Sonntag, 15. Februar 2009

Von den Charakterlosen

Eine bittere Geschichte erzählt Klaus Max Smolka in der FTD. Es geht um Berlin, wie die "vom reichen Westen durchgefütterte, hoch subventionierte Hauptstadt in Randlage mit einwohnerschwachem Zuzugsgebiet". Berlin nämlich wirbt, wie andere Ostländer übrigens auch, Institutionen und Firmen aus dem Westen ab. Suhrkamp, BILD, Bahn, Bundestag - nehmt sie als pars pro toto, sie alle ziehen nach Berlin. Wowereit, der böse Rote, steht gewissermaßen feixend da und nimmt mit der einen Hand das Geld des Westens, das er mit der anderen ausgibt, um eben diesen Westen auszutrocknen. Das sei, befindet Smolka abschließend, charakterlos.
Nun, fein ist es gewiss nicht. Aber auch maximal die halbe Wahrheit. Smolka unterschlägt nämlich zwei wichtige Dinge, die man in diesem Fall bedenken muss. Das eine ist der desolate Zustand des Ostens, der hauptsächlich von der völlig verbockten Einigungspolitik herrührt - Stichwort Treuhand. Das andere aber ist wichtiger, und hier muss sich Smolka auch persönlich Vorwürfe gefallen lassen. Seit mehreren Jahren schon - nehmen wir als Startdatum einfach mal 2001, Gründungsdatum der ISNM - wird der Wettbewerbsgedanke hochgehalten. Beständig heißt es, dass alle im Wettbewerb stehen müssen, überall, ständig - nur das bringe die besten Ergebnisse. Auch das Stichwort vom Wettbewerbsföderalismus ist hier schon öfter gefallen; die USA haben schlechte Erfahrungen damit gemacht, warum sollten also nicht auch wir damit auf die Schnauze fliegen? Jetzt macht Berlin genau das, nämlich im Wettbewerb zu versuchen so viel möglich an sich zu raffen, indem man die Standortvorteile nutzt - und dann ist das plötzlich charakterlos. Aha. Wir merken uns: es ist nur dann gut, wenn die richtigen gewinnen.
Aber das haben wir ja auch schon bei den Chinesen gemerkt.

1 Kommentar:

  1. Ist es nicht so, dass das gesamte neoliberale System charakterlos ist?

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