Von Stefan Sasse
Nach gerade fünf Stunden Verhandlungen wurden dieselben gestern abgebrochen: es gäbe zwar keine Reibungspunkte bei landespolitischen Themen, wo man voll auf einer Linie liege (was implizit heißt, dass die LINKE bereit war, sich von einem guten Teil ihres Programms zu verabschieden), aber die "sehr relativierenden Aussagen zur DDR" hätten dafür gesorgt, dass man "zu keinem Zeitpunkt das Gefühl hatte, es mit einem zuverlässigen Koalitionspartner zu tun zu haben".
Damit endet der Traum von der rot-rot-grünen Wende auch in NRW. Es war ohnehin überraschend, mit welcher Ernsthaftigkeit die SPD sich daran zu machen schien. Letztlich bleibt die Episode also ein reines taktisches Intermezzo Krafts. Es hat den Eindruck, als ob sie nie vorhatte, diese Koalition ernsthaft einzugehen. Stattdessen könnte die SPD demonstrativ ihre Bündnisöffnung nach links vorexerziert haben, um ihren in letzter Zeit arg geschwundenen Marktpreis wieder nach oben zu treiben.
Dazu passt die Begründung der Absage, die für sich genommen reichlich albern ist. Schließlich hätte man ja hier wenigstens versuchen können, eine entsprechende Wortregelung der LINKEn zu erreichen, aber dies scheint nicht versucht worden zu sein. Die Begründung ist dagegen ein weiteres Gesprächsangebot an die FDP. Diese kann so vor der Öffentlichkeit verkaufen, dass die SPD wenn auch spät doch auf ihre Forderung eingegangen sein, keine Bündnisse mit den bösen Extremisten zu schließen. Es wäre eine kleine Sensation, würde es der SPD gelingen, die FDP herüberzuziehen; gleichwohl ist es unwahrscheinlich. Zwar macht sich bei den Liberalen die Einsicht breit, von der Westerwelle-ein-Themen-Partei wegkommen zu müssen, aber innerhalb weniger Tage einen solch radikalen Kehrschwenk zu machen scheint selbst von solchen Profi-Umfallern etwas viel verlangt. Letztlich handelt es sich also wohl um eine weitere Lockerungsübung. In NRW stehen die Zeichen auf Großer Koalition.
Was können wir als Ergebnis daraus mitnehmen? Die LINKE muss sich, das sollte offensichtlich geworden sein, wenn sie eine Regierungsbeteiligung anstrebt tatsächlich auch seriöser geben. Dazu sollte sie in der nun sicheren Opposition ihre Zeit nutzen. Eine vernünftige Sprachregelung zur DDR sollte dabei auf der Prioritätenliste ganz oben stehen. Die neuen MdL sollten außerdem dringend davon absehen, Fundamentalopposition zu betreiben. Stattdessen sollten sie ihr Profil betonen und sich einigermaßen staatstragend geben. Das könnte die Chancen für 2015 erheblich verbessern. Die SPD, das wird deutlich, findet langsam von ihrem Taumelkurs wieder in festeres Fahrwasser. Es ist beachtlich, dass Kraft trotz der mannigfaltigen Angriffe der letzten Woche stets die Oberhand behielt. Sie ließ sich weder die Koalitionsdiskussion aufdrücken noch sonst wie in die Defensive treiben. Sie gerierte sich als Wahlsieger, obwohl sie keiner war, und hält alle Optionen offen. Man kann es als klare Kampfansage an die CDU sehen. Für die ist die Zeit der geschenkten Siege langsam vorbei, auch wenn die SPD nun in der Großen Koalition große Probleme bekommen wird, nicht wieder unterzugehen.
Es ist unwahrscheinlich, dass es in NRW zu Neuwahlen kommt. Kraft müsste dazu die Verhandlungen mit der CDU scheitern lassen und es so aussehen lassen, als ob Rüttgers daran Schuld sei. Danach ist aber keine Garantie gegeben, dass die SPD und die Grünen tatsächlich auf eine Mehrheit kämen. Ich kann nicht sagen, dass mich diese Entwicklung begeistern würde. Ich hätte gerne den rot-rot-grünen Feldversuch gesehen. Tatsächlich aber ist die LINKE zu einem gewissen Teil selbst Schuld, denn wie bereits beschrieben war ihre PR katastrophal und ihr Herumgeeiere zur DDR eine echte Peinlichkeit. So sehr das Ganze auch eine antilinke Propaganda war, einen besonders seriösen Eindruck machte die Riege tatsächlich nicht. Richten wir den Blick auf 2011 und hoffen, dass die LINKE aus 2010 gelernt hat. Die SPD hat ihre Lektion aus 2008 offensichtlich gelernt.
Ach Stefan komm schon,
AntwortenLöschenDa diskutieren in NRW Politiker darüber, wie es in der DDR war. Und daran scheitern politische Konstellationen.
Wo ist da bitteschön ein Sinn?
Weiterhin frage ich mich, wo die positive Einordnung von Krafts Gebaren herkommen soll? Die Frau hat sich schon vor der Landtagswahl mittels Roter-Socken-Kampagne die Koalitionsoption RRG von selbst verbaut. Und dann kommt sie aus den Verhandlungen mit der Linken raus und erklärt im selben Atemzug, dass sie Gespräche mit der CDU führt.
Das hat nichts mehr mit "alle Optionen" zu tun, sondern entspricht der letzten Alternative, die ihr noch bleibt. Selbstverschuldet wohlgemerkt.
Und die Krönung dieses Schmierentheaters ist dann die Begründung, die Linke hätte sich nicht entschieden von der DDR distanziert. Das ist definitiv nicht das, was man unter "Oberhand behalten" versteht, sondern ein plumper Versuch, rational nicht fassbares irgendwie doch noch zu vermitteln
Was man hier dem Wahlkampf der Linken vorwerfen kann, ist dass es die Partei nicht geschafft hat, zu den eigenen Positionen umzuschwenken, sondern sich immer und immer wieder auf diese komische DDR Kampagne einzulassen. Aber wie soll man das auch bitteschön machen, wenn Gegenwind von so ziemlich jeder journalistischen Einrichtung dieses Landes kommt?
Außerdem ist dies der Holzhammer, mit dem man die Linken madig machen kann. Dieser Mechanismus funktioniert seit über 100 Jahren und selbst wenn sich die Linke deutlich positioniert, wie du es verlangst, würde das an der medialen Behandlung und der Hetze durch andere Parteien nichts ändern.
Wer eine Koalition auf Landesebene daran scheitern lässt, dass die Aussage der Linken : "Die DDR war eine Diktatur", nicht aussreicht um sich weit genug von der DDR zu distanzieren, hat von Anfang an nichts anderes geplant.
AntwortenLöschenKraft hat insofern die Oberhand, dass sie nun die Koalition bekommt, die von ihr und den Bundesobrigen der SPD von Anfang an gewollt war. Das der Wähler wohl eher einen Wechsel wollte, wird von der SPD - wie seit Jahrzenten üblich - schlicht ignoriert.
Die SPD hat das gute Wahlergebnis erzielt, weil Kraft halbwegs glaubwürdig einen Neuanfang einer - wieder - sozialen SPD vertat. Dieses wurde wieder negiert.
Eine Neuwahl wird es nicht geben, denn die SPD würde gnadenlos verlieren.
Bisher ist ja noch nicht ganz klar, was da genau passiert ist, aber wenn die Linke wirklich(s.: http://www.nachdenkseiten.de/?p=5611) bereit war, die DDR als Diktatur zu bezeichnen und nur den Abschnitt "der nicht nur kein Rechtsstaat war, sondern ein Willkürstaat, der in der Konsequenz Unrechtsstaat genannt werden muss." nicht mittragen wollte, dann waren das in der Tat nur Scheigespräche, denn der Satz ist ja allein historisch überaus fragwürdig. Keine Frage, die DDR war ein furchtbarer Staat, mit furchtbargem, in GEsetze gegossenem Unrecht. Aber diese Gesetze galten nun mal und wurden verfolg, deshalb war es nun mal kein Willkürstaat. (Ok, das macht es nicht besser, aber wenn man sich so eine Deutung wirklich raussucht, dann will man wohl gar kein Zustandekommen der Gespräche).
AntwortenLöschenIch glaube nicht, dass Frau Kraft überhaupt ernsthaft vor hatte, mit den Linken zu koalieren, aus Angst, von ihrem rechten Parteiflügel genau so vorgeführt und demontiert zu werden, wie das schon mit Frau Ypsilanti gemacht wurde. Die Haltung der Linken zur DDR war da nur ein bequemer Vorwand, weil es an Sachfragen und konkreten landespolitischen Inhalten wohl kaum gescheitert wäre.
AntwortenLöschenTrotzdem ärgert mich, dass die Linke den anderen Parteien immer noch und immer wieder diesen billigen Vorwand offenbar bereitwillig in die Hände spielt.
Frau Kraft ist sich hoffentlich im Klaren darüber, dass eine große Koalition die SPD weiter schwächen und die Linke weiter stärken wird.
@Stefan: Seh ich ganz genauso. Wenn die LINKE-Abgeordneten weniger aggressiv auftreten und ihre "Pressemitteilungen" etwas besser abstimmen würden, hätten sie auch weniger Probleme. Mir ist völlig unbegreiflich, warum sich die LINKE immer wieder in die DDR-Ecke stellen lässt, weil ihre Abgeordneten einfach zu dämlich sind im entscheidenden Moment die Fresse zu halten (Entschuldigt den Ausdruck).
AntwortenLöschen@daniel limburger:
antikapitalistischen Systemopposition -da häts mich mit einem Lachkrampf fast vom Stuhl gehauen.
Solange die gesammelte Linke Parolen von vorvorvorgestern wiederholt, ist der "kapitalistisch-demokratische Sauladen" nicht in Gefahr.
Es funktioniert einfach net. Also kommt drüber weg und lasst euch was neues einfallen...Ist ja nicht so, dass es keine Alternativen gäbe.
Ausnahmsweise muss ich dir mal widersprechen. Die SPD hat sich kein bisschen gebessert. Kraft, die alte Clement-ine, hat ein billiges Schmierentheater veranstaltet um die von ihr und dem rechten SPD-Flügel insgeheim favorisierte GroKo zu rechtfertigen. Allein wie sie rauskam und erzählte die Linke habe kein Demokratieverständnis und sie habe schon bei Rüttgers angerufen. Zum Brül-len!
AntwortenLöschenMich würde mal interessieren was die Linke für relativierende Äußerungen über die DDR gemacht hat. Ich relativiere auch die DDR in manchen Sachen. Es gab einige Sachen die besser waren aber leider Gottes gab es viele Sachen die Shit waren. Man muss eben genau Nachfragen was gemeint ist.
AntwortenLöschen"Die LINKE muss sich, das sollte offensichtlich geworden sein, wenn sie eine Regierungsbeteiligung anstrebt tatsächlich auch seriöser geben."
AntwortenLöschenSo "seriös" wie die anderen Parteien, welche das Geld den Banken in den Rachen werfen, oder HartzIV Mobbing betreiben, oder Kriege führen...
Da sieht man mal wieder, dass Osho recht hatte: "Seriousness is a sickness"
"serioeser geben" - was soll denn das bedeuten ? Das ist die Sprache der Hofberichterstatter. Viel Meinung, dafuer kein Inhalt.
AntwortenLöschen@Hoeschler: Du missverstehst mich. Ich behaupte, die SPD resp. Kraft hat von Anfang an eine GroKo angestrebt; das mit den LINKEn war Theater. ABER: Der Sinn dahinter ist der, dass sie die Diskussion geführt hat, ohne Schaden zu nehmen. Nächstes Mal können sie es vielleicht dann durchziehen, ohne dem konservativen Sperrfeuer all zu viel Beachtung schenken zu müssen. Ich gehe davon aus, dass das Kalkül dahinter war.
AntwortenLöschen@Daniel: Ich wünsche mir das nicht, aber du hast Recht: es ist sehr, sehr unwahrscheinlich. :)
@Anonym: Ich denke das siehst du falsch. Im Gegensatz zu Hessen ist die NRW-SPD nie mit einem solchen Veränderungsprogramm angetreten. Ihre Stärke ist die Schwäche der schwarz-gelben Regierung.
@Markus: Richtig, deswegen sage ich ja auch, dass die LINKE aggressiv versuchen muss, eine Sprachregelung durchzuboxen, die alle Seiten zufrieden stellt. Aber da sind sie derzeit echt zu unfähig dazu.
@Chris: Danke :)
@Anonym2: Schau dir den Report Mainz an. Die Stasi zu rechtfertigen ist nicht nur dämlich, sondern auch in meinen Augen grundfalsch.
@Anonym3: Das ist nicht seriös.
@Sepp: Wie soll denn Meinung ohne Inhalt gehen? - Besides, was meine ich mit seriöser: der Bürger wählt politische Führungsfiguren, kein Kasperltheater, das Abgeordneter spielt. Das reicht für 10%-Proteststimmen, aber nicht für eine Regierung. Aber das habe ich bereits in einem vorherigen Beitrag beschrieben.
Was ich mit "ohne Inhalt" meine, ist die Eroerterung aller moeglichen taktischen Spielchen, die in diesem Artikel nachvollzogen wird, so dass die Kritik selber nur eine Variante dieser Spielchen ist. Damit kommt man dann zu "serioes" und dergleichen. Das kommt mir vor wie eine Metadiskussion, im Verhaeltnis zur Realitaet belangloses Bemeinen zum Zweck der Ablenkung von den politischen Inhalten. Mit Inhalt meine ich, worueber letzten Endes entschieden wird (und ueber dem Polikastergelaber fuer das Publikum ins zweite Glied oder ganz ausser Sicht geraet): Was wird konkret getan werden in Sachen Bildung, Arbeitlosigkeit, Privatisierung, Einschraenkung kommunaler Leistungen etc. . Was die "Serioesitaet" der Linkspartei betrifft, ist die m.E. eben daran zu messen, ob sie dazu ordentliche Vorschlaege im Interesse der unteren Schichten hat, und nicht an einer Geisterdiskussion ueber Stasi/"Unrechtsstaat" DDR etc.. Mit solchen Inhalten hat sie sich ganz ordentlich positioniert, und darauf kommt es, finde ich, an.
AntwortenLöschenDamit liegst du in meinen Augen falsch. Die Inhalte sind ungemein wichtig, und ich stimme jedem zu der sagt, dass sie die Diskussion bestimmen sollen. Aber nehmen wir an, die NPD würde all diese Forderungen vertreten, die wir für sinnvoll halten, und der CDU ein Bündnis anbieten - wären wir nicht alle glücklich, wenn sie ablehnte, obwohl es bestimmt Überschneidungen gibt und wir den Positionen zustimmen könnten? Ich will keinesfalls die LINKE mit der NPD vergleichen, denn das macht hinten und vorne keinen Sinn; das Beispiel soll lediglich plakativ deutlich machen, dass es eben nicht immer nur auf die Inhalte ankommt. Ich habe bereits öfter geschrieben, dass Inhalte, die keine gesellschaftliche Mehrheit finden oder Protagonisten, die diese Mehrheit nicht finden können, irrelevant sind. Die LINKE hat gute Inhalte, die zumindest teilweise eine gesellschaftliche Mehrheit finden (bei der Bildungspolitik stößt man schnell an Grenzen, aber das gilt für beide Richtungen). Es sind die Protagonisten und der gedankliche Ballast, die eine Umsetzung verhindern. Deswegen ist, aus Sicht der SPD, die taktische Spielerei vermutlich klug gewesen. Ich hätte auch lieber rot-rot-grün gesehen. Alles was ich sage ist, dass ich die Haltung der SPD aus ihrer Sicht verstehen kann.
AntwortenLöschenDas SPD-Spielchen mit der Linkspartei nach der NRW-Wahl ist ja nur ein Beispiel. Der politische Betrieb besteht zu einem grossen Teil in solchen Spielchen, nicht nur zwischen den Parteien, sondern vor allem in deren Verhaeltnis zur Bevoelkerung. Es wird selten gesagt, worum es geht,gewoehnlich sogar das Gegenteil dessen, was getan wird oder beabsichtigt ist. (Muenteferings Klage, es sei unfair, Parteien am ihrem Wahlprogramm zu messen, zeigt z.B., wie eingefleischt und selbstverstaendlich das bei den Berufspolitikern ist.)Das Resultat ist, dass sich immer mehr Buerger nicht einmal mehr per Wahlkreuzchen an der Politik beteiligen. In NRW repraesentieren alle im Parlament vertretenen Parteien zusmmengenommen kaum noch mehr als die Haelfte der Erwachsenen.
AntwortenLöschen- Von wegen "gesellschaftliche Mehrheiten" ! Selbst eine grosse Koaition wird nur etwa 40 % der Bevoelkerung repraesentieren. Und dabei ist noch nicht beruecksichtigt, dass selbst die, die noch zur Wahl gehen, vermutlich in der Mehrzahl waehlen, was sie jeweils als das kleinere Uebel ansehen.
Wenn man genauer hinsieht, sind es eben gerade nicht gesellschaftliche Mehrheiten, die bestimmen, was politisch/staatlich getan wird, sondern kleine Minderheiten. Die Mehrheit haelt sich entweder ganz raus oder motzt und waehlt "gerade noch", von darueber hinausgehendem politischen Engagement ganz zu schweigen.
Es wird immer so getan, als sei dieser Prozess vollkommen einseitig - gerade Münteferings Kritik ist durchaus richtig. Wann immer die Politiker die Wahrheit sagen, werden sie von den Wählern bestraft. Warum also sollten sie es tun?
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