Dienstag, 23. September 2008

Fundstücke 23.09.2008, 15.25 Uhr

Agenda 2010 - eine Abrechnung
FR - Haben Hartz IV und die anderen Reformen mehr Arbeit gebracht - oder mehr Armut? Die SPD-Linken Karl Lauterbach und Ottmar Schreiner im Streitgespräch.
Anmerkung: Lauterbachs Vorstellung von "links" ist merkwürdig, belegt aber meine Thesen von hier.
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Beim Geld endet die Freundschaft
FR - Auf eines müssen sich die standhaften Europäer allerdings gefasst machen: Die aktuellen Spannungen sind nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird. Erst recht nach der Präsidentenwahl in den USA wird die Diskussion über die internationale Lastenverteilung ganz neu losgehen. Die USA stoßen in vielerlei Hinsicht an ihre Grenzen. Dies werden auch die Europäer zu spüren bekommen.
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"Beruf" Islamkritiker
FR - Dass man die Geister, die man jahrelang rief, mit denen man so fröhlich sang und tanzte, nicht mit einem einzigen Wochenendausflug wieder los wird, sollte keinen verwundern. Mutig und in ihren Protestformen einfallsreich waren die, die am vergangenen Samstag den pro-kölnern den Zutritt zur Stadt verwehrten. Doch der Rest der deutschen Bürgerschaft hat seine wahre Gesinnung noch nicht gezeigt. Deren Solidarität mit Einwanderern, die teilweise, wenn auch natürlich nicht sämtlich Muslime und Moscheebesucher sind, muss sich noch erweisen.
Anmerkung: Nur wahr. Zu dem Thema kommt hier bald noch was Größeres.
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Unis nagen am Knochen
taz - Berlins Hochschulen fürchten um ihre Finanzen. 15.000 Studienplätze seien in Gefahr, rechneten die Präsidenten der vier Berliner Universitäten am Montag vor. Die ihrer Meinung nach einzig mögliche Rettung: 160 Millionen Euro jährlich mehr vom Land ab 2010. Doch das Geld ist alles andere als sicher. Zwar sieht Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) den Mehrbedarf der Unis. Doch Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) sieht nicht einmal Verhandlungsbedarf.
Anmerkung: Wieder mal typisch Sarrazin. "Das ständige Geschrei nach Finanzmitteln empfinde ich als eine Flucht vor den eigentlichen Problemen." Inzwischen haben die Berliner Unis über 40% ihres Personals abgebaut, 15.000 Studienplätze sind in Gefahr, die Energierechnungen können kaum bezahlt werden. Was soll da Geld helfen? Das geht klar über den Horizont eines Sarrazin.
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Helden ohne Hosen
SZ - Wenn es stimmt, was britische Zeitungen schreiben, ist die Finanzkrise um eine absurde Volte reicher. Einige Hedgefonds wollen angeblich die Londoner Börsenaufsicht verklagen, weil sie nicht mehr auf den Untergang angeschlagener Banken wetten dürfen. Sie fordern Schadenersatz dafür, dass ihnen die weitere Destabilisierung des internationalen Finanzsystems verboten wird. Während die USA gerade mit einer Billion Staats-Dollar den Super-GAU abwenden will, den die Geldhäuser provoziert haben, denken die Herren in den Nadelstreifen unbeirrt an den eigenen Vorteil.
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Lafontaíne und SpOn
Hier - Ich kenne Oskar Lafontaine nicht. Ich kenne wenig von ihm. Ein paar Daten, klar. Aber sonst? Ich glaube, ich kenne Oskar Lafontaine weniger als die meisten anderen deutschen Politiker der ersten Reihe. Und das, obwohl er in den Medien zu den präsentesten Politikern gehört. Er ist überall Thema, er wird dauernd genannt, es wird viel über ihn gesprochen. Dort wird unter anderem behauptet, er spreche viel. Aus irgend einem Grund, bekomme ich das selten mit. Ich sehe viele politiker sprechen, aber Lafontaine sehr selten. Ich bekomme selten mit, was er genau sagt, was seine Meinung zu bestimmten politischen Dingen ist. Worüber dann zwar berichtet wird. Aber meist nur, dass das ja alles wieder ein riesen Skandal sei, und dass er eh nur Unfug erzähle, wenn der Tag lang ist. Welchen Unfug genau, ist selten Thema des Berichtes. Ich gebe mich dann damit zufrieden, denke mir, der Lafontaine erzählt viel wenn der Tag lang ist und bin froh, dass mir die Medien langen Tag ein, langen Tag aus darüber berichten. Und dass sie mir abnehmen, mich damit inhaltlich auseinander zu setzen, weil es eben vergeudete Zeit ist, weil es Unfug ist, was er erzählt. Ich danke dem Journalismus, der sich Passionsgleich als Stellvertreter an meiner Stelle opfert, sich den Unfug anzuhören.
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Die Mutter aller Bailouts?
Spiegelfechter - Finanzkrisen sind kein Systemfehler, sie sind elementarer Bestandteil des Finanzsystems. Im Gegensatz zu anderen Sektoren stellt der Finanzsektor allerdings ein besonders fragiles Konstrukt dar. Wenn ein Bauunternehmer sich aufgrund einer unvernünftigen Risikoaffinität verkalkuliert und pleite geht, so ist dies allenfalls ein isoliertes Problem. Ein „sauberes“ Bauunternehmen profitiert vom Kollaps eines „faulen“ Konkurrenten. Im Finanzsektor kann der Kollaps eines „faulen“ Konkurrenten indes die „saubere“ Konkurrenz mit sich reißen und den gesamten Sektor zum Kollaps bringen. Da der Finanzsektor volkswirtschaftlich von überwältigender Wichtigkeit ist, kann die Antwort daher nur heißen, jedes einzelne Institut bestmöglich zu überwachen und Regularien zu entwickeln, die Hasadeuren erst gar keine Möglichkeit geben, ihrer Gier zu frönen. Die Welt braucht kein Herumdoktern an den Symptomen, sondern eine Heilung der zugrunde liegenden Krankheit.
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"Der amerikanische Staat ist schuld"
FAZ - In diesen turbulenten Tagen sind Experten wie Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz sehr gefragt. Die Welt sehnt sich nach Erklärungen in Zeiten der Krise. Als wir Stiglitz in einem Hotel in San Francisco sprechen, eilt er minütlich ans Mobiltelefon, um andere Anfragen abzuwimmeln. Dann erklärt er uns, wo die wahren Schuldigen sitzen und warum Amerikas Kinder jetzt die Fehler von George W. Bush ausbaden müssen.
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Praktisch, dass es eine Finanzkrise gibt
FTD - Seit Wochen mehren sich die Anzeichen dafür, dass in Deutschland die Konjunktur abstürzt. Jetzt sind der Schuldigen gefunden: es sind die furchtbaren Amerikaner und ihre Finanzkrise. Eine ebenso naheliegende wie absurde Ausrede.
Beliebt ist die These bei Politikern wie Wirtschaftsminister Michael Glos: "wir haben diese Krise nicht ausgelöst. Doch sie berührt uns". Sie ist auch bemerkenswert beliebt bei Hardlinern unter Europas Notenbankern wie Jürgen Stark, die kürzlich noch von robusten Konjunkturdaten redeten: Deutschland drohe je nach Umfang "der Schockwellen aus den USA" jetzt eine "längere Zeit schwächeren Wachstums". In einer befreundeten Finanzzeitung ist heute zu lesen, dass ja dieser deutsche Abschwung ganz anders sei als die deutsche Flaute nach 2001 - weil die Ursachen jetzt aus Amerika kämen: die USA hätten eine Lungenentzündung, von der wir uns anstecken. Armes Opfer.

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Zuzahlungen wirken wie ein Bumerang
FR - Eine Auswertung wissenschaftlicher Literatur der letzten vier Jahrzehnte liefert keinen Beleg für die weit verbreitete Annahme, dass Versicherte medizinische Leistungen übermäßig ausnutzen, wenn diese kostenfrei sind (Moral-Hazard-These). Im Gegenteil: Die Einführung von Patienten-Zuzahlungen scheint eine angemessene Versorgung zu untergraben, denn Patienten verzichten eher auf notwendige Maßnahmen und lassen sich davon abhalten, rechtzeitig medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
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Der Ethikunterricht ist unersetzlich
taz - Die staatlichen Schulen haben die Aufgabe, die Fähigkeiten zu vermitteln, die für das Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft erforderlich sind. SchülerInnen müssen lernen, mit unterschiedlichen kulturellen und religiösen Prägungen umzugehen, Konflikte friedlich zu lösen und dem anderen gegenüber tolerant zu sein.
Ein staatlicher Ethikunterricht, in dem sowohl die kommunikativen Fähigkeiten für den interkulturellen Dialog als auch das grundlegende Wissen über unsere Verfassungs- und Menschenrechte vermittelt werden, ist dafür ein gutes Mittel.

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Russlands Kriegsflotte jagt Piraten vor der Küste Somalias auf eigene Faust
RIA - Russland wird sich zwar demnächst den internationalen Kampf gegen die Seepiraten vor Somalias Küste anschließen, jedoch selbstständig Einsätze durchführen. Dies sagte Admiral Wladimir Wyssozki, Chef der Seekriegsflotte Russlands, am Dienstag in Moskau. Darauf angesprochen, ob eine Beteiligung von Schiffen der russischen Kriegsflotte am internationalen Kampf gegen die Piraterie in Somalia geplant ist, sagte Wyssozki: "Es ist geplant, und zwar schon für die nächste Zeit. Die russischen Schiffe werden sich aber nicht an internationalen Operationen beteiligen, sondern werden diese Aufgabe selbständig bewältigen."
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2 Kommentare:

  1. Thilo Sarrazin ist nicht nur ein Prolet, er sieht auch "Ekel Alfred" verblüffend ähnlich. Mit Thilo "Alfred" Sarrazin kann man also nicht "Ein Herz und eine Seele" werden.

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  2. @ Beruf Islamkritiker (FR)
    Ein richtig guter Artikel aus dem Hause FR. In Köln laufen in den regionalen Medien (WDR und diverse Zeitungen) die Rechten momentan verbal Amok ob ihres misslungenen Anti-Islamisierungs-Kongresses und mit ihnen alle diejenigen, die ständig behaupten, sie wären überhaupt nicht rechts, aber nichts anderes tun, als exakt die geschickt niedrigschwellig transportierten Parolen der Rechten mitzupfeifen. Zur online-Ausgabe des Artikels des Kölner Stadt-Anzeigers, der die Geschehnisse zusammenfasste und eine positive Bilanz für die Gegner der Rechten zog, gab es die rekordverdächtige Zahl von 491 Kommentaren überwiegend aus der kochenden rechten Fraktion (wer sich das aus Studienzwecken einmal antun möchte: www.ksta.de/html/artikel/1221775307824.shtml ). Schwenk in den Süden: In der FTD von heute 25.9. war zu lesen, dass Umfragen in Österreich die FPÖ, von der einige „hochrangige“ Vertreter, wie HC Strache, in Köln eingeladen waren, bei 18% sehen. Nun ist Österreich nicht Deutschland. Aber die Vokabeln („Ich bin ein Islamkritiker“, Inländerfeindlichkeit, Islamophilie, Gutmenschen-Denke, Islamofaschismus, etc) von FPÖ, NPD, DVU, PRO NRW und seinen zahlreichen Splittergruppen ähneln erschreckend denen eines Giordanos, eines Broders allemal und denen der Schreiber zum Beispiel in der WELT, der zur Zeit in rechtsextremen Kreisen nach meinem Eindruck immerhin beliebtesten Zeitung.
    Man sollte mal etwas Zeit investieren für die Beantwortung der Frage, inwieweit neoliberale Politik diese ganze braune Suppe ordentlich mit hoch kocht. Mit BWL oder VWL alleine packt man das nicht.

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