Die Becksteindoktrin
TP - Die CSU hängt ganz offensichtlich sehr an alten verblichenen Welten, denen sie ihre Stimmen im Nachkriegsbayern verdankte. Wo die Straßen noch halbwegs leer waren, ab und zu höchstens ein Mercedes von einem Großbauern zu sehen, und die Kirche noch Mittelpunkt im Dorf war, Frau und Kinder brav zuhause blieben und die Sünder am Sonntag Buße taten, den Nacken rot gescheuert vom gestärkten weißen Kragen, mit weithin verströmenden Fahnen vom Frühschoppen, falsch sangen, bevor sie dann die Kinder watschten. Und am Biertisch mit Geschäften protzten, die anderen eine Grube gruben - mit einem Augenzwinkern erzählt, logisch, Batzi-Witz halt. Dass er das Fiese feiert, stört sowieso nur die Falschen, Unechten, Zugereisten.
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Fischer verkohlt die Grünen
FR - So eindringlich wie seit Jahren nicht mehr redet der grüne Übervater in Ruhestand jetzt seiner Partei ins Gewissen. Via Interview in dem von der Deutschen Umwelthilfe herausgegebenen Magazin Zeo2 warnt der einstige Frontmann die Grünen davor, sich mit einem Anti-Kohle-Kurs "ins Abseits" zu manövrieren. "Angesichts wachsender politischer Instabilität in den Öl- und Gasförderregionen" komme man trotz aller klimapolitischer Probleme der Kohle "nicht ohne sie aus" findet der ehemalige hessische Umweltminister.
Anmerkung: Es ist echt ein Trauerspiel zu sehen wie jede Moral fallengelassen wird, sobald die Leute einmal die Spitzenämter hinter sich haben.
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Kraftwerk Moosburg kommt
taz - Das umstrittene Kohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg wird voraussichtlich gebaut. Nach Informationen der taz hat der Energieversorger Vattenfall von der Hamburger Politik das Signal erhalten, dass er Ende dieses Monats, wenn über eine Baugenehmigung entschieden wird, nicht mit einem Ablehnungsbescheid zu rechnen habe. Pikant dabei: Es ist die grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk, die den Startschuss für den Bau des Kraftwerks geben muss. Die Grün Alternative Liste (GAL) jedoch hatte ihrer Basis für die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene auch mit dem Argument verkauft, nur durch eine Regierungsbeteiligung sei Moorburg noch zu stoppen. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU und GAL aber war die Zukunft des Kohlemeilers aufgrund der juristisch verworrenen Lage offen geblieben. Koalitionsintern war Hajduk zugestanden worden, die Genehmigung zu versagen, wenn dies rechtlich möglich sei und keine Regressansprüche Vattenfalls an die Stadt auslöse.
Anmerkung: Und wieder ein ungemeiner Wortbruch, nach dem kein Hahn kräht.
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Streit um Zeitarbeit eskaliert
FTD - Die IG Metall wies darauf hin, dass nach Zahlen der Bundesarbeitsagentur jeder achte Vollzeit-Leiharbeiter zusätzlich sein Einkommen mit Arbeitslosengeld II aufstocken müsse. In einem "Schwarz-Weiß-Buch" stellte die Gewerkschaft positive und negative Beispiele von Leih- oder Zeitarbeit vor. Darin wird unter anderem das Schicksal eines Mannes geschildert, der nach 120 Stunden Arbeit in verschiedenen Firmen gerade 575 Euro Lohn erhalten habe und unter untragbaren Umständen ständig neue Stellen antreten sollte. Einem anderen sei gekündigt worden, weil er einen vereinbarten Arzttermin wahrgenommen habe, statt zum Personalbüro zu kommen.
Die IG Metall verwies auf mehr als 380 "Besser-Abkommen" mit Metallbetrieben, in denen die Bedingungen für die Leiharbeiter verbessert worden seien - in einzelnen Fällen bis zur gleichen Bezahlung im Vergleich zur Stammbelegschaft. Weitere 100 Abkommen seien in Vorbereitung.
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Mit Robin Hood aus der Krise
Blätter für deutsche und internationale Politik - Dagegen könnte sich ein Blick über die Alpen ausgesprochen bezahlt machen. Dort hat soeben die italienische Regierung eine regelrechte „Robin-Hood-Steuer“ durchgesetzt – eine Idee, die umgehend vom demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten Barack Obama aufgegriffen wurde. Im Mittelpunkt stehen die Gewinner der Preisexplosion auf den Energiemärkten. Sie, die Energieriesen, kassieren nämlich über die Öl-, Gas- und vor allem Strompreise gigantische Extraprofite.
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Halbe Sache
FR - Betrachtet man nur die Löhne der Beschäftigten, so stellt das DIW fest: Die durchschnittlichen Reallöhne sind zwischen 2006 und 2007 gesunken. Immerhin habe die Lohnspreizung nicht weiter zugenommen. Auch der Niedriglohnsektor sei nicht weiter gewachsen: 2007 waren demnach 23 Prozent aller Beschäftigten Geringverdiener, sie erhielten weniger als zwei Drittel des mittleren Lohns. Allerdings stieg im Zuge des Jobaufbaus die absolute Zahl der Niedriglöhner - und das mitten im Aufschwung. Dieser Befund sei "deprimierend", sagt der Niedriglohn-Experte der Uni Duisburg-Essen, Gerhard Bosch.
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Tausende Kinder "Illegaler" dürfen bald in den Unterricht
FR - Die Leiter der Frankfurter Schulen können aufatmen. Künftig dürfen sie auch Kinder ohne gültige Meldebescheinigung unterrichten, ohne eine Strafe befürchten zu müssen. Der Kultur-Ausschuss des hessischen Landtags hat beschlossen, dass alle Kinder unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus freien Zugang zu schulischer Bildung erhalten sollen - als einzige Fraktion stimmte die CDU gegen entsprechende Anträge von Grünen und FDP.
Anmerkung: Die Ablehnung speist sich wahrscheinlich aus der Erkenntnis, dass "Integration" der Ausländer ungemein wichtig ist. Heuchler, elende.
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Der absehbare Kollaps
taz - Warum immer die Finanzmärkte? Warum platzt so selten eine Spekulationsblase am Kartoffelmarkt? Warum verkalkulieren sich Maschinenbauer selten so, dass der Staat helfen muss, weil sonst das gesamte marktwirtschaftliche System gefährdet ist? Was treibt Scharen scheinbar seriöser Banker und Börsianer dazu, so riskante Geschäfte zu machen, dass sie hinterher alle wie dumme Kinder im Brunnen liegen und nach dem Staat um Hilfe schreien? Die Erklärungen sind relativ einfach. Zunächst muss man zur Kenntnis nehmen, dass das Finanzsystem fundamental anders funktioniert als die normalen Gütermärkte. Der berühmte Liberale Friedrich August von Hayek hat die Überlegenheit des marktwirtschaftlichen Systems immer damit begründet, dass hier Millionen von Marktteilnehmern zusammentreffen, die alle über unterschiedliche Informationen verfügen, die der Markt dann in einen einheitlichen Preis für ein Gut verwandelt. Keine Regierung dieser Welt sei zu einer solchen Effizienz in der Lage.
Anmerkung: Lesebefehl! Heiner Flassbeck ist immer wieder aufs Neue lesenswert.
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Hartz-IV würde korrekter Steinmeier-IV heißen
NDS - Der ehemalige Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Bonn und „Vater“ von WISO (ZDF), Hans-Ulrich Spree, – nebenbei Freund der NDS – schreibt: „Es ist anscheinend aussichtslos, gegen den Begriff „Hartz IV“ anzugehen – selbst bei den NDS. Wer dem Sachverhalt nachspürt, muss jedoch feststellen: die so genannte Hartz-Kommission, in der u.a. Gewerkschafter, Unternehmensvertreter und Kommunalpolitiker mitarbeiteten, trat beim beitragsfinanzierten Arbeitslosengeld I einstimmig (!) dafür ein, dass „die Ansprüche in Höhe und Dauer im Grundsatz dem bisherigen Regelwerk entsprechen“.
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Krieg von der Stange
Blätter für deutsche und internationale Politik - Die Allianz kann von Glück reden, dass Deutschland und Frankreich im Frühjahr eine offizielle Einladung Georgiens in die NATO blockiert haben. Hätten sie dies nicht getan, befände die Allianz sich heute in einer Situation, in der sie entweder Russland Krieg angedroht oder Artikel Fünf des NATO-Vertrages diskreditiert hätte, der jedem ihrer Mitglieder im Angriffsfalle militärische Unterstützung garantiert.
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Mitreden beim Gehalt des Chefs
SZ - Der gesamte Aufsichtsrat einer Firma soll künftig über die Vergütung des Vorstands entscheiden. Darüber sind sich Vertreter der großen Koalition einig. Die Sperrfristen für Aktienoptionen sollen auf mindestens drei Jahre verlängert werden. Offen ist, ob Top-Gehälter und Abfindungen weiter komplett von der Steuer abgesetzt werden dürfen.
Anmerkung: Zeit wird's.
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Am Rande der Lächerlichkeit
SZ - Es war ja zu erwarten, dass Union und SPD nicht einmal mit Halbsätzen den Eindruck erwecken wollten, der Wahlkampf habe schon begonnen. So viel gekünstelte Harmonie und ermüdende Langeweile wie diesmal aber grenzen schon an Publikumsveräppelung. Die Kanzlerin sparte fast alle umstrittenen Fragen aus, vom Kindergeld mal abgesehen.Stattdessen redete sie über Leitlinien, Prinzipien und zentrale Punkte. Das ist nie verkehrt, aber manchmal doch zu wenig. Vieles sei getan, vieles noch zu tun, aber überall ist Merkel optimistisch und wie immer vom richtigen Weg nicht nur überzeugt, sondern "zutiefst überzeugt".
Anmerkung: Schön erkannt, ist aber nicht erst seit heute so. Die "gemeinsamen Lösungen" lassen grüßen.
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Seriöser Umgang - das war einmal
Michael Schöfer - Bei aller Kritik, das ist doch eigentlich genau das, was wir wollen: Politiker, die ihre politischen Ziele an die erste Stelle setzen und nicht hauptsächlich um ihr persönliches Wohl besorgt sind. Insofern verdient Andrea Ypsilanti in Wahrheit unseren Respekt. Was hätte Carsten Volkery erst geschrieben, wenn Ypsilanti dem Bestechungsversuch erlegen wäre? Wahrscheinlich hätte er sie in Grund und Boden gestampft (publizistisch, versteht sich). Aber offenbar kann sie es ihm gar nicht recht machen, die hessische Landeschefin der SPD muss verleumdet werden, egal was sie tut, das ist anscheinend beim Hamburger Wochenmagazin die Richtlinie. Seriöser Umgang - das war einmal.
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Zu "Fischer verkohlt die Grünen":
AntwortenLöschenNaja, so ganz unrecht hat er ja nicht. So abhängig wie unsere Industrien derzeit von fossilen Brennstoffen sind, darf man die kohle nicht ganz aus den Augen verlieren. Parallel dazu sollte man sich allerdings überlegen, wie Brennstoffe umweltschonender nutzen kann (auch Biodiesel ereugt CO2) und wie man diese Abhängigkeit ändern kann.