Freitag, 5. September 2008

Merkel verblüfft

Merkel hat der Süddeutschen Zeitung zufolge gesagt, dass sie einen Regierungswechsel "herbeisehnt" und nach der Wahl 2009 gerne mit der FDP koalieren würde. Verblüffend, nicht? Wer hätte das auch gedacht? Schuld ist nicht etwa, dass die GroKo nichts zuwege bringen würde, denn die lobt Merkel über den grünen Klee, sogar die SPD sei ja ganz toll gewesen. Man wöllte quasi nichts lieber als mit ihnen weiterzuregieren aber leider, leider ist die SPD ja gerade "wortbrüchig" und wolle ganz fies mit der LINKEn koalieren. Und das geht ja gar nicht, denn der Wahlkampf 2009 werde sich "ganz wesentlich" um das Thema Glaubwürdigkeit drehen.
Soweit, so gewöhnlich. Damit verblüfft Merkel aber auch gar nicht. Sie verblüfft mit ganz anderen Dingen.

Bei der Konferenz wurde allerdings zugleich deutlich, dass auch eine Koalition mit der FDP Probleme mit sich bringen würde. Merkel stellte erstmals öffentlich in Frage, dass die Union nach der Wahl in großem Umfang Steuern und Abgaben senken könne, wie es der Wirtschaftsflügel der Union und die Liberalen fordern.

Die CDU müsse eine Grundsatzentscheidung treffen, welche Aufgaben der Staat künftig noch haben solle. Man könne nicht weniger Steuern und Abgaben sowie zugleich mehr Ausgaben für Bildung, Forschung und Infrastruktur versprechen, sagte sie. Auch ihre Haltung zur weiteren Senkung der Staatsquote müsse die Partei überdenken. Bislang gilt für CDU und CSU als erklärtes Ziel, den Anteil der staatlichen Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt auf unter 40 Prozent zu senken.

Angesichts der widerstreitenden Interessen stelle sich jedoch die Frage, was möglich sei. "Die Staatsquote war in Deutschland mal an die 48 Prozent. Wir sind jetzt unter 44 Prozent. Wie weit soll die Staatsquote sinken?", fragte Merkel. "Brauchen wir einen Staat? - Ich sage ja", fügte sie an. (Quelle)

Bämm. Die CDU hat jetzt die SPD ganz offiziell links überholt, denn die Spitzen der Sozialdemokratie, die weder vernünftig für Mindestlöhne sind noch irgendwie die Agenda reformieren wollen, die für sie sakrosankt ist - quasi der letzte Anker, an dem man noch festhalten kann. Dass ihr Dogma mehr und mehr in Frage gestellt wird, interessiert die Steinbrücks, Steinmeiers und Münteferings dort nicht so sehr. Und von einem Wendehals wie Nahles ist auch nicht viel zu erwarten.

Es bleibt also spannend. Wird die LINKE die SPD 2009 auch im Bund überholen? Derzeit stehen die Zeichen günstig.

7 Kommentare:

  1. Ich bin gespannt wie Du belegen möchtest, dass die SPD-Spitzenkräfte nicht für Mindestlöhne sind.

    Und ich bin auch gespannt, woher Du so sicher sein kannst, dass sich Merkel mit ihren Ansichten innerhalb der Union wird durchsetzen können.

    Dass die Linkspartei nächstes Jahr stärker als die SPD sein wird, glaubst Du hoffentlich nicht ernsthaft. Ansonsten müsste ich Dir jegliches politisches Verständnis absprechen.

    AntwortenLöschen
  2. Keine Bange, das war stark überspitzt.
    Steinmeier und Steinbrück für Mindestlöhne? Das kannst du deinem Friseur erzählen.
    Und ich bin nicht überzeugt dass Merkel sich da durchsetzt; ich bin überzeugt, dass die Union da langsam auf die Linie einschwenkt.

    AntwortenLöschen
  3. Brauchen wir einen Staat? - Ich sage ja", fügte sie an.

    Ja, man staunt. Aber nur solange man sich an ihr sonstiges Geschwafel erinnert. Wofür braucht sie den (starken) Staat??

    Ich erinner mich an ihre Ergüsse zur inneren Sicherheit, Überwachung, Demokratie/Sozialstaat und ihre Lügen über Hartz4.

    Ich weiß nicht welchen Staat Frau Merkel will(woher auch bei den roboterhaften Sprechblasen), aber ich bin mir sicher, daß ich DEN nicht will.

    AntwortenLöschen
  4. In der SZ heisst es auch "Merkel hatte die große Koalition in der Vergangenheit stets gegen Kritik in Schutz genommen. "

    Sehr schoen und vielsagend. Diese Konstruktion - dass sie die Koalition "in Schutz nehmen" kann - stellt sie praktisch ausser oder ueber diesen Regierungsverein, der sich "grosse Koalition" nennt - kurz: sie hat deren Politik nicht zu verantworten, ist dabei, ohne dazu zu gehoeren. -

    Richtiger waere die Aussage, dass sie diese Koalition und damit ihre eigene Politik verteidigt habe. -

    Und mal ehrlich, was haette sie oder irgendein anderer mit "Regierungsverantwortlichkeit" auch sonst tun koennen? - Haette er - bzw konkret sie, Merkel -vielleicht sagen sollen: "Das ist doch alles ausgemachte Scheisse, was wir machen - aber wir koennens halt nicht besser." - ?

    Fuer die Wahrheit ist in der Politik eben kein Platz.

    AntwortenLöschen
  5. Ich glaube nicht, daß Merkel sich etwas gedacht hat bei ihren Äußerungen, dennoch sind sie vielsagend. Sie macht halt Dauerwahlkampf und läßt ihren Waschlappen so in alle Richtungen tropfen, das die Richtigen sich gesegnet fühlen dürfen und niemand sie auf etwas festlegen kann.
    Allerdings tritt sie der SPD ins Gedärm, was sie kann, weil jene am Boden liegt. Was wollen die Sozen mit einem Kanzlerkandidaten? Kanzler kann nur einer werden, der das Verdikt aufhebt und die "anderen politischen Verhältnisse" organisiert, von denen Merkel schwafelt, allerdings auf der anderen Seite. Ottmar Schreiner könnte Kanzler werden. Die da hingegen genannt werden, haben nur eine Option: Die GroKo. Das ist eine der wenigen Erkenntnisse, die ich der Kanzlerdarstellerin zutraue. Eine genüsssliche Demütigung ist das, die SPD zum Büttel einer "Union" zu degradieren, die sie gar nicht will. Merkel ist da völlig auf der sicheren Seite, weil ihr "Koalitionspartner" den Schuß nicht einmal hören würde, der durchaus nach hinten losgehen kann. Die paralysierte Deppentruppe der Agenda-Ruinierten ist kaltgestellt und darf als Trümmerhaufen zu Angies Füßen weiter mitregieren, weil es ja keine Alternative gibt. Beinahe möchte man Schwarzgelb herbeibeten, damit sich endlich etwas etwas bewegt. Sie werden aber keine Mehrheit haben. Dieses Affentheater wäre als Romankonstrukt zu billig, in Deutschland ist es die bittere Realität.

    AntwortenLöschen
  6. Ich bin der Meinung, Merkels Aussagen
    zur Staatsquote und zu den Aufgaben
    des Staates (und zwar den Aufgaben
    jenseits des autoritären Überwachungsstaates) sind rein taktischer Natur. Schwarz/Gelb hatte
    bei den Bundestagswahlen 2005 die
    Mehrheit wegen des stark neoliberal
    betriebenen Bundestagswahlkampfes
    der Union im Allgemeinen und Merkel
    im Besonderen verfehlt. Merkel möchte im nun so langsam anlaufenden Wahlkampf für die
    Bundestagwahl 2009 diesen "Fehler"
    vermeiden und mimt die Ausgleichende. Nach gewonnener
    Bundestagswahl und schwarz-gelber
    Mehrheit stehen die neoliberalen
    "Rezepte" auf Wiedervorlage. Und Merkel kann, mit Verweis auf den
    gelben Koalitionsparter und den
    Unions-Wirtschaftsflügel, an die
    Umsetzung dessen gehen, woran sie
    in der Großen Koalition gehindert
    wird. Die Rückendeckung der in ihrer großen Mehrheit neoliberalen
    Medien ist ihr ohnehin gewiss.

    AntwortenLöschen
  7. @anonym: Wenn das so wäre, könnte ich mich ja endlich beruhigt zurücklehnen!

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.