Auf der Toilette bevorzuge ich leichte Lesekost, weswegen ich mir gerade mal wieder die alten Spiegel-Jahrbücher geschnappt habe. Die meisten Seiten überblättere ich einfach, aber bei dem Artikel zur Köhler-Wahl 2004 (S. 106-108), "Präsident will `Kante zeigen´" von Jürgen Leinemann, kam ich dann aus dem ärgerlichen Kopfschütteln nicht mehr heraus. Hier auszugsweise die Passagen, die mich zu dieser ungesunden körperlichen Reaktion bewegten:
Albern auf der einen und geradezu abstoßend auf der anderen Seite finde ich vor allem zwei Dinge:
1) Die offenkundig richtig stupide Charakterisierung Deutschlands, Köhlers und Köhlers Verhältnis zu Deutschland. Zusammen mit Köhler staunt Spiegelautor Jürgen Leinemann über den verbreiteten Pessimismus in Deutschland: wo mag der nur herkommen? Da "erspart man als gelernter Ökonom nicht" an Pessimismus und wundert sich dann, wo er herkommt. Gleiches gilt für die Spiegelredaktion: ein Feuerwerk von Artikeln gegen den Sozialstaat und das "Modell Deutschland", Pessimismus aller Orten und Gabor Steingart. Woher mag das nur kommen?
2) In dem Artikel findet sich eine beständige Niedermachung der Politiker. "Widerliches parteipolitisches Gezerre" findet der Spiegel, beschwert sich über "ausgelutschte Polit-Floskeln" und stellt Prognosen an, wie Horst Köhler mit den Politikern zurechtkommen wird. Das ist nicht nur einfach Unsinn und hetzend, sondern auch inkonsequent. Denn wer wird denn sofort mit einem druckergeschwärzten Aufschrei der Empörung in sechsstelliger Auflage reagieren, wenn ein Politiker einmal NICHT nur unverbindliche Floskeln von sich lässt? Richtig, der Spiegel, und Leinemann wahrscheinlich vornedran. Ein Beispiel ist Kurt Beck: er hat in einem Anfall geistiger Umnachtung nicht nur Floskeln abgelassen, sondern strategische Überlegungen angestellt. Was ist passiert?
Ich veröffentliche diesen Artikel als symptomatisch für den Verfall der deutschen journalistischen Landschaft, und darin ganz besonders des Spiegel. Ich frage mich, wo das enden soll.
[...]So ist Horst Köhler ein deutscher Patriot geworden, einer, der mit der Vorstellung von sich selbst lebt, "dass ich einen Bezug zu Deutschland habe, der mir etwas gibt, und der mich froh macht". Ein Patriot freilich, für den Weltoffenheit die logische Ergänzung zur Heimatliebe ist. "Nur wer sich selbst achtet, achtet auch andere." Es irritiert ihn, dass es in Deutschland derzeit sowohl an Zuneigung zum eigenen Land mangelt als auch an Neugier auf die Freunde. [Seine Auslandsjahre] haben Horst Köhler gründlich das Staunen gelehrt über den Pessimismus, der heute im eigenen Lande herrscht. Ist er selbst [...] nicht ein Beispiel für die Möglichkeiten des Landes, die Dinge zum Besseren zu wenden, wenn man sie anpackt? Staunend erleben die Bundesbürger, wie dieser eher scheue Unbekannte sich ihnen als ein Spiegel darbietet, in dem sich viele Ältere erkennen können.Ganz ehrlich: ich mache mir sorgen um die Qualität der Journaille in Deutschland, und das nicht erst seit gestern. Ich finde diesen Spiegelartikel symptomatisch für den ganzen Niedergang der journalistischen Kultur, nicht nur bei diesem Blatt. Der ganze Artikel ist nichts als eine einzige Lobhudelei auf Köhler und, in Maßen, auch auf seine damalige Herausforderin Gesine Schwan, die rot-grüne Alibikandidatin. Garniert wird das Ganze boulevardesk mit einigen Szenen aus dem Privatleben der beiden.
Ein solches Ergebnis hätte niemand erwartet, nachdem mit widerlichem parteipolitischen Gezerre die CDU-Chefin den politischen Nobody aus den USA durchboxte, im ihre eigene Machtposition zu festigen. [...] Beide Kandidaten reden klug und klar über sich und über das Land in einer frischen Sprache, die sich wohltuend abhebt von den ausgelutschten Polit-Floskeln der Parteiprofis. [...] Ein politischer Präsident will Köhler sein, tatsächlich redet er bisweilen, als wäre er der Bundeskanzler. Er fordert eine "grundlegende Erneuerung unseres Landes". Uns als gelernter Ökonom erspart er seinen Landsleuten nicht die Feststellung, dass er such Sorgen mache um den Zustand der deutschen Wirtschaft, die Arbeitsplätze und die soziale Sicherheit im Lande.
Albern auf der einen und geradezu abstoßend auf der anderen Seite finde ich vor allem zwei Dinge:
1) Die offenkundig richtig stupide Charakterisierung Deutschlands, Köhlers und Köhlers Verhältnis zu Deutschland. Zusammen mit Köhler staunt Spiegelautor Jürgen Leinemann über den verbreiteten Pessimismus in Deutschland: wo mag der nur herkommen? Da "erspart man als gelernter Ökonom nicht" an Pessimismus und wundert sich dann, wo er herkommt. Gleiches gilt für die Spiegelredaktion: ein Feuerwerk von Artikeln gegen den Sozialstaat und das "Modell Deutschland", Pessimismus aller Orten und Gabor Steingart. Woher mag das nur kommen?
2) In dem Artikel findet sich eine beständige Niedermachung der Politiker. "Widerliches parteipolitisches Gezerre" findet der Spiegel, beschwert sich über "ausgelutschte Polit-Floskeln" und stellt Prognosen an, wie Horst Köhler mit den Politikern zurechtkommen wird. Das ist nicht nur einfach Unsinn und hetzend, sondern auch inkonsequent. Denn wer wird denn sofort mit einem druckergeschwärzten Aufschrei der Empörung in sechsstelliger Auflage reagieren, wenn ein Politiker einmal NICHT nur unverbindliche Floskeln von sich lässt? Richtig, der Spiegel, und Leinemann wahrscheinlich vornedran. Ein Beispiel ist Kurt Beck: er hat in einem Anfall geistiger Umnachtung nicht nur Floskeln abgelassen, sondern strategische Überlegungen angestellt. Was ist passiert?
Ich veröffentliche diesen Artikel als symptomatisch für den Verfall der deutschen journalistischen Landschaft, und darin ganz besonders des Spiegel. Ich frage mich, wo das enden soll.
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