Fall wäre. Dies als grobe Orientierung....

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  8. @skeptiker:

    Gab es als, nannte sich soziale Marktwirtschaft. Die wurde nach dem Zusammenbruch des Ostblocks schleichend abgeschafft, da die BRD nicht mehr als Gegenentwurf zum Sozialismus gebraucht wurde. Seitdem holen sich die USA und andere ihre Kriegsentschädigungen über die Kapitalmärkte ab. Man könnte auch sagen: Sie saugen Deutschland aus.

    Gruß

    Alex

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  9. @Oeffinger: Schon war, aber ich zähle mich jetzt einfach mal frech nicht zu der von dir erwähnten Gruppe.
    @Bernd: Am Netzwerk aufbauen sind wir ja dran ;)
    @Skeptiker: Nun, die Nachfrage nach vielen heutigen Gütern wird ebenso künstlich geschaffen, durch Werbung. Ansonsten ist dein Einwand aber richtig.
    @Perspektive: Richtig.

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