Donnerstag, 6. Mai 2010

Hellas, du nervst

Von Stefan Sasse

Dafür kannst du natürlich nichts. Du nervst etwa so wie die schwarz-grüne Regierungsoption in NRW nervt, oder die spätrömische Dekadenz. Das Thema Griechenland wird gerade durch den Blätterwald gezogen, dass der rauscht als gäbe es kein Morgen. Ich habe bisher nichts zum Thema Griechenland geschrieben, weil ich der Meinung bin, dass ich zu wenig über das Thema weiß, um eine halbwegs qualifizierte Meinung abzugeben. Da aber irgendwelches Wissen oder gar eine Analyse der Situation dieser Tage so viel zählen wie der Hundekot hinterm Supermarkt und mir das Dauergeschrei langsam auf den Wecker geht, habe ich gestern Beise verrissen und möchte heute noch einmal ein paar Worte zu Griechenland verlieren. 

Griechenland scheint nach Lage der Dinge seine Bilanzen gefälscht zu haben, um in die Euro-Zone zu kommen, und nach ebenso übereinstimmender Lage der Dinge wussten die Verantwortlichen in allen Euroländern das und haben es aus politischen Gründen geschehen lassen. Die Griechen  oder Goldman Sachs jetzt also dafür zu kritisieren wäre wie wenn Wolfgang Schäuble Helmut Kohl die Parteispendenfinanzierung vorwirft.

Griechenland hat, so liest man allenthalben, "über seine Verhältnisse gelebt". "Über Verhältnisse leben" ist aber eine Kampfphrase der Neoliberalen, und wenn es nach denen geht lebt ohnehin jeder außer ihnen über seine Verhältnisse, der von mehr als der Hand im Mund lebt (vergleiche die Kritik des offensichtlich wohlgenährten Beise im obig verlinkten Beitrag). Was also haben die Griechen getan? Gräbt man nach stellt man fest, dass die Euro-Einführung, die die inflationäre Drachme abgelöst hat, Ratenkäufe in Griechenland eingeführt hat, die es vorher so nicht gab. Soll heißen, die Bevölkerung konnte sich einem Konsumrausch hingeben. In Deutschland hätte man das gleich als "Wirtschaftswunder" tituliert und Hans-Werner Sinn hätte verkündet, warum das grandios ist. Behaltet euch die Ratenkredite und den damit verbundenen Konsum im Hinterkopf, wir kommen noch einmal darauf zurück.

Offensichtlich hat der griechische Staat gerade mit einer explodierenden Staatsverschuldung zu kämpfen. Das allein ist aber kein griechisches Alleinstellungsmerkmal, sondern betrifft sämtliche Staaten der Welt, die in irgendeiner Weise an das globalisierte Finanznetz angeschlossen waren - es handelt sich schlicht um die Kosten der Bankenrettung, die in Griechenland wie auch in Deutschland ein fettes Loch in die Finanzen reißen. Warum aber bekommen ausgerechnet die Griechen es ab, dass man ihnen plötzlich nicht mehr zutraut, die Schulden auch wieder abzutragen (die sie wahrscheinlich zu einem Teil bei den geretteten Banken gemacht haben, die jetzt Druck machen, könnte ich ja fast wetten)?

Hier kommen die bösen, bösen Spekulanten ins Spiel. Die haben nämlich die durchschnittlichen Zinsen für eine griechische Anleihe mal eben von rund 5% auf 16, 17% hochschießen lassen, also Beträge, die nicht finanzierbar sind. Aber warum hat sich die Kreditfähigkeit eines Landes, das bislang eigentlich als sicher galt, von heute auf morgen so dramatisch verschlechtert? An der griechischen Situation hat sich nämlich objektiv seit Herbst 2009 recht wenig verändert.

Bislang bauten die Gläubiger Griechenlands (zu denen übrigens zu einem Gutteil auch deutsche Banken gehören) auf die Zugehörigkeit zur Euro-Zone, will heißen: die Wahrscheinlichkeit, dass die Kredite platzen, war gering. Zumindest geringer als bei, sagen wir Guatemala. Doch die überragend weitsichtige Politik in Deutschland hat mit wirren Vorschlägen und populistischen Parolen vom Inselverkauf bis zur Umschuldung (sprich: Staatsbankrott) alle Horrorszenarien in einer Offenheit diskutiert, als ginge es um den Speiseplan für das nächste Treffen mit den Mövenpick-Lobbyisten. Entsprechend konnte sich niemand darauf verlassen, dass die Euro-Zone außer der blauen Flagge mit den gelben Sternen irgendwelche Sicherheiten bieten konnte. Der Rest war dann normaler Herdentrieb.

Es war also die chauvinistische deutsche Politik, die den Weg in die griechische Krise erst richtig geebnet hat. Natürlich hat Griechenland zum Schaden auch noch den Spott der Deutschen, der sich von den CSU-Hinter- und Vorderbänken auf die Hellenen ergießt. Der Druck, den Deutschland gerade ausübt, und der von der Aberkennung der Stimmrechte in der EU zu weitgreifenden Einmischungen in die Innen- und Finanzpolitik des Landes alles enthält, ist für das Land schädlich, denn die vorgeschlagenen Reformen werden alles tun, aber bestimmt nicht das Haushaltsdefizit beseitigen. Aber was bei uns schon nicht funktioniert hat, kann ja die Griechen auch noch in den Ruin treiben.

Und damit kommen wir auf die Ratenkredite der griechischen Kleinsparer zurück, die genauso wie die faulen Hypthoken amerikanischer Hausbesitzer eine so unerwartete fiskalische Zeitbombe waren. Die Pose des arroganten Besserwissers hat Deutschland derzeit hervorragend drauf, aber der Typ war schon in der Schule unbeliebt. Noch schlimmer ist es, wenn er vor eigener Blasiertheit gar nicht merkt, dass er selbst mit Schuld ist. Denn keinesfalls darf in den ganzen Forderungen, Ratschlägen und Belehrungen an Griechenland der Hinweis fehlen, dass das Land seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern habe. Aber was soll das denn heißen? Im Land der Nicht-Mehr-Exportweltmeisters Deutschland natürlich eine Steigerung der Exporte und eine Senkung der Importe.

Was die deutschen Experten dabei wie immer vergessen ist, wo unsere gewaltigen und stabilitätsgefährdenden Außenhandelsüberschüsse eigentlich herkamen: es waren Länder wie Griechenland, die unsere Waren gekauft haben, während hierzulande die ohnehin schwache Binnennachfrage durch die Agenda-Reformen vollständig abgeschnürt wurde. Die deutschen Rüstungskonzerne haben glänzende Geschäfte mit der griechischen Regierung gemacht, die aufgerüstet hat als wären wir im Kalten Krieg. Niemand hat das hierzulande kritisiert, solange die Griechen kauften. Das können sie jetzt nicht mehr, und anstatt eigene Ungleichgewichte abzubauen verlangen wir von den Griechen die Quadratur des Kreises und eine Ausgleichung ihrer eigenen Außenhandelsbilanz. Das ist so unsagbar dumm, dass man eigentlich nur Hans-Werner Sinn, Gabor Steingart und Marc Beise die Hand schütteln kann: toll habt ihr das gemacht! Denn den Quatsch liest man inzwischen überall, und Stimmen der Vernunft sind leider allzu selten. 

So, genug der Griechen. Das Thema geht wirklich auf die Nerven, einfach nur, weil sich gerade jeder zum Volkswirtschaftsexperten mausert und einem erzählt, dass die Griechen im Luxus geprasst haben, während wir die Hosen enger geschnallt haben. Ja, Leute, genau das ist das Problem! 

Literatur: 

9 Kommentare:

  1. Du hast recht, das Thema nervt. Die Dummheit von Presse und Politik nervt noch mehr. Manchmal wünscht man sich etwas mehr griechisches Temperament in der deutschen Bevölkerung...

    Ich rede auch seit Wochen im Bekanntenkreis gegen die Griechendiffamierung an, aber die Botschaft kommt leider oft genug nicht an.

    Danke für die Zusammenfassung- jetzt nur noch allen NRW-Wählern zuschicken ;-)

    AntwortenLöschen
  2. Ich kann mich meinem Vorredner nur anschließen, danke für diesen Artikel. Ich habe mich bislang auch zurückgehalten, weil ich mir kaum ein fachliches Urteil über die Materie zutraue, aber was in Blöd-Zeitung, der restlichen Springer-Presse und sogar angeblich seriösen Medien an Unfug verbreitet wird, ist echt nicht mehr zum Genießen, und die politische Diskussion ist auch kaum besser. Selbst eigentlich vernünftige Leute kommen plötzlich mit Bild-Parolen á la "Ich zahl doch nicht für die ollen Griechen".

    Das Spar-Gesetz in Griechenland ist durch, die innerparteilichen Kritiker gleich kaltgestellt, und hier gibt's morgen dann auch das übliche Durchwinken, mit einem Diskussions-Ersatz, der nicht mal dem gesunden Menschenverstand standhält, und schon gar keiner sachlichen Auseinandersetzung. Dankeschön, für's einfach mal auskotzen... ;-)

    AntwortenLöschen
  3. Ich sag nur:
    1.) Führt die Drachme wieder ein!
    2.) Führt die Deutsche Mark wieder ein!

    Denn das beseitigt nicht nur die Ursachen aller Krisen, sondern lässt sich der 60+ Generation auch noch gut verkaufen...

    Aber mal im Ernst:
    Im Fall Griechenland kann man eigentlich weder den Investoren (also den Käufern der griechischen Staatsanleihen) noch den Ratingagenturen einen Vorwurf machen.

    Wenn die europäischen Regierungen und auch Griechenland selber ihren Untergang propagieren - ja würdet ihr da noch griechische Staatsanleihen kaufen? Ohne gehörigen Risikoaufschlag?...

    Die Frage ist doch eher ob es sinnvoll ist, dass Privatunternehmen die Kreditwürdigkeit eines Staates anhand z.T. privatwirtschaftlichen Kriterien bewerten...

    AntwortenLöschen
  4. Das arme kleine Griechenland, jetzt wird es als Sau durchs Dorf/die Medien/die Finanzwelt getrieben. Dabei sind sie nur eine Nebelkerze um dem Volk den kommenden finanziellen Supergau zu erklären. denn es ist momentan völlig egal von wo dieses marode und mafiöse Finanzsysten angetippt wird um zusammenzubrechen. Könnte genauso gut jemand sein der beim Börsenhandel mal eine falsche Zahl eingibt. Aber die Griechen machen sich gut als abschreckendes Beispiel für die Deutschen, da sie einige bessere soziale Erunngenschaften hatten.

    AntwortenLöschen
  5. Danke für diesen Artikel. Auch mir fehlen vermutlich tiefergehende Informationen zu dem Thema, doch die Diskussion, die in der Öffentlichkeit geführt wird, entlarvt sich schon selbst als Phrasengedresche!

    AntwortenLöschen
  6. Du nervst, Junge.
    "Bislang bauten die Gläubiger Griechenlands "
    Wo ist die Deutsche Bank (NACHFRAGE?)unter den Gläubigern. Du Gläubiger.Soll ich dich wieder einmal zerreissen, wie ich dich schon mal verrissen habe? Ein Witzblog, das ganze Zeuch.ich glaube , ich werde von meinem Rücktritt den Rücktritt machen. Du verteidiger Ackermanns und sonstiger Soziophaten.

    Mal Werbung für dich machen: Willkommen dei der FDP und sonstigen Menschenfeinden....etcetc

    AntwortenLöschen
  7. Ich hab keine Ahnung, was du von mir willst.

    AntwortenLöschen
  8. http://www.youtube.com/watch?v=ddhm3qpe7sg


    Rede von Wagenknecht zu Griechenland und Bankenrettung.
    Sehr hörenswert.
    Quintessenz: Rettung Griechenlands ist genauso unsinnig und überteuert wie Bankenrettungen, die den Steuerzahler Milliarden kosten (bisher laut Wagenknecht ca 90 Mrd) und auf längere Sicht nix bringen. Um Griechenland dauerhaft eine Chance zu geben, müsste Deutschland endlich aufhören, andere EU-Länder über die Löhne kaputtzukonkurrieren.
    Schön auch Wagenknechts Kritik an Deutscher Bank und Co., die indirekt nur Gewinn gemacht haben, weil andere Banken gerettet und Schrottpapiere vom Staat übernommen wurden, sonst wär die Deutsche B. nämlich bereits kaputt.
    Also ist J.Ackermann UNSER Angestellter, denn der deutsche Michel hat ihm indirekt sein Gehalt + Bonus bezahlt ;-). Leider pariert Ackermann nicht bzw. setzt uns unter Druck anstatt wir ihn.

    Wer mehr zu Griechenland und Bankenrettung wissen will, dem seien mal die nachdenkseiten dot de empfohlen.

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.