Montag, 3. März 2008

Revisionismus direkt von oben

Am 30. Januar 1945 (am Jahrestag der "Machtergreifung", Ironie der Geschichte) wurde die Wilhelm Gustloff, ein Kreuzfahrtschiff der NS-Propagandaorganisation DAF (Deutsche Arbeitsfront) in der Ostsee von einem sowjetischen U-Boot torpediert. Das Schiff - feldgrau angestrichen und mit Flakgeschützen versehen offiziell als Kriegsschiff geltend - war bis zum Bersten gefüllt mit Flüchtlingen aus Ostpreußen; etwa 10.500 Menschen drängten sich an Bord. Nur 1500 konnten gerettet werden; mit 9000 Toten gilt der Untergang damit als größtes Schiffsunglück der Geschichte.
Über diese Tragödie macht nun das ZDF, das sich bereits mit "Die Flucht", "Dresden" und natürlich den zahlreichen Knopp'schen Nazi-Shows einen guten Ruf als professioneller Revisineur erkämpft hat, einen sündteuren Zweiteiler zum Thema zu drehen. Dementsprechend werden auch die Werbetrommeln gerührt. Über den üblichen Sermon, den die ZDF-Produktionen dabei verströmen hinaus hat die Verfilmung der Geschichte der Wilhelm Gustloff dabei einen ziemlich kräftigen, eklig-braunen Beigeschmack.
Zum einen entstand das Werk auf "Anregung" des CDU-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder, der dafür bald mit einer Ehrenmedaille des "Bundes der Vertriebenen" (BdV), ein ewiggestriger Verein von Revisionisten, geehrt wird. Zum anderen leistet man sich historische Ungenauigkeiten, die nur noch die Bezeichnung "Propaganda" verdienen.
So wird, angeblich zur Vermeidung einer "politisch-dramaturgischen Schieflage", die Figur eines Verräters an Bord eingeführt: der Funker, der dem sowjetischen U-Boot die Koordinaten der Gustloff übermittelt, damit die slawischen Untermenschen ganz fies das Flüchtlingsboot aufs Korn nehmen können. Überhaupt entsteht dadurch erst die "politisch-dramaturgische Schieflage", denn abgesehen von diesem abstrusen Konstrukt wird auch ansonsten das Knopp'sche Lied vom Zweiten Weltkrieg gezeichnet: die asiatischen Horden der Roten Armee wollen der herzensguten deutschen Zivilbevölkerung ans Leder. Dass diese den Krieg erst gestartet hat - Fehlanzeige. Die Blutspur, die man in der SU hinterließ - Fehlanzeige. Hier regiert ein Geschichtsbild, wie es sich die NS-Granden in ihren eigenen Produktionen nicht besser hätten wünschen können.
Es kommt aber noch besser: dieser verräterische Funker - was auch immer er damit hätte erreichen wollen - ist nämlich ein Agent des Nationalkommitees Freies Deutschland, des Propagandaablegers der moskaugesteuerten KPD im Zweiten Weltkrieg. Die Kommunisten sind unter uns! Wer Anklänge zu den Hetzkampagnen von heute finden will, muss nicht mit der Lupe suchen.
Flankiert wird der Zweiteiler durch zahlreiche Dokus im Knopp'schen Stil und eindeutig "politisch-dramaturgischer Schieflage": das Leid, das Titos Partisanen in Jugoslawien verursachten und "unsere" Vertreibung aus Schlesien ("eine schlesische Tragödie"). Dargestellt werden ausnahmslos die Gräuel sowjetischer Soldaten an der Zivilbevölkerung; dass dem tobenden Moloch der Wehrmacht und der ihr auf den Fuß folgenden Sonderkommandos bis Kriegsende 20 Millionen Sowjetbürger zum Opfer gefallen sein werden, von denen rund 8 Millionen ebenso unschuldige Zivilisten sein dürften - Fehlanzeige.
Unter lautem Jubeln der Rechtskonservativen in der CDU und des BdV und ihrer Vorsitzenden Erika Steinbach wird beim ZDF, finanziert von Steuergeldern und in öffentlich-rechtlichem Auftrag, auf widerwärtigste Weise Revisionismus betrieben. Die Sicht auf den Zweiten Weltkrieg wird immer mehr durch den Knopp'schen Mainstream ersetzt, dessen Quintessenz in Wikipedia so hervorragend formuliert wurde:
Peter Kümmel fasst amerikanische und deutsche Kritiker so zusammen: Knopps Filme funktionierten wie „Rollenspiele, mit deren Hilfe sich die Deutschen mit ihren Großvätern versöhnen könnten.“ Die Filme würden das „Wir“-Gefühl mehr ansprechen als die Fakten. Erinnerung sei bei ihm emphatisch geladen, zu wohlwollend. Differenzierte Kritik bescheinigt zwar, dass die gesprochenen Kommentare und Botschaften politisch korrekt seien. Der „visuelle Sog“ der teils auch nachgestellten und mit Ton unterlegten Szenen überlagere jedoch oftmals den Off-Kommentar und schaffe eine raffinierte Identifikationsmöglichkeit etwa mit einem Militäridol, lasse gegensätzliche Perspektiven von Tätern und Opfern außen vor und löse „eine Kette verführerischer Gedanken aus: Was, wenn der Angriff früher begonnen, der Winter später eingesetzt hätte und der ‚Führer’ gescheiter gewesen wäre.“ (Quelle)
Weiterführende Links: German Foreign Policy

1 Kommentar:

  1. Aber hübsch ist es trotzdem... das Wasser steigt, die Massen rennen, Torpedos krachen in der Nacht, Frauen kreischen, Kinder brennen - nein, was haben wir gelacht!

    Das Herr Knopp kein Historiker im strengen Sinne ist sondern bestenfalls ein wenig Geschichtsklitterung betreibt ist ja in seriösen Historikerkreisen längst nichts neues mehr. Dass das ZDF immer schon gerne in der braunen Soße gerührt hat auch nicht. Seien wir ehrlich: Die Wahrheit ist viel zu trivial, als dass man damit zwei Abende füllen könnte. Keine Helden und Schurken, nur Krieg - und vom dem sind die breiten Massen längst übersättigt. Ich bezweifle da ein wenig die Theorie des Revisionismus und möchte stattdessen Gedankenlosigkeit in der Raum stellen. Es geht hier gar nicht mehr um Geschichte oder Politik, sondern um Quoten. Denn eines darf man nicht vergessen: Der durchschnittliche Fernsehzuschauer ist inzwischen so dermaßen ungebildet, dass sehr stark bezweifelt werden muss, ob er die Buchstaben NSDAP in der richtigen Reihenfolge aufzusagen und zu dechiffrieren überhaupt in der Lage ist - geschweige denn, dass er weiß, was ein NFD ist. Sämtliche politischen Botschaften müssten schon wesentlich drastischer dargestellt werden, damit ihre Anwesenheit überhaupt zur Kenntnis genommen würde.

    Dass um diese ganze Geschichte herum die üblichen Reichsbedenkenträger ihren Senf dazugeben ist inzwischen so normal, dass kein Hahn mehr danach kräht. Ich hoffe sehr, dass sich solche Schießbudenvereine wie der BdV in Bälde durch natürlichen Wegfall von selbst erledigen. Und was die Gedanken vom "Was wäre gewesen wenn" angeht... nun ja... ich bin ja schon froh, wenn der Durchschnittsbürger überhaupt weiß, dass es da was gab, zu dem man ein "was wäre gewesen wenn" denken kann...

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