Die große Goldman-Familie
FTD - Bei den Geschehnissen, die zu diesem Ergebnis führten, führte Paulson entweder im Hintergrund Regie oder begab sich direkt an die Front. Letzteres war bei den halbstaatlichen Beinahepleitiers Fannie Mae und Freddie Mac der Fall, die wegen ihrer überlebenswichtigen Funktion für den gesamten amerikanischen Finanzsektor nicht bankrottgehen durften und daher direkt unter die Fittiche des Finanzministeriums gestellt wurden. Bei der Rettung der Investmentbank Bear Stearns, die von JP Morgan übernommen wurde, zog Paulson im Hintergrund die Fäden. Beim letzten Doppelpack, Lehman Brothers und Merrill Lynch, mischte er ebenfalls kräftig mit.
Lehman Brothers versagte Paulson staatliche Hilfe und besiegelte damit das Ende des 158 Jahre alten Traditionshauses. Auf die bohrende Frage, warum Bear gerettet, über Lehman jedoch der Daumen gesenkt wurde, blieb er die Antwort schuldig.
Gegen Ende von Paulsons Amtszeit hat Goldman Sachs drei Konkurrenten weniger. Paulson sagte, als Konsequenz der Krise müsse die Regulierung der Finanzmärkte grundlegend geändert werden. Vielleicht ein Job für den nächsten "Goldman"? Die Kontinuität spräche nicht dagegen. Schon Bill Clinton hatte mit Robert Rubin einen Goldman-Banker als Finanzminister.
Anmerkung: Filz wohin man blickt.
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Im zweiten Glied
Freitag - "Ich krieg dich, du Schlampe!" Nächtliche Drohanrufe dieser Art brachten 1992 die linke Juso-Funktionärin Silke Dose regelmäßig um den Schlaf. Von der Polizei ließ sie eine Fangschaltung legen, weil sie meinte, ein normaler Stalker verfolge sie. Irrtum, die Polizei ermittelte den ehrenwerten Parteifreund Kahrs, der auf solche Weise ihr Gewissen auf die rechte Bahn lenken wollte.
Das Gerichtsverfahren, für das Kahrs den späteren CDU-Bürgermeister Ole von Beust als Anwalt nahm, wurde gegen eine Buße von 800 DM eingestellt. 50 führende Hamburger SPD-Mitglieder forderten Kahrs gleichwohl in einem Offenen Brief auf, von "sämtlichen Ämtern und Mandaten" zurückzutreten und zu prüfen, ob ein weiterer Verbleib in der SPD für ihn sinnvoll sei.
Johannes Kahrs prüfte und kam zu dem richtigen Ergebnis, ein Verbleib sei sinnvoll. Er wurde Besitzer eines Mandats im Bundestag, das sich für den leidenschaftlichen Reserveoffizier inzwischen als sehr lukrativ erwiesen hat.
Anmerkung: Johannes Kahrs ist vermutlich der Meuchler Becks; sehr treffendes Porträt.
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Immer auf die anderen
Zeit - Die deutschen Lohnstückkosten – also die durchschnittlichen Lohnkosten zur Herstellung eines Produkts – sind im Vergleich zum gesamten Euroraum seit 1999 um 14 Prozentpunkte gefallen. In Italien und Spanien stiegen sie dagegen um mehr als neun Prozentpunkte, in Frankreich um knapp drei Prozentpunkte. Vereinfacht ausgedrückt, hätten es sich deutsche Autobauer leisten können, die Preise ihrer Autos um 14 Prozent zu senken, während die italienische Konkurrenz die Verkaufspreise schon um neun Prozent anheben musste, um keine Verluste zu machen.
Vor der Einführung des Euro hätte Italien die Lira abwerten können – der günstigere Wechselkurs zur D-Mark hätte italienische Produkte billiger und damit konkurrenzfähiger gemacht. In der gemeinsamen Währungsunion geht das nicht mehr. Stattdessen setzte die deutsche Regierung 2005 sogar noch eins drauf: Die schwarz-rote Koalition erhöhte die Mehrwertsteuer und nutzte einen Teil der Mehreinnahmen, um die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu senken – was die Lohnkosten noch einmal drückte.
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SZ - Der klassische Kapitalismus reklamiert den Vorrang des Produktionsfaktors Kapital gegenüber dem Produktionsfaktor Mensch bei möglichst weitgehender Ausschaltung externer Kontrollen. Das widerspricht demokratischen Prinzipien. Ein geläuterter Kapitalismus muss demokratieverträglich sein. In der Demokratie gibt es, im Gegensatz zum Unternehmen, keine "überflüssigen" Menschen. Von dieser Erkenntnis ging die soziale Marktwirtschaft aus. Sie muss auf die höhere Ebene gehoben werden, es muss gelingen, die internationale Wirtschafts- und Finanzordnung so zu regeln, dass sie sozial verträglich wird. Es ist eine Herkules-Aufgabe. Sie richtet sich an die Vereinten Nationen, an die G-8 - und also an die Regierungen der Industriestaaten: Es geht um Verankerung eines Kernbestandes wettbewerbsrechtlicher Prinzipien, um internationale Bankenaufsicht, eine gemeinsame Zinspolitik, eine Spekulationssteuer. Es geht darum, der Anarchie der Märkte ein juristisches Koordinatensystem zu geben und es dann Stück für Stück durchzusetzen. Es braucht einen neuen contrat social.
Manche vergleichen den nackten Kapitalismus mit einem Krieg, einem Krieg gegen Arbeitsplätze unter anderem. Wenn man bei diesem Vergleich bleiben will: Die Weltgemeinschaft hat es zwar nicht vermocht, den Krieg abzuschaffen - aber immerhin, ihn einzuhegen, Regeln dafür aufzustellen, was im Krieg erlaubt ist und was nicht. Das muss auch für den Kapitalismus gelingen.
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Die Story zu Kahrs habe ich vor einigen Tagen bei mein-parteibuch.com
AntwortenLöschengelesen. Steht auch in der Wikipedia. Kann ja nicht schaden, wenns nochmal wiederholt wird. Danke daher.