Freitag, 26. September 2008

Fundstücke 26.09.2008, 14.20 Uhr

"Alles weg, alles tot"
SZ - Nichts Neues. Dann sprach Wagenknecht noch ein wenig über ihre Lieblingsthemen: dem bösen Lohndumping, ihrem Traum von einer sicheren Rente ohne Riester und von Unternehmen, die ihre Dividenden um 50 Prozent erhöhen und gleichzeitig Mitarbeiter entlassen. All jene Thesen eben, mit denen Talkshow-kompatibles Linkspartei-Personal quer durch alle Plasberg-Will-Friedman-Maischberger-und-eben-Illner-Sendungen tingelt.
Provozieren wollte (oder konnte) die rote Sahra an diesem Abend jedoch nicht. Nicht einmal Illners Steilvorlage, ob man jetzt Banken nicht doch besser verstaatlichen sollte, griff sie auf. "Man soll erst einmal aufhören, die öffentlichen Banken weiter zu privatisieren", sagte die Europaabgeordnete ziemlich umständlich.

Anmerkung: Entweder sind die LINKEn nur dumme Populisten oder langweilig, aber recht machen können sie es der Journaille prinzipiell nicht.
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Die Bataillone formieren sich
SZ - Es sind ausgerechnet die Talente der übernächsten Generation, die sich nun hinter Beckstein und Huber scharen. In den vergangenen Tagen sind sie nach München gepilgert, um die beiden zu bestärken. Es sind die aufstrebenden jungen Bezirksvorsitzenden, Staatssekretäre, Europapolitiker, die noch ein paar Jahre Zeit brauchen, bis ihre Stunde kommt. Ihnen ist an schnellen Lösungen nicht gelegen. Sie und das schwache Führungsduo verbindet eine erstaunliche Symbiose. Denn die Beharrungskraft von Huber und Beckstein hilft den Jungen. Huber und Beckstein werden nicht hinschmeißen, nicht kleinlaut beigeben. Sie wollen ihre Gegner in die offene Feldschlacht zwingen. Beide wollen weitermachen, auch bei einem für CSU-Verhältnisse verheerenden Ergebnis. Huber hat das mit dem Argument versehen, er wolle "die CSU in die nächste Generation führen". Die übernächste Generation wird danken, die nächste mit den Zähnen knirschen.
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USA verlieren größte Sparkasse
FR - Die US-Bundesregierung übernahm in der Nacht die Sparkasse Washington Mutual - und verkaufte umgehend weite Teile für 1,9 Milliarden Dollar (1,3 Milliarden Euro) an die Geschäftsbank J.P. Morgan Chase. Einst die größte Sparkasse der Vereinigten Staaten, gilt Washington Mutual als Symbol für die Auswüchse des Hypotheken-Booms, der im Sommer 2007 die Finanzkrise ausgelöst hat. Mit einem Aktivvermögen von 300 Milliarden Dollar ist es die bislang größte Bankenpleite in den USA.
Anmerkung: Ein Glück ist die kapitalgedeckte Rente ja sooooo viel sicherer als die umlagenfinanzierte!
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Jamaika bleibt der Sonderfall
Am Donnerstagabend stand ein weiteres Votum mit Jamaika-Mehrheit an. Mit ihrem gemeinsamen Sparkassengesetz erweitern CDU, FDP und Grüne die Möglichkeiten zu einer Zusammenarbeit der Finanzinstitute, schieben aber dem Zugriff privater Banken einen Riegel vor.Doch auch wenn sich die Grünen in diesen beiden Punkten auf Kochs Seite haben ziehen lassen - es ändert nichts an ihrer Absicht, in der übernächsten Woche Koalitionsverhandlungen mit der SPD aufzunehmen. Parallel soll es Gespräche mit der Linken geben.
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Eine besonders effektive Art von Wahlkampf
TP - Wahlkampf ist eine Form von Public Relations. Und genau wie bei anderen Formen der PR ist sie am wirksamsten, wenn sie nicht als solche erkannt wird. Diesen Grundsatz versuchte offenbar auch John McCains Wahlkampfteam zu beherzigen, als es dem Kandidaten empfahl, mit einer Äußerung an die Medien zu gehen, die von diesen teilweise tatsächlich als "Sensation" gebracht wurde: Er, so McCain, wolle angesichts der aktuellen Ereignisse, den Wahlkampf unterbrechen und sich ganz der Bewältigung der Finanzkrise widmen.
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Die demographische Lüge
Readers Digest - Im verzweifelten Bemühen doch noch das demographische Weltende, - zumindest für Deutschland -, zu beweisen, wenden die Nostradami und -damen der demographia astrologica gerne ein, die Welt habe sich mit der Globalisierung geändert; sie führen ins Feld, dass nach Adenauer und Brandt und seit Helmut Kohl keine außergewöhnlichen Wachstumsraten mehr zu verzeichnen wären. Und deshalb müsse man den Sozialstaat zurückfahren. Das ist Unsinn. Zurückfahren müsste man den Sozialstaat, wenn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der letzten 15 Jahre in Summe gesunken wäre. Das ist aber keineswegs der Fall. Im Gegenteil. Das deutsche BIP ist in den letzten 15 Jahren, sogar bei stagnierenden und sinkenden Beschäftigtenzahlen, um insgesamt ca. 25 Prozent gewachsen. Und das heißt: Umgerechnet auf jeden Einwohner (vom Säugling bis zum Greis) kommen in den letzten 15 Jahren 25 Prozent mehr an Wirtschaftskraft, an Waren und Dienstleistungen.
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Der Riss
taz - Am 27. September 1998 waren sich Riester und Schreiner noch ziemlich ähnlich. Beide zählten zum gemäßigt linken Flügel. Schreiner galt keineswegs als Außenseiter - in den 90ern hatte er auch mal für eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten plädiert. Wäre Riester bei der IG Metall geblieben, hätte die Wut über die SPD, die Rentenpolitik und Hartz IV als Gewerkschaftler gesehen, würde er dann die Agenda verteidigen, als wären es die Kronjuwelen? Und wenn Schreiner als Staatssekretär im Arbeitsministerium im Dauerfeuer von Bild und meuternder SPD-Basis gestanden hätte, würde er dann so hart urteilen?
Doch heute ist die Kluft tief. Riester hält die Agenda-Kritik für einen Selbsthass-Reflex, Schreiner findet das Agenda-Lob realitätsblind. Es ist wie bei einem Paar, das sich gerade trennt. Man kann sich noch drauf einigen, wo man im Urlaub war. Aber wie das Essen, das Hotel, das Wetter war - dazu gibt es immer zwei entgegengesetzte Versionen. Und keine gemeinsame Erzählung mehr.
Der Zwist zwischen den Riesters und den Schreiners in der SPD ist kein normaler Flügelstreit. Es geht um die Frage, was die SPD sein soll. Ob sich die SPD weiter an dem "großen Kern der Industriearbeit" orientiert, der, so Schreiner, trotz Wissensgesellschaft bleiben wird. Und eisern den Sozialstaat verteidigt. Oder ob sie ihre Traditionen über Bord wirft, um in der postindustriellen Dienstleistungsgesellschaft mithalten zu können. Die Agenda 2010 war erst die Ouvertüre. Der Kampf geht weiter.

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Alice im Niemandsland
Linksnet - Kluge Frauen haben es schwerer, je länger es Alice Schwarzer gibt, wirddoch Feminismus gemeinhin mit Schwarzerismus übersetzt. Anzunehmen,Alice Schwarzer vertrete die Rechte der gesamten Frauenschaft oderagiere in deren Auftrag, ist verwegen. Alice Schwarzer vertrat und vertrittnur eine kleine Randgruppe, die zudem zum Großteil der Frauen imideologischen Widerspruch lebt: Sie verkündet die Ideale der Lesben undfüttert diese mit populistischen Ideologiebausteinen.
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Die Angst der Lehrer
ZEIT - Wie mit so vielem: Kaum ein Berufsstand wurde in der vergangenen Zeit so stark angegriffen wie der der Lehrer. Viele nehmen sie für die Pisa-Misere in Haftung, das mittelmäßige Abschneiden deutscher Schüler im internationalen Vergleich. Eine Mutter landet mit dem Lehrerhasser-Buch einen Bestseller, und Schüler vertreiben sich nach der Schule die Zeit damit, ihren Lehrern auf der Internetplattform Spickmich Noten zu geben, unerkannt über die Eigenarten ihrer Pauker zu lästern oder sie gar schwer zu beleidigen. Mit Handys gefilmte Unterrichtsszenen geben auf YouTube der ganzen Welt einen Einblick in die Zustände in deutschen Klassenzimmern. Und auf der Internetseite Schulradar rechnen Eltern mit den Schulen ihrer Kinder ab.
Nie war es einfacher, Lehrer zu kritisieren – aber auch, sich an ihnen zu rächen, sie zu diffamieren und zu beschämen. Die Anonymität des weltweiten Netzes bietet einen idealen Raum, um unerkannt Dampf abzulassen und angestaute Aggressionen loszuwerden.

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Revolte oder Rettung
ZEIT - Was haben Oliver Kahn und Edmund Stoiber gemeinsam? Sie fehlen den Bayern. Der frühere Welttorwart und der Ministerpräsident a.D. sind momentan die glorifizierten Lieblinge der Münchner Presse. Beide dienen als Projektionsfiguren. Sie verkörpern die Dominanz, die vom FC Bayern München und der CSU jahrzehntelang ausging – und die nun verloren gegangen zu sein scheint.
Weil der Fußballklub in der Tabelle und die bayerische Regierungspartei in den Umfragen nach unten gereicht werden, sehnen sich die Medien und die Menschen nach den alten Helden zurück. Dabei übersehen sie geflissentlich, dass sie früher am selbstherrlichen Bayern-Keeper und am dienstbeflissenen Landesvater genug zu kritisieren hatten. Bei einer solch verklärten Betrachtung erscheinen die Nachfolger, der Torwart Rensing und die neuen CSU-Chefs Huber und Beckstein, schnell als untalentierte, tölpelhafte Platzhalter.

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Mehdorn ist nicht zu bremsen
FR - Dass Mehdorn diesen Börsengang nun auch noch ausgerechnet mitten in der Finanzkrise riskiert, was Mindereinnahmen in Milliardenhöhe bedeuten könnte, lässt nur einen Schluss zu: ums Geld geht es dem 66-Jährigen Flugzeugingenieur gar nicht, auch nicht um seine persönlichen Tantiemen, die ihm der Bund zum Börsengang versprochen hat.Worum dann? Mehdorn, der nie um einen lockeren Spruch verlegene Manager, ist nicht zu bremsen. Schon gar nicht durch eine Bundesregierung, in der ein wie gewöhnlich schwacher Bundesverkehrsminister alles abnickt, was der Zugchef vom Potsdamer Platz verlangt.
Anmerkung: Genau da liegt der Hase im Pfeffer. Mehdorn hätte schon längst entlassen werden müssen; stattdessen lässt man ihn das Unternehmen genauso ruinieren wie das deutsche Schienennetz.
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1929 und 2008
SZ - Die Regierung in Washington versucht nun, dieses Versagen mit starken Worten zu übertünchen. Und mit starken Taten. Sie stemmt sich mit einem Rettungspaket von 700 Milliarden Dollar gegen die Krise. Doch dieser Plan kann, selbst wenn der Kongress ihn durchwinkt, noch schiefgehen. Wenn es so weit käme, könnte eine Kettenreaktion folgen: Es kippt eine Bank nach der anderen, die Institute schränken ihre Kreditvergabe ein, die Krise springt auf die reale Wirtschaft über, Unternehmen beginnen zu trudeln. Am Ende könnten, wie Bush warnt, Millionen Jobs verlorengehen.
Es kann so kommen. Es muss aber nicht. Wenn Regierungen, Notenbanken und Aufseher tatsächlich die richtigen Schritte unternehmen, wenn sie die Wirtschaft ankurbeln und nicht bloß Spekulanten herauskaufen - dann ist es möglich, diese Krise zu überwinden. Dies wird aber vermutlich lange dauern. Sollten Politiker und Aufseher jedoch so viele Fehler begehen wie in den vergangenen Jahren, dann droht ein Desaster.

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2 Kommentare:

  1. Zu " Die demographische Lüge":
    "[...] wenden die Nostradami und -damen der demographia astrologica gerne ein, die Welt habe sich mit der Globalisierung geändert; [...]"
    Naja sicher hat sich die Welt mit der Globalisierung geändert. In über 2000 Jahren passiert eben so einiges auf der Welt. Oder will irgendjemand behaupten, die Globalisierung sei ein Phänomen der sogenannten Neuzeit? Schon die Römer haben erkannt, dass sich bestimmte Sachen fern der Heimat einfach billiger produzieren lassen und das ausländische Arbeitskräfte - sprich nubische Sklaven - einfach billiger waren. Und auch die koloniale Expansion war nichts weiter als das, was man heute Globalisierung nennt. Insofern kann man bei dem ganzen Getue um die Globalisierung auch von einer "Globalisierungslüge" reden.

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  2. Zu "Die demographische Lüge"

    Es geht ja nicht nur um das BIP, sondern um den Anteil der arbeitenden Bevölkerung...

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