Die Tinte unter dem Gesetz zur deutschen Beteiligung am Euro-Rettungsschirm dürfte noch nicht trocken gewesen sein, als bereits erste Forderungen nach einer Ausweitung eben dieses Schirmes laut wurden. Willem Buiter, Chefvolkswirt der Citigroup und früherer Gouverneur der Bank of England fordert in einer Studie die Anhebung auf einen Betrag von 2.000 Milliarden Euro – und zwar zeitlich unbegrenzt.
Eine entsprechende Aufstockung würde für Deutschland bedeuten, nach seinem bisherigen Anteil von 148 Milliarden Euro noch für weitere rund 246 Milliarden zu garantieren. Dies alles vor dem Hintergrund, dass der Staat schon im Rahmen der ersten „Bankenrettungsaktion“ bereits 480 Milliarden Euro als Bürgschaften stellte, von denen inzwischen gut 124 Milliarden abgerufen wurden. Sollten Buiter und seine Kollegen recht behalten und eine Anpassung des Rettungsschirms unvermeidlich sein, würde der deutsche Michel auf beinahe 900 Milliarden Garantien für „toxische Papiere“ und schwachbrüstige Staatsanleihen sitzen – eine Summe, fast dreimal so hoch wie der gesamte Bundeshaushalt 2010.
Dies wäre wohl ein noch vertretbares Risiko, würden es denn die Euro-Länder endlich schaffen, die Finanzmärkte zu regulieren und ihre Haushalte zu konsolidieren, ohne dabei durch soziale Grausamkeiten den inneren Frieden weiter zu gefährden. Allein – schon bei der Kontrolle der Finanzmärkte versagen die Regierungen kläglich und der jüngste bundesdeutsche Alleingang gegen „die Spekulanten“ ist nicht nur Spiegelfechterei, sondern billigster Populismus. Zu lange war bekannt, dass sich an den Finanzmärkten nach der Bankenkrise auch im Bereich der Kreditausfallversicherungen (CDS) etwas zusammenbraute, und dass dies nicht die besondere Schuld der „Spekulanten“ war, sondern die Gesetzgeber bereits 2008 verabsäumt hatten, entsprechende Regulierungen vorzunehmen. Ist der Dieb denn ein Dieb, wenn es keinen Straftatbestand des Diebstahls gibt?
Nein. Die Politik hat hier klar dabei versagt, beizeiten einen rechtlichen Rahmen zu setzen und – statt neoliberaler – eine Wirtschaftspolitik zu betreiben, die diesen Namen auch verdient.
Nein. Die Politik hat hier klar dabei versagt, beizeiten einen rechtlichen Rahmen zu setzen und – statt neoliberaler – eine Wirtschaftspolitik zu betreiben, die diesen Namen auch verdient.
Nun sind es aber nicht nur die weitgehend deregulierten Finanzmärkte („der Markt wird’s schon richten“), die die jüngste Krise mitheraufbeschworen haben. Bereits vor der Einführung des Euro mahnten namhafte Wirtschaftswissenschaftler, dass ohne eine harmonisierte Wirtschafts- und Haushaltspolitik das ganze Gebilde mehr als fragil wäre. Man hörte nicht auf sie, sondern nahm immer mehr Länder in die gemeinsame Währung hinein – ungeachtet ihrer „geschönten Bilanzen“. Dies mußte fast zwangsläufig nicht nur zur Aufweichung und Auflösung der Maastricht-Kriterien, sondern auch zu einer Krise führen. Der bisher letzte Schritt dabei ist das 750-Milliarden-Rettungspaket für den Euro, welches in zweierlei Hinsicht weitere Umverteilung bedeutet: Vom „reichen Norden“ an den „armen Süden“ und damit ein weiteres Mal vom Steuerzahler an dieBanken, Versicherer etc., da ja auch beispielsweise deutsche Banken in Griechenland „investiert“ sind.
Hier wird mangelnde politische Weitsicht ein weiteres Mal auf dem Rücken der EU-Bürger ausgetragen, Fehlverhalten wird auch noch belohnt, wie es dieser Tage der bekannte Hedge-Fonds-Betreiber Robert Watson in einem TV-Interview kritisch(!) anmerkte („Jetzt wissen wir, wie weit wir gehen können“) und selbst ifo-Chef Hans-Werner Sinn, der sich sonst nicht gerade durch soziale Kompetenz auszeichnet, warnt vor dem „Schirm“ und sieht eine weitere Blase auf Europa zukommen. Fehlkalkulation, Fehlverhalten, Fehlspekulation, Fehleinschätzungen – wie lange kann sich ein derart auf Irrtümern gegründetes System halten? Wir werden sehen.
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