Dienstag, 18. Mai 2010

Diplomatische Spielereien

Von Stefan Sasse

Mit der üblichen rasenden Geschwindigkeit diplomatischer Verhandlungen geht es derzeit in den Abrüstungsgesprächen um nukleare Waffen mit Russland voran, für deren Ankündigung Obama ja den ungeheuer schlechten Geschmack bewies, den Friedensnobelpreis prophylaktisch anzunehmen. Die Russen haben jetzt einen neuen Vorschlag gemacht, der eine Vorbedingung zu ernsthaften Verhandlungen darstellen soll: jede Atommacht soll ihre Waffen nur auf ihrem Territorium stationieren. Das ist allerdings clever. 

Für die NATO ist diese Forderung natürlich unannehmbar. Die Stationierung von Atomwaffen, besonders von Kurz- und Mittelstreckraketen, auf dem Gebiet der NATO-Staaten, besonders Deutschlands, ist ein Eckpfeiler der NATO-Sicherheitspolitik praktisch seit Existenz des Bündnisses. Würden die Amerikaner (und machen wir uns nichts vor, nur um die geht es) dieser Forderung tatsächlich zustimmen, könnten sie ihre ganzen Kurz- und Mittelstreckenraketen gleich im dualen System entsorgen, denn einen Nutzen hätten sie mit 6000 Kilometern Wasser zwischen sich und dem nächsten potentiellen Ziel nicht mehr. Dazu kommt, dass eine derartige Aufgabe das Bündnis schwer belasten würden, denn auch für die deutsche Sicherheitspolitik ist die Anwesenheit der Amerikaner und ihrer Atomwaffen ein ständiger Eckpfeiler. Von den neuen Mitgliedsstaaten der NATO wie Polen, die unter Bush sogar einen Raketenschutzschirm geschenkt bekommen sollten, gar nicht zu reden. Sie würden sofort zurück in die russische Einflusssphäre stürzen. Russland dagegen würde genau gar nichts ändern. Deren Raketen stehen schließlich bereits alle auf dem eigenen Grund und haben auch spätestens seit der NATO-Osterweiterung eine ganze Menge Ziele.

Der Vorschlag ist reine Spielerei. Die NATO wird ihn ablehnen müssen, und da viele Leute die obige Rechnung nicht aufmachen werden, hat sie den Schwarzen Peter der Aggression. Die Russen spielen die Saite der Friedensbewegung der 80er Jahre immer noch virtous, und auch wenn die Bedeutung dieser Bewegung heute stark abgenommen hat, ist es immer noch beeindruckend wie gut es ihnen gelingt. Obama steht dabei noch vor dem doppelten Problem, dass ihn die Annahme des Friedensnobelpreises moralisch verwundbar gemacht hat, da eine Ablehnung solcher vergifteten Angebote mit einem verletzten Blick und Verweis auf den Preis noch zusätzlich gewürzt werden kann. Seht her, der meint es gar nicht ernst ...

Interessant zu sehen, dass die diplomatischen Muster aus der Zeit des Ost-West-Konflikts noch heute wie aus dem Effeff funktionieren. Die Aufmerksamkeit dafür in der Öffentlichkeit ist geringer, zugegeben, aber es funktioniert immer noch. Oh übrigens, die NATO verlangt im Gegenzug, dass Russland seine Raketen in Zentralrussland stationiert, wo sie genauso unnütz sind. Mal gespannt, ob sich da noch irgendwer bewegt ...

2 Kommentare:

  1. Hmmm... Auch wenn die NATO somit den "Schwarzen Peter der Agression" hat, ist dies doch eine gute Strategie Russlands, um ihr Gewicht wieder voll in die Weltpolitik zu schmeissen, also selbst wieder einen Anfang hin zu aggressiverer Politik einzuleiten. Und wäre ich russischer Stratege, würde ich jetze auf den passenden Moment warten, um Überraschend die Militärpräsenz zu erhöhen - da sich "der Westen" so schön im nahen Osten aufreibt, wäre eine Expansion gen Westen nahzu einfach zu bewerkstelligen. Aber bloß nicht auf mich hören: Da spricht (fast) nur die Paranoia aus mir...

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  2. Tidaltree:
    Das "fast" vor Paranoia sollten Sie streichen.

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